Klima-Urteil vom Bundesverfassungsgericht stützt erneuerbare Energien

Ansicht des Eingangsbereichs des Bundesverfassungsgerichts - außen - im Vordergrund sprießt das grünes GrasFoto: nmann77 / stock.adobe.com
Das Bundesverfassungsgericht hat heute seine Begründung für ein Urteil zum Klimaschutzgesetz vorgelegt. Demnach verstößt das Gesetz gegen Grundrechte. Mittelbar wird sich dies nach Aussage der Kläger:innen auch auf eine Reihe von Gesetzen auswirken. Das betrifft auch das Energierecht und speziell das Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Dem Urteil vom Bundesverfassungsgericht liegen mehrere Verfassungsklagen zu Grunde, die eine Reihe von Kläger:innen schon 2018 eingereicht haben. Die jetzt vorgelegte Begründung sehen die Kläger:innen und die sie begleitenden Organisationen als einen sehr großen Erfolg. Dies zeigte sich bei einer Pressekonferenz der Kläger:innen kurz nach Vorlage der Begründung, die auch vom Strahlen in den Gesichtern der Beteiligen erfüllt war.

Gericht hat Erwartungen übertroffen

So sagt Prof. Felix Ekardt: „Das ist die erste Umweltklage, die Erfolg hat.“ Die Juristin Roda Verheyen betont: „Das Bundesverfassungsgericht hat alle Erwartungen übertroffen.“ Und der dritte Rechtsexperte in der Runde, Remo Klinger, erklärt, mit dem Urteil habe das Gericht nun klargestellt, dass Klimaschutz Grundrechtsschutz sei. Das sei für Juristen bislang keine Selbstverständlichkeit gewesen.

Mit dem Urteil, so sind sich die drei Expert:innen einig, habe das Bundesverfassungsgericht ein sehr deutliches Signal gesendet. Zwar weise das Gericht dem Gesetzgeber zunächst nur die Aufgabe zu, bis Ende 2022 das deutsche Klimaschutzgesetz für die Zeit nach 2030 weiter zu konkretisieren und einen weitergehenden Pfad zur Reduktion von Emissionen aufzuzeigen. Doch dies müsse sich auch an den wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Damit sei ein Weiter so nicht möglich. „Wenn wir so weitermachen, dann brauchen wir für das 2-Grad-Ziel ab 2030 Nullemissionen“, so Klinger. Der Bestandsschutz sei vorbei, befindet Verheyen: „De facto dürfen heutige Generationen keinen zu großen Schluck aus der Pulle nehmen zulasten anderer Generationen.“

Kohleausstieg muss früher kommen

Damit stünden gesetzliche Grundlagen auf dem Prüfstand. Denn es sei schon jetzt ein aktiveres Handeln erforderlich, um die Klimaziele für Deutschland zu erreichen. So könne der Gesetzgeber zwar den Kohleausstieg weiterhin, wie bislang im Kohleausstiegsgesetz festgelegt, bis 2038 verschieben, sagt Klinger. Dann müsse er aber in anderen Bereichen viel drastischer vorgehen. Daher sein Fazit: „Das Kohleausstiegsgesetz kann so nicht bleiben.“

Mittelbar hat das Urteil daher auch Auswirkungen auf die Energiepolitik. Für Verheyen ist klar, dass die Regierung spätestens in der nächsten Legislaturperiode die regulativen Bedingungen, die jetzt noch den Ausbau erneuerbarer Energien lähmen, angehen müsse. Es sei keine Frage, dass politische Entscheidungen für erneuerbare Energien schnell zu treffen seien. Und Ekardt stellt – auch in diesem Kontext – heraus, Deutschland müsse in der Europäischen Union eine andere Rolle einnehmen. Deutschland dürfe beim Klimaschutz nicht mehr als Bremser fungieren. Sondern auch hier sei die Verantwortung für die nächsten Generationen nun eine Verpflichtung.

Fridays for Future gestärkt

Rückenwind gibt das Urteil auch Fridays for Future. Lisa Neubauer, eine der Aktivistinnen der jungen Klimaschutzbewegung, sagt: „Das ist heute ein unfassbar großer Tag.“ Sie ist selbst eine der Klägerinnen. „Uns wurde heute Recht zugesprochen. Der Staat hat die Pflicht, die Generationen zu schützen.“ Darin sieht sie eine entscheidende Grundlage für den anstehenden Wahlkampf. „Wir können jetzt mit einem anderen Selbstbewusstsein Klimaschutz einfordern.“ Denn bisher habe sich ihre Generation fast entschuldigen müssen, wenn sie mehr Klimaschutz verlangt habe. Das Verfassungsgericht habe ihn aber nun zum Grundrecht erklärt.

Das Bundesverfassungsgericht, das durch ein unzureichendes Klimaschutzgesetz (KSG) Freiheitsrechte bedroht sieht, erklärt. „Grundrechte sind aber dadurch verletzt, dass die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 zugelassenen Emissionsmengen die nach 2030 noch verbleibenden Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren und dadurch praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet ist. Als intertemporale Freiheitssicherung schützen die Grundrechte die Beschwerdeführenden hier vor einer umfassenden Freiheitsgefährdung durch einseitige Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Der Gesetzgeber hätte Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität treffen müssen, an denen es bislang fehlt.“

Kläger:innen gegen das Gesetz in mehreren Klagen waren natürliche Personen. Nur sie konnten nach Auffassung des Verfassungsgerichts gegen Einschränkungen von diesen Grundrechten vorgehen. Unterstützt haben die Klagen die Organisationen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) , der Solarenergie-Förderverein Deutschland, die Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch, Protect the Planet und Greenpeace.

29.4.2021 | Autor: Andreas Witt | Solarserver
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