Strangstrom-Sensorik: Pflicht oder Kür für große Photovoltaikanlagen?

Photovoltaik-Anlagen werden in Abhängigkeit von Größe und örtlichen Bedingungen geplant und gebaut. In vielen Fällen stehen bei der Planung jedoch die Kosten im Vordergrund. Kostengünstig und renditestark lautet oft der Tenor. Demzufolge wird zusätzliche Sensorik nur rudimentär implementiert, was sich im laufenden Betrieb durchaus rächen kann, warnt Björn-Lars Kuhn von der Proteus Solutions GbR (Spaichingen) […]

Photovoltaik-Anlagen werden in Abhängigkeit von Größe und örtlichen Bedingungen geplant und gebaut. In vielen Fällen stehen bei der Planung jedoch die Kosten im Vordergrund. Kostengünstig und renditestark lautet oft der Tenor.
Demzufolge wird zusätzliche Sensorik nur rudimentär implementiert, was sich im laufenden Betrieb durchaus rächen kann, warnt Björn-Lars Kuhn von der Proteus Solutions GbR (Spaichingen) im aktuellen Solar-Standpunkt.PV-Freilandanlagen mit Zentralwechselrichter werden überwiegend nach einem bestimmten Schema geplant und aufgebaut. Das Wissen, eine solche Anlagenauslegung zu planen, ist demnach weit verbreitet.
Die Solarmodule werden in Reihe geschaltet, und eine bestimmte Zahl von Strängen wird dann in einem Geräteanschlusskasten (auch Array-Box, Combiner-Box, GAK oder DC-UV genannt) zusammengefasst.
Durch Auflegung der Stränge innerhalb der Unterverteilung und Bündelung zu einem Summenstrang entsteht eine Parallelschaltung der Stränge. Die Summenleitungen der Anschlusskästen werden dann bis zum Wechselrichter geführt, wobei der Kabelquerschnitt wesentlich höher ist als bei den Einzelleitungen, da sich die Ströme entsprechend addieren.
Strangstromsensoren greifen nun an dem Punkt, an dem der einzelne Strang in der Unterverteilung zusammengelegt wird. Hier werden die Ströme der Einzelstränge gemessen und von einem zentralen Datenlogger aus dem Kommunikationsmodul der Sensorik ausgelesen.

Warum ist es sinnvoll, die Stromwerte der einzelnen Stränge zu messen?
Im optimalen Fall und bei korrekter Planung einer Anlage wird diese zumindest theoretisch die geplante Leistung erzeugen. Allerdings gibt es eine Reihe von Faktoren, die die Performance einer Anlage mindern können. Das sind:

  • Verschattung bzw. Abdeckung von Teilbereichen,
  • Qualität der Module,
  • Beschädigung bzw. Ausfall (Modulkurzschluss, Erdschluss) von Modulen sowie
  • Diebstahl oder Vandalismus.

Bei Einsatz geeigneter Monitoring- und Überwachungstools wird in vielen Fällen nur die aktuelle Leistung der gesamten Anlage angezeigt. Der Leistungsverlauf über den Tag zeigt dabei nur, dass bei größerer Einstrahlung entsprechend mehr Leistung generiert wurde.
Ohne die Überwachung der Strangströme kann kaum darauf geschlossen werden, ob alle angeschlossenen Module auch die Leistung bringen, die geplant war.
Schon bei der Auslegung einer Anlage ist der Planer bestrebt, die Stränge zur Unterverteilung gleichmäßig aufzubauen. Hintergrund hierbei ist rein physikalisch das Ohmsche Gesetz. Bei Verschattung einzelner Stringreihen oder durch unterschiedliche Qualität der Module können die einzelnen Stränge unterschiedliche Ströme und damit unterschiedliche Leistungen erzeugen. Dabei kann es allerdings auch zu negativen Strangströmen bzw. Rückströmen kommen. Diese mindern nicht nur die Gesamtleistung der Unterverteilung, sondern können unter Umständen auch nachhaltig Module beschädigen.
Auch der Ausfall von Modulen, beispielsweise durch Zerstörung von Kabelteilen durch Nagetiere, ist in der Praxis kein Einzelfall. Ebenso wie Hagelschäden mindern diese Szenarien die Leistung der Stränge und damit in Summe die der gesamten Anlage.
Mittlerweile ist auch Diebstahl von Solarmodulen ein Thema, das nicht mehr ignoriert werden darf. Natürlich kann Sensorik einen Diebstahl nicht verhindern, aber die rasche Erkennung ist in jedem Fall gegeben, so dass gestohlene Module zeitnah ersetzt werden können und Leistungsausfälle nur temporär auftreten.

