Internationaler Verbund oder dezentrale Energieautonomie?: Missverständnisse zum Solarstrom-Import aus Nord-Afrika

von Michael Straub Michael Straub, Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für den Club of Rome und Marketing-Sprecher der Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC), vertritt die Auffassung, dass international vernetzte und dezentral erzeugte erneuerbare Energien nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten.Utz Claassen, Vorstandsvorsitzender der EnBW hält das DESERTEC-Konzept zum Solarstrom-Import aus Nord-Afrika offenbar für eine (billigere) Alternative zu […]

von Michael Straub

Michael Straub, Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für den Club of Rome und Marketing-Sprecher der Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC), vertritt die Auffassung, dass international vernetzte und dezentral erzeugte erneuerbare Energien nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten.Utz Claassen, Vorstandsvorsitzender der EnBW hält das DESERTEC-Konzept zum Solarstrom-Import aus Nord-Afrika offenbar für eine (billigere) Alternative zu unseren heimischen erneuerbaren Energiequellen. Irm Pontenagel, Geschäftsführerin von EUROSOLAR, sieht sich in ihrem aktuellen Artikel im "Solarzeitalter" veranlasst, unsere heimischen Energiequellen gegen Herrn Claassen zu verteidigen.
Für uns stellt sich nicht die Frage, ob man dezentralen europäischen ODER international vernetzten sauberen Strom nutzen sollte. Aus Sicht des Klimaschutzes und der Strompreise sollte man in jedem Fall beide Potenziale nutzen (und man wird es auch):

  • Besonders ergiebige erneuerbare Energiequellen (Offshore-Windkraft, Wasserkraft) können in einem internationalen Stromverbund optimal genutzt werden, um die Anteile der erneuerbaren Energien im großen Maßstab auszubauen. Dazu können die europäischen Energieversorgungsunternehmen (EVU) und Stromnetzbetreiber nennenswerte Beiträge liefern, anstatt wie üblich nur auf Kohle- und Atomstrom zu setzen. Eine Schlüsselrolle spielt hier der zügige Aufbau eines verlustarmen europäischen, von den EVU unabhängigen, Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetzes (HGÜ), das vom WBGU und Bündnis90/Die Grünen auch als "Supernetz" bezeichnet wird.
  • Dezentrale erneuerbare Energiequellen müssen ebenso erschlossen (und vernetzt) werden, um den Anteil der erneuerbaren Energien auszubauen und um den Endkundenstrompreis zu begrenzen, sobald die Technologien ohne staatliche Unterstützung wettbewerbsfähig sind und die etablierten EVU mit ihnen ernsthaft konkurrieren müssen.
  • Solarthermische Kraftwerke in Nord-Afrika liefern dank thermischer Speicher gleichmäßige und regelbare Strommengen und sind damit die ideale Ergänzung zu unseren heimischen Wind- und Photovoltaik-Ressourcen. Wie hoch der Anteil des durch verlustarme Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung transportierten Stroms in Europa sein wird, wird sich zeigen. Im Szenario der TRANS-CSP Studie des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) sind es 15 Prozent bis 2050, während der heimische erneuerbare Energieanteil am Stromverbrauch bis dahin bei etwa 65 Prozent liegt. Der Standpunkt von TREC zur Versorgungssicherheit von Solarstrom-Importen, findet sich auf dessen Internetauftritt.

Verzicht auf teure und ineffiziente Stromspeicher
für dezentrale Anlagen möglich

Aus Sicht von TREC ergänzen sich dezentrale und international vernetzte erneuerbare Energien ideal, insbesondere, da solarthermische Kraftwerke mit ihren thermischen Speichern Strom nach Bedarf liefern können; auch nachts und wenn kein Wind weht. Auf teure und ineffiziente Stromspeicher für dezentrale Anlagen ist man somit nicht mehr unbedingt angewiesen, was die dezentrale Stromerzeugung finanziell noch attraktiver macht. So verlieren teure Batteriespeicher etwa 20 %, neuere Wasserstoff- und Druckluftspeicher sogar mindestens 50 % der ursprünglich eingesetzten erneuerbaren Elektrizität und erhöhen allein schon damit erheblich die Stromkosten. Dazu verschlechtern Investitions- und Betriebskosten der jeweiligen Speichertechnologie die Wettbewerbsfähigkeit noch weiter. Aufgrund der notwendigen Regelkapazität wäre die einzige Alternative zu Solarstrom-Importen der verstärkte Einsatz von Erdgas und "sauberer" Kohle, selbst wenn die verfügbaren heimischen Wasserkraft-, Geothermie- und Biomassepotenziale zur Stromerzeugung, wie von TREC vorgeschlagen, ebenso weitgehend genutzt würden.

