Gift für anspruchsvolle Solarprojekte

Bernd Bodmer, Geschäftsführender Gesellschafter von relatio PV, kritisiert die Pläne seines Parteifreunds Norbert Röttgen in Sachen Photovoltaik. Der Solarserver veröffentlicht den offenen Brief als "Solar-Standpunkt". Sehr geehrter Parteigenosse Röttgen, die Finanzkrise hat die deutsche Wirtschaft schwer gebeutelt. Unsummen an Steuergeldern wurden eingesetzt, um die Auswirkungen abzufedern. Noch immer machen zahlreiche Unternehmen von der Kurzarbeit Gebrauch. […]

Bernd Bodmer, Geschäftsführender Gesellschafter von relatio PV, kritisiert die Pläne seines Parteifreunds Norbert Röttgen in Sachen Photovoltaik. Der Solarserver veröffentlicht den offenen Brief als "Solar-Standpunkt".
Sehr geehrter Parteigenosse Röttgen,

die Finanzkrise hat die deutsche Wirtschaft schwer gebeutelt. Unsummen an Steuergeldern wurden eingesetzt, um die Auswirkungen abzufedern. Noch immer machen zahlreiche Unternehmen von der Kurzarbeit Gebrauch. Auf der anderen Seite gibt es eine Branche, die boomt – die Solarbranche. Eine Branche, die wirtschaftliche Erfolge vorweisen kann und wie kaum eine andere dazu beiträgt, die Vorreiterrolle Deutschlands in Sachen Erneuerbare Energien zu stützen. Dieser Technologievorsprung ist von grundlegender Bedeutung für unsere Unabhängigkeit, damit wir in Zukunft nicht mehr auf die Energielieferungen anderer Staaten angewiesen sind.
Große Solarstrom-Projekte in Gefahr
Doch diese Schlüsselbranche scheint manchen ein Dorn im Auge zu sein. Krampfhaft wird versucht, die bisherigen Erfolge schlecht zu reden und das Erreichte zunichte zu machen. Wie das in der Praxis aussieht, will ich Ihnen gerne anhand des bisher größten Projektes unserer Unternehmensgeschichte aufzeigen:
Der Tauberlandpark, ein geplanter Solarpark bei Wertheim (Landkreis Tauberbischofsheim) könnte der größte Solarpark Europas werden und in den nächsten 25 Jahren im Schnitt rund 20.000 Haushalte dauerhaft mit umweltfreundlichem, CO2-neutralem Solarstrom versorgen. Erfreulicherweise handelt es sich beim Tauberlandpark um ein Projekt, das nicht gegen Widerstände in der Bevölkerung durchgesetzt werden musste. Nach den ersten Gesprächen im Mai 2009 wurden alle notwendigen Maßnahmen eingeleitet, wie z.B. die genehmigungsrechtlichen Verfahren inkl. Bebauungsplanänderung und die damit verbundene Anhörung der Träger öffentlicher Belange. Ergebnis: Es gab keine Stimmen, die das Projekt nicht befürwortet hätten, sondern lediglich ein paar konstruktive Vorschläge für die weitere Optimierung der Umweltverträglichkeit.
Alle Verantwortlichen in den Rathäusern, dem Landratsamt und sonstigen betroffenen Dienststellen haben sich ebenso wie meine Mitarbeiter und zahlreiche weitere Beteiligte mit vollem Engagement dafür eingesetzt, dass alles zügig vorwärts ging. Auch alle Beschlüsse der Gemeinde- und Ortschaftsräte fielen einstimmig für das Projekt. So konnten wir bereits am 7. Januar 2010 den ersten Spatenstich vornehmen.
Völlig unberechenbare Politik
Selbstverständlich lässt sich ein solches Vorhaben nur mit Investoren realisieren, die bereit sind, Kapital beizusteuern. Bevor sie dies tun wollen sie, verständlicherweise, klare Prognosen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Im Gegensatz zu den Windprognosen sind die Prognosen bei den Sonnenstunden relativ genau. Berechnen können wir auch technische Dinge wie Wirkungsgrade von Anlagenkomponenten und vieles mehr. Man kann sagen: Wir haben die technische Seite und auch die Auswirkungen der Natur im Griff.
Was für uns hingegen völlig unberechenbar ist, ist die Politik. Alle Berechnungen, die den Verhandlungen und den Verträgen mit Investoren zugrunde liegen, werden wohl in Kürze Makulatur sein. Damit ist das ganze Projekt ins Wanken geraten. Ein Solarpark braucht nun mal eine Entwicklungszeit von rund einem Jahr – zuzüglich Bauzeit. Wenn wir aber keine unternehmerische Planungssicherheit mehr haben, können wir keine Projekte dieser Art mehr realisieren.
Ist es nicht – gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – Aufgabe einer Regierung für Stabilität zu sorgen und den Unternehmen eine möglichst hohe Planungssicherheit zu geben? Während andere Branchen mit Milliardensubventionen gestützt werden, setzt die Regierung mit hektischem Aktionismus alles, was bisher in diese Branche investiert wurde, aufs Spiel. Durch die Reduzierung der Eispeisevergütung werden keine Steuergelder eingespart, sondern Steuereinnahmen verhindert.
