Energiespeicher in öffentlichen und industriellen Netzen: Die Zukunft ist bereits ganz nah

Bei der künftig dezentralen Stromversorgung kommt der Energiespeicherung große Bedeutung zu. Ein gut besuchtes Fachforum in der IHK-Akademie Nürnberg informierte umfassend über „Speicher in öffentlichen und industriellen Netzen“.

Der Solarserver veröffentlicht den Rückblick auf die Veranstaltung, die einen vorzüglichen Überblick zu den einzelnen Technologien gibt, als Solar-Report im November 2015. CO2-freie Energieversorgung mit Wasserstoff
Chemie-Professor Dr. Peter Wasserscheid schwärmt vor allem für die von ihm vorangetriebenen LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier) „um überschüssigen oder eigenerzeugten Strom zu speichern“: LOHC und Elektrolyse-Wasserstoff H2 werden „eine CO2-freie Energieversorgung erlauben“. LOHC machen unabhängig von Infrastrukturnetzen, weil sie sich per Lkw, Zug oder Schiff ohne Explosionsgefahr zum Verbrauchsort transportieren lassen.
Am Zielort wird H2 wieder freigesetzt, um in Brennstoffzellen Strom und Wärme gleichzeitig zu gewinnen.
AREVA erforscht – gemeinsam mit Partnern in einem Netzwerkprojekt – die Nutzung von flüssig-organischen Wasserstoffträgern (LOHC, Liquid Organic Hydrogen Carrier). Diese dieselähnlichen Flüssigkeiten werden mit Wasserstoff angereichert (Hydrierung), der Wasserstoff wird so sicher unter Normalbedingungen gespeichert und bei Bedarf wieder abgegeben (Dehydrierung).

Energiespeicher für das Heute
Doch schon heute fließt immer mehr Regenerativ-Strom aus Photovoltaik- oder Windkraftwerken durch unsere Netze. Was nicht verbraucht werden kann, wird „abgeregelt“, sprich: Kraftwerke werden abgeschaltet.
Doch das Fachforum zeigte laut Moderator und Energie Campus-Geschäftsführer Dr. Jens Hauch Alternativen auf.

Power to Gas
Siemens-Mitarbeiter Dr. Alexander Tremel stellt „Power to X (P2X)“ vor, also die Speicherung von Strom in Form von Wärme oder Kraftstoff. Überschuss-Ökostrom wird per „Power to Gas” (P2G) ins Erdgasnetz eingespeist; per „Power to Fuel“ (P2F) und chemische Synthese zu flüssigen Treibstoffen; per „Power to Heat“ (P2H) und Wärmepumpe sogar als Hochtemperatur-Wärme nutzbar. All das sei heute schon wirtschaftlich, sagt Dr. Tremel.
Speicher und Energie: Mehr als nur Strom
Dr. Martin Kleimaier von der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (ETG) und Verfasser einer aktuellen Studie über Speicher vertritt eine „erweiterte Definition der Speicherung: Überschüsse aus Erneuerbaren Energien über Chemie oder Wasserstoff – stofflich nutzen, z.B. im Verkehrssektor. Über Wärme – elektrisch Heizen, Brauchwassererwärmung und Prozesswärme. Über Bio-Methan oder Pellets – zeitverzögerte Rückverstromung oder Wärmeerzeugung.“

Schwarmspeicher als neue Strategie

Für Timo Schürer von der Main-Donau-Netzgesellschaft (MDN) sind die oft verwirrenden rechtlichen Vorgaben noch ein Hauptproblem für mehr elektrische Speicher.
Einfallsreich deshalb das von N-ERGIE AG Nürnberg gestartete „SWARM“-Projekt aus 65 dezentralen Einzelspeichern mit je 21 kWh Energieinhalt und 20 kW Leistungsfähigkeit. Das erhöht die Eigenverbrauchsquote der Kunden, und N-ERGIE kann so 1 MW so genannte Primärregelenergie anbieten, die kurzfristige Netzschwankungen ausgleicht.

SWARM – innovativer Stromspeicher für Photovoltaik-Strom
Smart Grid Solar: „Energiezukunft made by ZAE“
Den Einsatz dezentraler Speicher im Versorgungsnetz untersucht laut Dr. Philip Luchscheider noch bis Mitte 2017 das Zentrum Angewandte Energieforschung ZAE Bayern in Hochfranken im Projekt „Smart Grid Solar“: Welche Speichertypen können den Strom kurz-, mittel- und langfristig und zu welchen Kosten speichern?
Beispiel Redox-Flow-Batterie (RFB): Die kann laut Dr. Andreas Luczak von Vanadis Power Leistung von einigen 10 kW bis zu einigen 10 MW liefern und bis zu mehreren Tagen den Strombedarf ausgleichen. Bei Lebensdauer und der variablen Speichergröße liegt die RFB vorne. Nachteil ist der schlechtere Lade-Entlade-Wirkungsgrad.
Zum Beispiel im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus (Li-Ion). Die lassen sich bis zu Einheiten im MW-Bereich zusammenschalten und weisen nach „7000 80-prozentigen Zyklen noch 80 % Restkapazität auf“, erklärt Holger Schuh von Saft. Li-Ion stabilisieren heute schon schwache Netze.
Speicher-Kapazitäten im Vergleich
Doch insgesamt ist der Speicher- und Regelleistungsbedarf laut Prof. Dr. Matthias Luther vom Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit gerade mal 3.000 MW „rotierend vorgehaltener Primärregelung im Sekundenbereich, etwa 2.000 MW für die Sekundärregelung im Minutenbereich“ im europäischen Kontinental-Verbundnetz recht gering. Zum Vergleich: Die Solarstrom-Spitzenleistung in Deutschland beträgt zurzeit etwa 90.000 MW.
Eine Zahl, die selbst für Co-Moderator Dr. Robert Schmidt, den Technologie-Chef der IHK Nürnberg für Mittelfranken, neu war.

Speicher – (fast) alle sind betroffen
Das Speicher-Thema betrifft viele: Das zeigt die breit gefächerte Mischung der Teilnehmer wie die Veranstalter-Riege des Fachforums. Gemeinsam mit dem Energie Campus Nürnberg haben es die IHK Nürnberg für Mittelfranken, der VDE-Bezirksverein Nordbayern e.V., der VDI Bezirksverein Bayern Nordost e.V. und die ENERGIEregion Nürnberg e.V. auf die Beine gestellt.
Quelle: ENERGIEregion Nürnberg e.V. Bildquellen wie angegeben.

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