Harald Drück: Solarthermie ist unverzichtbar

Portraitfoto von Harald Drück, Experte für Solarthermie und nachhaltige GebäudeFoto: IGTE - Uni Stuttgart
Dr.-Ing. Harald Drück ist Experte für Solarthermie und nachhaltige Gebäude.
Harald Drück arbeitet seit 1994 an der Universität Stuttgart, zunächst am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW), das 2018 in das Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) überführt wurde. Dort koordiniert er die Forschungsaktivitäten und leitet den Bereich „Nachhaltige Gebäude und Quartierskonzepte“ sowie den Prüfbereich „Solar“. Die Solarthemen sprachen mit ihm über Vor- und Nachteile von Solarthermie und Photovoltaik im Wärmesektor. Drück ist skeptisch gegenüber dem starken Wachstum bei Wärmepumpen, die teils in Kombination mit der Photovoltaik in zunehmend mehr Gebäuden zum Einsatz kommen.

Solarthemen: Herr Drück, vor einigen Jahren sind Sie in einer Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Solarthermie für Warmwasser und Heizen meist besser geeignet ist als die Photovoltaik. Stimmt das noch?

Harald Drück: Tendenziell stimmt die Aussage noch. Wobei das Ganze natürlich sehr stark von den Randbedingungen abhängt. Das sind zum einen ökonomische und zum anderen ökologische. Bei den ökologischen stellt sich die Frage, ob man eine Jahresbilanz macht, um die Klimaneutralität zu definieren oder ob man tatsächlich 15-Minuten-Bilanzen erstellt. Von daher gibt es ganze Reihe von Parametern, an denen man drehen kann. Aber grundsätzlich kann die Aussage noch stehen bleiben.

Schon damals hat die Untersuchung allerdings gezeigt, dass Photovoltaik-Strom primär für die Trinkwassererwärmung interessant sein kann. Das liegt an den PV-Strom-Überschüssen im Sommer. Wenn ich meinen Haushaltsstrom solar gedeckt habe, kann ich die Überschüsse aus wirtschaftlicher Sicht für die Wärmeerzeugung einsetzen, wenn die Einspeisevergütung geringer ist als der Kilowattstundenpreis für den jeweiligen Energieträger, wie zum Beispiel Gas.

Solarthermie oder Photovoltaik?

Solarthemen: Sie haben das auf das Trinkwasser eingeschränkt. Heißt das, bei der Heizung ist die Solarthermie im Vorteil?

Harald Drück: Genau, aber auch das muss man differenzieren. Die Vorteile der Photovoltaik, die ich gerade für die Trinkwasserversorgung geschildert habe, sind nur aufgrund einer individuellen ökonomischen Betrachtung des Nutzers vorhanden. Volkswirtschaftliche Vorteile sehe ich nicht. Ökologisch würde ich auch ein Fragezeichen machen. Und wenn wir uns die Heizungsunterstützung ansehen, dann deckt die Stromerzeugung mit Photovoltaik im Winter – gerade wenn ich auch einen Stromspeicher betreibe – gerade mal höchstens meinen Haushalts-Strombedarf. Und der hat Priorität, weil er teurer ist. Für die Heizungsunterstützung ist die PV daher der schlechtere Ansatz, weil ich dafür nicht genug Strom übrig haben werde.

Solarthemen: Aber muss man hier nicht einwenden, dass auch bei der Solarthermie im Winter nicht gerade Höchsterträge zu erwarten sind?

Harald Drück: Das ist zweifellos richtig. Aber wenn ich an ein Gebäude mit einem hohen solaren Deckungsanteil denke, dann kann ich einfacher eine teilsaisonale Wärmespeicherung als eine teilsaisonale Stromspeicherung realisieren.

Photovoltaik mit Wärmepumpe

Solarthemen: Allerdings kann man doch auch Photovoltaikstrom eventuell gekoppelt mit einer Wärmepumpe nutzen, um Wärme zu erzeugen, die man dann wieder teilsaisonal speichern kann.