Musterbeispiel (vereinfacht):
Als Beispiel sei eine Anlage mit einer geplanten Leistung von 500 kW gegeben. Der eingesetzte Zentralwechselrichter hat eine Nennleitung von 520 kW. Es sind insgesamt 15 Geräteanschlusskästen mit insgesamt 112 Strängen vorhanden.
Im Normalbetrieb wird pro Strang ein Strom von ca. 8 A gemessen bei einer Spannung von 550V. Damit erzeugt der Einzelstrang eine Leistung von 4,4 kW.

PStrang = UStrang * IStrang = 550 V * 8 A = 4400 VA = 4,4 kW

Das ergibt bei 112 Strängen durch Multiplikation eine Gesamtleistung aller Stränge von 492,8 kW.
Diese Leistung wird eine Anlage allerdings nur bei optimalen Bedingungen und bei maximaler Einstrahlung erzeugen können.
Nimmt man jetzt an, dass auf Grund von Diebstahl, Beschädigung oder ausgelösten Sicherungen 5 Stränge komplett ausfallen und weitere 5 Stränge durch Verschattung oder Verschaltungsfehler negative Strangströme von -2,6 A produzieren, so ergibt sich folgende Rechnung:
112 Stränge – 10 fehlende bzw. defekte Stränge = 102 produktive Stränge.
Dies ergibt eine Gesamtleistung von: 102 Stränge * 4,4 kW = 448,8 kW.
Die 5 Stränge mit negativen Strömen erzeugen eine negative Leistung (P) von:
5 Stränge * 550 V * -2,6 A = -7,15 kW

Damit verbleibt eine Produktivleistung von 441,65 kW.Das sind im Verhältnis zu Planleistung etwa 10,3% Leistungsverlust.
Bei einem durchschnittlichen Sommertag mit ein paar Quellwolken kann alleine durch die grafische Darstellung der Leistungswerte kaum auf diese Fehler geschlossen werden, vor allem, wenn aus Gründen der Sparsamkeit auch noch auf einen Einstrahlungssensor verzichtet wurde.
Bewertet man diese Leistungseinbuße monetär, könnte man zu folgender Rechnung gelangen:
Die Anlage erwirtschaftet an einem normalen Sommertag über die Einspeisevergütung einen Betrag von 2.400,00 EUR.
Die 10%-ige Minderung der Leistung ergibt somit einen Verlust von 240,00 EUR pro Tag. Immerhin 7.200,00 EUR pro Monat, die man hätte vermeiden können. 
Die in diesem Beispiel berechneten Werte sollen nur einen Hinweis auf mögliche Leistungsabweichungen geben. In der Praxis werden negative Ströme nicht während des gesamten Tages auftreten, wenn sich der Wechselrichter im MPP-Zustand befindet, sofern keine Verschaltungsfehler vorhanden sind. Erfahrungsgemäß kann man Rückströme z.B. bei Schwachlicht nachweisen. Zur besseren rechnerischen Darstellung wurde deshalb hier mit Tageswerten gerechnet.

Fazit: Strangstromsensorik kann sich bei Megawatt-Parks durchaus lohnen
Strangstromsensorik ist nicht unbedingt günstig. Aber anhand dieser Beispielrechnung lässt sich recht leicht nachvollziehen, ob ihr Einsatz, vor allem bei Megawatt-Parks, über die Laufzeit gerechnet nicht doch günstiger ist als ohne diese Lösung.Nur optimal überwachte Anlagen erwirtschaften langfristig die Beträge, die in Ertragsgutachten berechnet wurden. Werden diese nicht erreicht, kommt es gerade im Bereich der größeren Anlagen zu Diskussionen, denen man eigentlich aus dem Weg gehen möchte.
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Anbietern von Strangstromsensoren. Allerdings sollte in diesem Falle auf die technischen Spezifikationen geachtet werden. So können bis heute einige Anbieter z.B. nicht mit negativen Strömen umgehen und zeigen diese entweder gar nicht an oder stellen diese sogar positiv dar. Zudem sollte auf Leistungsgrenzen und Messgenauigkeit geachtet werden.
Bei bestehenden Anlagen bieten einige Anbieter zudem die Möglichkeit, die Sensorik nachzurüsten oder auch temporär zu Diagnosezwecken zur Verfügung zu stellen.

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