Bekanntlich wurde das EEG eingeführt, um einer Zukunftstechnologie den Einstieg in den Markt zu ermöglichen. Selbstverständlich sind wir gegen Dauersubventionen, wie dies bei anderen Energieträgern teilweise der Fall ist (Kohle, Atom). Deshalb wehren wir uns auch nicht, wenn die Marktgegebenheiten permanent geprüft werden und die Einspeisevergütung angepasst wird. Was aber im Moment passiert, ist keine Anpassung, sondern ein Zickzack-Kurs, der jede unternehmerische Planung unmöglich macht.
Wir sind vor vier Jahren in die Photovoltaik eingestiegen und beschäftigen heute 50 Mitarbeiter. Unser Unternehmen hat noch nie eine Subvention erhalten. Darlehen und Kredite erhalten wir weder von Banken noch von Lieferanten. Wenn wir Ware einkaufen, müssen wir entweder hohe Anzahlungen leisten oder gar per Vorauskasse zahlen. Dieses Phänomen ist in der PV-Branche besonders ausgeprägt.
Trotz eines extrem schleppenden ersten Halbjahres 2009, haben wir weder Kurzarbeit angemeldet noch Mitarbeiter entlassen. All das, was wir auf die Beine gestellt haben, war der Mut einiger weniger und ein extremes Engagement meiner Mitarbeiter.
Regierungskoalition schafft permanente Unsicherheit
Während die Gesamtwirtschaft mit Rückgängen von fünf Prozent zu kämpfen hat, mussten in den vergangenen Jahren Schwankungen weit im zweistelligen Bereich verkraftet werden. Die Branche hat gelernt, mit einer Veränderungsdynamik umzugehen, die andere Branchen nicht meistern. Die Herausforderungen des Marktes werden von den Unternehmen durchaus gemeistert. Was die Unternehmen nicht verkraften, sind die völlig unnötigen Verunsicherungen durch die Politik, die Rahmenbedingungen einfach nach Gutdünken kurzfristig verändert und damit jede Planung unmöglich macht. Seit die aktuelle Regierungskoalition ihre Arbeit aufgenommen hat, herrscht permanente Unsicherheit. Es scheint, als ob die aktuelle Regierungskoalition keine Gelegenheit auslässt, künstliche Schwankungen in der Solarbranche zu erzeugen. Ich werde gelegentlich sogar gefragt, ob es wohl die Absicht der Regierung sein könnte, mit der Behinderung der Photovoltaik die Existenzberechtigung für eine "Brückentechnologie" zu schaffen.
Neubau gestoppt, Einstellung von 30 weiteren Mitarbeitern nicht vorgenommen
Das aktuelle Vorgehen der Regierung würgt nahezu jedes genehmigte Projekt ab – nicht nur Solarparks selbst: Wir haben wegen der unsicheren Verhältnisse und den unklaren Perspektiven den geplanten Neubau unseres Betriebsgebäudes vorerst gestoppt. Am Standort Balingen haben wir die ursprünglich vorgesehene Einstellung von 30 weiteren Mitarbeitern nicht vorgenommen und am Standort Wertheim verhindert die aktuelle Diskussion die Beschäftigung von 100 bis 150 Montagehelfern für die nächsten zwölf Monate.
Was alleine Ihre Ankündigungen zur EEG-Änderung für unser 200-Millionen-Projekt "Tauberlandpark" bedeuten, ist im Moment noch nicht abzusehen. Seit im Oktober letzten Jahres die ersten Gerüchte um eine Änderung des EEG-Gesetzes auftauchten, erschwert eine unerträgliche Unsicherheit die Gespräche mit Investoren. Seit vergangener Woche ist nahezu vollständige Lähmung eingetreten.
Der Tauberlandpark hängt uns am Herzen. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um wenigstens den ersten Bauabschnitt zu vollenden. Was dann geschieht, wissen wir nicht. Vielleicht werden in der Zwischenzeit Beschlüsse gefasst, die uns in die Lage versetzen, mit Investoren zumindest über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu planen. Dass seit Ihrer Ankündigung die Börsenkurse rasant gefallen sind, zeigt, dass die Tragweite Ihrer geplanten Änderung weit größer ist, als nur die Solarunternehmen, die am stärksten von den Kurseinbrüchen betroffen sind.
Keine Flächenversiegelung durch Solarparks; sondern ökologisch wertvolles Weideland
Wider besseres Wissen wird sogar von Seiten der Landesumweltministeriums in der Presse behauptet, dass ein Solarpark einer Flächenversiegelung gleich komme. Dabei wird die Fläche keineswegs versiegelt und die Modulüberbauung liegt unter 35 Prozent der Gesamtfläche. Zwischen den Modulreihen und darunter entsteht ökologisch wertvolles Weideland, das sogar in der Lage ist, größere Niederschlagsmengen zu speichern als während der bisherigen Nutzung. Das heißt, im Ergebnis ist dieser Park genau das, was viele von der Landwirtschaft fordern, nämlich eine extensivere Nutzung der Fläche. Im Gegensatz zur landwirtschaftlichen Nutzung erfordert der Park weder Düngemittel noch Pflanzenschutzmittel. Dies bedeutet zusätzlich zur umweltfreundlichen Stromerzeugung einen ökologischen Gewinn.