Harald Drück: Grundsätzlich ja, aber Wärme mit einer Wärmepumpe zu erzeugen, um sie zu speichern, ist fragwürdig, weil typische Wärmepumpen Wärme nur bis zu einer Temperatur von etwa 60 Grad Celsius effektiv bereitstellen könnnen. Und wenn ich einen Speicher nur auf 60 Grad laden kann, dann brauche ich in Relation zu einer typischen Solarthermieanlage, die leicht auf Temperaturen von 90 und 95 Grad kommt, das doppelte Speichervolumen.

Solarthemen: Sie haben eben die individuelle wirtschaftliche Betrachtung angesprochen. Photovoltaik wird sowieso eingesetzt. Ist es da nicht naheliegend, nur diese eine Technik einzusetzen?

Harald Drück: Es ist ganz klar, wir brauchen beide Technologien: Solarthermie und Photovoltaik. Strom ist allerdings leichter zu transportieren. Viele Häuser sind nicht an ein Wärmenetz angeschlossen. Daher ist es meiner Meinung nach zielführender, dezentral mit Solarthermie den Wärmebedarf von Gebäuden zumindest teilweise zu decken. PV-Anlagen würde ich dann eher auf Flächen installieren, die für eine solarthermische Nutzung nicht so geeignet sind, weil dort der Wärmebedarf nicht vorhanden ist, wie zum Beispiel auf Lagerhallen. Das wäre aus volkswirtschaftlicher Sicht der sinnvollere Ansatz. Daher sehe ich auch die So­lar- ­pflichten, die häufig eher die Photovoltaik in den Blick nehmen, kritisch.

Gesetzliche Pflichten für erneuerbare Energien

Solarthemen: Bald kommt die gesetzliche Verpflichtung bei neuen Gebäuden, dass 65 Prozent der Wärme von erneuerbaren Quellen stammen soll. Ist die PV dann nicht doch im Vorteil, wenn man auf eine Wärmepumpe setzt?

Harald Drück: Diese 65-Prozent-Regelung ist dann sinnvoll mit Solarthermie zu erfüllen, wenn der Wärmebedarf eines Gebäudes gering ist. Und perspektivisch ist das mit dem Effizienzhausstandard 40, der im Gebäudeenergiegesetz zukünftig verpflichtend sein soll, auch kein Problem. Auch bei der Sanierung können wir gut mit dem Sonnenhauskonzept arbeiten. Das bedeutet bei einem Einfamilienhaus beispielsweise 50 Quadratmeter Kollektorfläche und 4 bis 6 Kubikmeter Speichervolumen. Damit kommt man auf die 65 Prozent. Und nun zu ihrer Frage, wo der Rest herkommen soll. Da ist tatsächlich Biomasse eine interessante Option.

Wenn man das nicht möchte und die Wärmepumpe ins Blickfeld gerät, so haben wir hier wieder die unterschiedlichen individuellökonomischen und volkswirtschaftlichen Bewertungsmaßstä­be. Denn ich brauche die Wärmepum­pe vor allem dann, wenn ich einen hohen Heizwärmebedarf habe. Gerade zu diesen Zeiten habe ich aber teilweise nur wenig Solarstrahlung und niedrige Außentemperaturen. Luft-Wasser-Wärmepumpen, die häufig aufgrund der geringeren Investitionskosten im Einsatz sind, kommen in diesen Phasen nur auf eine geringe Effizienz. Teils kommt sogar ein elektrischer Heizstab zum Einsatz, der ein integraler Bestandteil der meisten Luft-Wasser-Wärmepumpen ist. Aus volkswirtschaftlicher Sicht führt das zu dem Problem, dass man für relativ kurze Betriebszeiten eine sehr groß dimensionierte elektrische Infrastruktur mit Kraftwerken, Transformatoren und Stromnetzen aufrechterhalten muss.

Argumente gegen schlechte Wärmepumpen

Solarthemen: Das ist aber ein generelles Argument gegen die Wärmepumpe.

Harald Drück: Nicht unbedingt gegen die Wärmepumpe generell, aber zumindest gegen Luft-Wasser-Wärmepumpen. Wenn man nun Wärmepumpen hat, die auch bei Außentemperaturen von minus 10 und minus 15 Grad wirklich noch Wärme liefern können, dann ist dies durchaus sinnvoll. Nur brauche ich dann andere Quellen als die Luft.

Solarthemen: Doch der Trend geht heute in eine andere Richtung. Fällt uns das auf die Füße oder kann das funktionieren?

