Aurora Energy Research: Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien bedroht deren Marktfähigkeit


Mehr Marktanteil der erneuerbaren Energien in Deutschland bei gleichzeitiger Marktüberlassung ohne flankierende Maßnahmen wird nicht funktionieren, lautet das Resümee der neuen Studie von Aurora Energy Research. Foto: Pixabay
Die Bundesregierung will den Anteil der erneuerbaren Energien an der Erzeugungskapazität bis 2030 auf 65 Prozent erhöhen; bisher waren 50 Prozent geplant. Gleichzeitig hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier kürzlich angekündigt, dass neue Anlagen für erneuerbare Energien bereits in fünf Jahren ohne Subventionen marktfähig sein würden. Doch beides zu erreichen könnte schwierig werden, wie eine Studie des Energiemarktanalysten Aurora Energy Research zeigt.

Das Marktforschungsinstitut fordert zusätzliche Maßnahmen. Ohne solche könnte sich der Markteintritt subventionsfreier Anlagen um Jahre verzögern.
Demnach untergräbt der verstärkte Ausbau von Solaranlagen und Windkraftwerken deren eigene Einnahmemöglichkeiten: Denn die Kraftwerke produzieren nur dann Strom, wenn der Wind bläst oder die Sonne scheint. Da die Wetterbedingungen für viele Anlagen gleichzeitig gelten, sinkt in besonders wind- und sonnenreichen Zeiten der Marktpreis für Strom und damit die Einnahmen der Betreiber – und dies umso mehr, je höher die Zahl der Anlagen ist. Der ambitionierte Ausbau erneuerbarer Kapazitäten, wie ihn die Regierung beschlossen hat, könnte somit die Wettbewerbsfähigkeit neuer Anlagen um mehrere Jahre verzögern, resümiert das Institut.
Mehr wirkt ruinös?
„Unsere Berechnungen zeigen: Wenn der Anteil der Erneuerbaren im Jahr 2030 von 50 auf 65 Prozent erhöht wird, sinken die Einnahmen eines typischen Windkraftwerks am Strommarkt um ein Drittel“, sagt Manuel Köhler, Managing Direktor von Aurora Energy Research Deutschland. „Das lässt sich selbst unter sehr optimistischen Annahmen zur weiteren Kostensenkung von Erneuerbaren nur schwer wieder wettmachen.“
Um das ehrgeizige Ziel dennoch zu erreichen, müsse daher entweder die bisherige Subventionspolitik fortgesetzt oder die regulatorischen Rahmenbedingungen seitens der Regierung massiv verbessert werden. „Dazu gehört nicht nur eine Lösung für das Problem der Kannibalisierung des Marktpreises", sagt Köhler. „Es betrifft auch die Finanzierung und vertragsrechtliche Fragen.“
CO2-Mindestpreis würde Wettbewerbsfähigkeit steigern
Als mögliche Maßnahme nennt die Studie unter anderem den Mindestpreis für CO2, den die Bundesregierung bisher ablehnt. Diese untere Preisgrenze für jede Tonne emittiertes CO2 würde den EU-weiten Handel mit Emissionszertifikaten ergänzen und den Betreibern CO2-freier Kraftwerke Mindesteinnahmen garantieren. Die Aurora-Analyse zeigt, dass der Mindestpreis für CO2 mehr als ein Viertel der Einnahmen eines Windkraftwerks absichern würde. Dadurch würde zudem die Finanzierung erneuerbarer Anlagen mit Fremdkapital erleichtert, denn abgesicherte Einnahmen gewährleisten Geldgebern eine störungsfreie Darlehensrückzahlung und senken so die Kapitalkosten.
PPA in Deutschland noch ein Fremdwort
Eine weitere Maßnahme, um die Marktfähigkeit der erneuerbaren Energien zu stärken, wäre ein vereinfachter gesetzlicher Rahmen für Langfristabnahmeverträge, so genannte Power Purchasing Agreements (PPA). Google hat zum Beispiel für seine Datencenter im finnischen Hamina ein PPA für den Strom einer schwedischen Windfarm abgeschlossen, das deren Betreiber Einnahmen zusichert, ohne auf staatliche Subventionen angewiesen zu sein. „Ähnliche Verträge sind weltweit verbreitet und fungieren als Treiber für den Ausbau der erneuerbaren Energien ohne staatliche Unterstützung“, sagt Köhler. In Deutschland seien langfristige PPAs dagegen noch nicht etabliert: „Unter den Bedingungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gab es schlicht keinen Bedarf dafür.“
Lernen von anderen Märkten
PPAs würden das Risikoprofil und die Finanzierbarkeit von Erneuerbare-Energien-Projekten erheblich verbessern und so mehr Marktkräfte in den Ausbau von Windkraft, Photovoltaik & Co. bringen, so die Studie. Dazu müssten allerdings bestehende regulatorische Hürden beseitigt werden, etwa dass Verträge mit langfristigen Laufzeiten von 10 bis 15 Jahren stets gesonderte Verhandlungen benötigen, da sie bisher nicht im AGB-Recht verankert sind. Wenn in den kommenden Jahren bei Altanlagen die staatliche Förderung ausläuft, wird sich der PPA-Markt in Deutschland beleben. Spätestens dann sollte der Gesetzgeber die regulatorischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen haben.
Resümee
„Die Ziele der Bundesregierung, bis 2030 den Anteil der erneuerbaren Energien auf 65 Prozent zu erhöhen und gleichzeitig diesen Ausbau marktgetrieben ablaufen zu lassen, sind schwer miteinander vereinbar“, zieht Aurora-Experte Köhler Resümee aus der Studie. „Denn nach dem Prinzip Angebot und Nachfrage senkt ein höherer Anteil erneuerbarer Energien zwangsläufig deren Einnahmen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit. Zusätzliche Maßnahmen wie die Einführung eines CO2-Mindestpreises und der Abbau von regulatorischen Hürden bei Langfristverträgen können helfen, die Vereinbarkeit dieser Ziele bleibt aber selbst dann sehr herausfordernd.”
Eine Kurzversion der Studie findet sich

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