Selbstverständlich sind auch wir der Ansicht, dass zuerst Dachflächen und Konversionsflächen genutzt werden sollten, bevor Ackerland umgenutzt wird. Darum bemühen wir uns seit über einem Jahr um Konversionsflächen zur solaren Nutzung. Jede Deponie würden wir zu einem solaren Projekt entwickeln, wenn es betriebswirtschaftlich auch nur einigermaßen darstellbar ist. Leider ist es uns nicht einmal in unserem eigenen Landkreis gelungen, Projekte auf Brachflächen wie Deponien mit Photovoltaik zu realisieren. Viele Landkreise haben zwar Flächen, wollen aber gar nicht, dass diese genutzt werden oder die Flächen stehen erst in ein paar Jahren zur Verfügung.
Wir können gerade im Deponiebereich gute Erfahrungen und ausgezeichnete Referenzprojekte vorweisen. Wir haben sogar bereits auf ehemaligen Militärgeländen und ungenutzten Flugplätzen Projekte realisiert. Die Verhandlung mit den jeweiligen Kommunen ist jedoch extrem schwer. Erst vor kurzem haben wir in den neuen Bundesländern für eine Mülldeponie eine Ablehnung erhalten obwohl wir bereits entsprechende Investoren vorweisen konnten.
Tauberlandpark kann problemlos vollständig zurückgebaut werden
Wir haben uns daher auch nach anderen Flächen umgesehen. Wegen der landwirtschaftlichen Überproduktion können Landwirte mit dem Anbau von Nahrungsmitteln nicht oder nur durch massive Subventionen einen auskömmlichen Ertrag erwirtschaften. Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen suchen daher nach sinnvolleren Nutzungsmöglichkeiten. Beim Tauberlandpark wird die Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung vorübergehend entzogen und steht nach Ablauf der vereinbarten Solarstrom-Nutzungsdauer wieder als Ackerland zur Verfügung. Die Umnutzung erspart dem Steuerzahler im Übrigen auch landwirtschaftliche Subventionen. Der Solarpark ist so konstruiert, dass er problemlos vollständig rückbaubar ist.
Gesetzesänderung bedroht die Existenz der Handwerker und der gesamten Branche
Nicht nur für den Tauberlandpark, sondern für die Handwerker der gesamten Branche ist die Art und Weise der Gesetzesänderung bitter und existenzbedrohend. Die aktuellen Verlautbarungen der Regierung führen dazu, dass nun im Winter unter unmenschlichen und gefährlichen Bedingungen auf vereisten deutschen Dächern mit Hochdruck Photovoltaik montiert wird. Sobald das Wetter dann besser wird und ein angenehmes Arbeiten möglich wäre, sind die Leute arbeitslos. Vor allem sind heute Module vor dem 31.03.2010 schon wieder nicht mehr zu bekommen. Ja selbst Stecker sind bereits ausverkauft.
Kosten der konventionellen Energieträger werden in der Photovoltaik-Diskussion ausgeblendet
Immer wieder muss die Photovoltaik als "Sündenbock" herhalten, zum Beispiel rechtfertigen Energieversorger ihre Strompreiserhöhungen mit den angeblichen Kosten der PV-Einspeisevergütung. Dabei machen die gesamten Kosten der EEG-Vergütungen nur einen Bruchteil des Strompreises aus, nämlich 1,1 Cent. Es wird auch oft vernachlässigt, dass Solarstrom zu Spitzenlastzeit entsteht und damit auch für die Energieversorger wesentlich wertvoller ist als Grundlaststrom. Auch werden viele Kosten der konventionellen Energieträger immer dann ausgeblendet, wenn erneuerbare Energien damit verglichen werden. Solarstrom verursacht im Gegensatz zu Kohle- oder Atomstrom, kaum externe Kosten, die letztlich vom Steuerzahler zu tragen sind. So hat alleine die Sanierung des Urantagebaugebietes Wismut 6,6 Milliarden Euro an Steuergeldern verschlungen. Die Endlagerung des Atommülls ist immer noch unklar – das heißt die Zwischenlager müssen irgendwann mal wieder ausgegraben werden.
Leider muss ich als Unternehmer und CDU-Mitglied feststellen, dass die christlich-liberale Regierungskoalition es wie keine andere geschafft hat, innovative Unternehmen auszubremsen und eine ganze Branche zu lähmen. Ich gehe davon aus, dass Sie diese Situation nicht gezielt herbeiführen wollten und stehe Ihnen für konstruktive Gespräche gerne zur Verfügung.
Herzliche Grüße,

Ihr

Bernd Bodmer
Geschäftsführender Gesellschafter
der relatio Unternehmensgruppe

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