Harald Drück: Ich glaube, beides. Wir werden deswegen schon noch ein Problem bekommen, wenn ein Winter mal wieder kälter ist als in den vergangenen Jahren. Dann haben wir die Black-out-Gefahr nicht im Sommer wegen der Klimaanlagen sondern im Winter wegen der Wärmepumpen. Zumindest so lange, wie das Stromnetz nicht entsprechend ausgebaut ist. Weiterhin stellt sich die Frage, wie man die große Menge an Strom für die Wärme erzeugen möch­te. Wenn dafür dann kurz- und mittelfristig Kohlekraftwerke oder mit LNG betriebene Gaskraftwerke erforderlich sind, sorgt das nicht für eine Reduktion von CO2-Emissionen.

Mehr Nachhaltigkeit mit Solarthermie oder Photovoltaik?

Solarthemen: Schon jetzt und auch im kommenden Jahr gibt es die Förderung für neue Effizienzhäuser nur, wenn Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden. Was bedeutet das für den Solarthermie- versus Photovoltaik-Einsatz?

Harald Drück: Die entscheidende Frage ist, wie man Klimaneutralität definiert. Häufig wird dafür nur eine Jahresbilanz herangezogen. Bei einem Konzept mit Wärmepumpe und Phovoltaikanlage, bei dem ich genauso viel Solarstrom im Jahr erzeuge, wie ich für die Wärmepumpe und das Haus verbrauche, bin ich mit einer Jahresbilanz klimaneutral. Ich persönlich sehe das aber kritisch. Denn natürlich habe ich im Sommer Solarstrom ins Netz eingespeist und dort auch fossile Energie verdrängt. Aber wirklich klimaneutral ist es nach meinem Verständnis trotzdem nicht. Denn im Winter muss ich Strom aus dem Netz entnehmen – und der ist mit Sicherheit nicht nur grüner Strom. Dafür wurden konventionelle Kraftwerke betrieben und die haben Treibhausgase freigesetzt.

Schauen wir uns nun die Solarthermie an. Hier habe ich in der Regel nicht die Option einzuspeisen und auf diese Art und Weise etwas schönzurechnen. Das ist allerdings auch richtig. Denn wenn wir die Bilanzen schönrechnen, funktioniert es nicht mit dem globalen Klimaschutz. Daher spreche ich mich für eine faire Bilanzierung mit klaren Systemgrenzen über kurze Zeitintervalle wie zum Beispiel 15 Minuten aus. Bei einer solchen Bilanzierung schneidet die Solarthermie im Hinblick auf die CO2-Emissionen deutlich besser ab.

Solarthermie trotz Sowieso-PV-Anlage

Solarthemen: Aber stimmt das, wenn ich für den Strom sowieso die PV-Anlage installiere und die Solarthermieanlage sowie der Aufwand für deren Herstellung dann noch dazukommen?

Harald Drück: Wie gesagt, wir brauchen beides. Aber wenn wir von solarer Heizungsunterstützung reden, dann müsste ich meine Photovoltaikanlage gigantisch groß dimensionieren, damit ich im Winter noch signifikante Beiträge zur Wärmeerzeugung erhalte. Und wenn ich dann aber im Sommer meinen Strom nicht einspeisen kann, weil das Netz schon „voll“ ist, dann ist die Solarthermieanlage mit Sicherheit effizienter – insbesondere in Kombination mit (teil)saisonalen Wärmespeichern.

Solarthemen: Aber wenn wir jetzt schnell Gas einsparen müssen, spricht das nicht doch für die Wärmepumpe?

Harald Drück: Meiner Meinung nach ist ein ganz entscheidender Vorteil der Solarthermie gerade jetzt, dass die Technologie verfügbar ist. Man kann sie sofort in größerem Maßstab einsetzen. Denn im Gegensatz zum Einsatz von Wärmepumpen wird für Solarthermie keine zusätzliche Infastruktur wie stärkere Stromnetze und Kraftwerke benötigt. Wenn wir 30 Prozent Gas einsparen wollen, so funktioniert das mit moderaten Solarthermieanlagen prima, die wir in diesem Sommer einbauen könnten.

21.5.2022 | Interview: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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