Solar- und Windstrom für den ständig wachsenden Eigenbedarf von MENA

Dass große Solar- und Windstromanlagen im Mittleren Osten und in Nord-Afrika (MENA) gebaut werden sollten, befürworten auch Vertreter der Energieautonomie mit dem Verweis auf den bereits vorhandenen und ständig wachsenden Eigenbedarf dieser Länder (auch wenn dies nicht unbedingt dem dezentralen Stromerzeugungsprinzip entspricht). TREC ist derselben Meinung: Im Szenario der Studien des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR), auf die TREC sich bezieht, werden solarthermische Kraftwerke bis 2020 vorrangig für den Eigenbedarf (Strom und Wasser) gebaut. Ab 2020 sind solarthermische Kraftwerke für den Stromexport wettbewerbsfähig und die Länder können über den Eigenbedarf hinaus ein Exportpotential aufbauen.
Die Studien des DLR zeigen, dass die Stromerzeugungskosten dank der Einspeisung von erneuerbaren Energien aus MENA im Gegensatz zum "Strommix 2000" nicht weiter steigen, sondern ab 2020 wieder fallen können. Ob dies an die Endkunden weitergegeben wird, hängt von der Wettbewerbsfähigkeit der dezentralen Technologien, von der zukünftigen Marktsituation und vom Gesetzgeber ab. Dass dezentrale Stromerzeugung die EVU gänzlich verdrängen wird, wagt TREC jedoch zu bezweifeln, da die Gewinnspannen und somit auch die Preisspielräume der EVU bei Privatkunden relativ groß sind. Leistungsfähige Stromnetze werden schon aus Gründen der Versorgungssicherheit und -stabilität auch zukünftig unverzichtbar sein. Der Klimawandel ist ein sehr dringendes Problem. Ein Einbinden der EVU in den Klimaschutz anstatt eines langwierigen Kampfes um Vormachtstellungen, führt aus unserer Sicht zu einem weitaus besseren Ergebnis.

Sinnvolle Ergänzung, nicht Alternative zu heimischen erneuerbaren Energiequellen

Solarstrom-Importe konkurrieren direkt mit (fossilen und nuklearen) Erzeugerpreisen, während heimischer PV-Strom mit Privatkundenendpreisen im Wettbewerb steht. Der europäische Photovoltaikmarkt ist durch Solarstrom-Importe auch deswegen nicht gefährdet, weil MENA-Strom voraussichtlich nicht vor 2020 importiert werden wird und der Photovoltaikmarkt nach den neusten Verlautbarungen aus der europäischen PV-Industrie bis dahin nicht mehr auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein dürfte. TREC und die Studien des DLR sehen Solarstrom-Importe von Nord-Afrika nach Europa als sinnvolle Ergänzung, keinesfalls jedoch als Alternative zu heimischen erneuerbaren Energiequellen. Wenn große EVU, wie die EnBW, hier ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können und wollen, dann ist das aus unserer Sicht eigentlich nur zu begrüßen. Allerdings ist das DESERTEC-Konzept nicht auf das Wohlwollen deutscher EVU angewiesen, da es in MENA inzwischen genügend potentielle Investoren gibt, die beginnen, das große Potential der erneuerbaren Energien in ihrer Region zu begreifen (was sich z.B. in der Al Masdar Initiative Abu Dhabi’s zeigt). Was die Realisierung des Konzeptes jedoch wirklich voranbringen würde, wären Hilfestellungen der EU zur Einführung und Absicherung von Einspeisegesetzen in den Ländern MENA’s. Um dies zu erreichen, arbeitet TREC gerade an einem Weißbuch, das von Seiner Königlichen Hoheit Prinz El Hassan bin Talal von Jordanien, Präsident des Club of Rome, vor dem EU-Parlament präsentiert werden soll.
Abschließend zum Vorurteil, dass solarthermische Kraftwerke nicht gebaut werden: Während in den USA bereits über 350 Megawatt stehen und zahlreiche weitere Anlagen in Planung sind, sollen in Spanien bis 2010 solarthermische Kraftwerke mit einer Leistung von zusammen 500 Megawatt ans Netz gehen – und das ist nur der Anfang. In Nord-Afrika hat z.B. Algerien ein größeres Programm aufgelegt und in Marokko und Ägypten laufen ebenfalls schon Ausschreibungen. Wer sich für erneuerbare Energien interessiert, ist also gut beraten, sich auch einmal mit dieser Technologie auseinanderzusetzen.
Gerne lade ich Sie, lieber Leser, ein, sich auf den Internetauftritten von TREC ( www.TREC-EUMENA.net ) und des DLR ( www.dlr.de/tt/trans-csp ) ausführlich über das Thema zu informieren und sich Ihre eigene Meinung zu bilden. Sigmar Gabriel zumindest bezeichnete das DESERTEC kürzlich als „bahnbrechend“ ( www.solarserver.de/news/news-6844.html ) und Bündnis90/Die Grünen sind seit ihrem letzten Bundesparteitag offizielle Unterstützer von TREC www.TRECers.net/downloads/159557.pdf Seite 5 )
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