Autos und Heizungen: CO2-Abgabe wirkt schneller als Emissionshandel

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Verkehr und Wärme tragen maßgeblich zur Luftverschmutzung und Klimaerwärmung bei.
Den Wärmesektor und den Verkehr in den Emissionshandel einzubeziehen, kann dem Klimaschutz nutzen. Allerdings erst in einigen Jahren, schreibt die Agora Energiewende in einer Analyse und empfiehlt stattdessen eine CO2-Abgabe.

Der CO2-Ausstoß des Verkehrs und des Gebäudewärmesektors lässt sich mittels eines Emissionshandelssystems (ETS) frühestens 2023 reduzieren. Das schreibt die Denkfabrik Agora Energiewende in einer Analyse zur Einbeziehung der beiden Sektoren in den Emissionshandel. So lange würde es dauern, diese Bereiche, aus denen etwa die Hälfte der deutschen Treibhausgase emittiert werden, entweder in das Europäische Emissionshandelssystem zu integrieren oder ein eigenes neues ETS dafür zu entwickeln und zu implementieren. 

Die Analyse wurde vom Öko-Institut im Auftrag von Agora Energiewende erstellt. Zur schnellen und wirksamen CO2-Bepreisung eigneten sich Energiesteuern daher deutlich besser.

Grundsätzlich, so zeigt die Analyse, gabe es keine unüberwindlichen Hindernisse, um für den Gebäude- und Verkehrsbereich ein ähnliches Emissionshandelssystem einzuführen, wie es seit 2005 in der energieintensiven Industrie und in der Energiewirtschaft existiert. Deutschland könne es entweder im Alleingang oder gemeinsam mit anderen EU-Staaten einführen. Es könne in den bestehenden europäischen Emissionshandel integriert oder parallel dazu betrieben werden.

Allerdings sei das Vorhaben in der Umsetzung in jedem Fall sehr anspruchsvoll und langwierig. „Es würde selbst im einfachsten Fall zwei bis drei Jahren bis zur Einführung dauern. Ein Konzept, das kompatibel zum bestehenden europäischen Emissionshandel EU-ETS ist, benötigt mindestens drei bis vier Jahre. Damit ist Emissionshandel im Wärme- und Verkehrssektor als kurzfristige Klimaschutzmaßnahme bis 2020 unbrauchbar“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende.

„Da spätestens im September 2021 Bundestagswahlen anstehen, durch die alle Gesetzesvorhaben verzögert werden, ist ein Inkrafttreten des neuen ETS-Systems nicht vor 2023 möglich. Viel einfacher ist es, das bestehende Energiesteuersystem so zu ändern, dass CO2-Emissionen im Wärme- und Verkehrssektor einen Preis bekommen. Das kann man in drei Monaten schaffen, wie die Ökosteuerreform 1999 gezeigt hat.“

Die langen Umsetzungszeiträume eines ETS für Wärme und Verkehr ergeben sich aus einer Reihe von Faktoren. So müssen zum einen in vielen Bereichen neue Regelungen geschaffen werden. Will Deutschland etwa seine Sektoren Verkehr und Wärme im Alleingang in den EU-Emissionshandel einbeziehen, so müssten unter anderem relevante EU-Regelungen geändert werden– umfangreiche Verhandlungen mit der EU-Kommission und den EU-Mitgliedstaaten wären die Folge. Diese Option würde deshalb sogar mit fünf Jahren veranschlagt werden.

Zum anderen benötigen der Aufbau der Infrastruktur und einer Datenbasis Zeit: Um zu ermitteln, wie viele Zertifikate jährlich ausgestellt und auktioniert werden können, müsse zunächst der Bedarf bei den ETS-Verpflichteten ermittelt werden. Die Ausgabe der Zertifikate würde dann über eine Auktionsplattform erfolgen, deren Einrichtung europaweit ausgeschrieben werden müsste. Auch das würde zwölf Monate dauern.

Auf tausende von Unternehmen kämen ebenfalls neue Aufgaben zu: Sie müssten ein Überwachungs- und Abrechnungsregime für ihre CO2-Emissionen einrichten. Wie schon 2005 bei der Einführung des EU-ETS, sei auch hier mit einer Klagewelle der Betroffenen zu rechnen. Zudem müssten eine Doppelregulierung mit dem bestehenden Emissionshandelssystem der EU durch aufwändige Regelungen vermieden und eine Lösung für die bisher nicht vom EU-ETS erfassten Teile der Industrie gefunden werden.

Angesichts der langen und komplexen Umsetzung hält Agora Energiewende einen zweistufigen Ansatz für möglich: Kurzfristig sollte eine CO2-Bepreisung über eine Reform der Energiesteuern erfolgen. Diese könnte dann in einigen Jahren von einem Emissionshandelssystem abgelöst werden. „Angesichts der komplexen Herausforderungen ist eine Pilotphase sinnvoll, wie wir das auch beim europäischen Emissionshandel hatten. Damit lassen sich Konstruktionsfehler erkennen und beheben, die ansonsten wirksamen Klimaschutz verhindern könnten. Sicherheit geht hier vor Schnelligkeit“, sagt Graichen.

Die Analyse wurde maßgeblich von Felix Matthes, Forschungskoordinator des Öko-Instituts erarbeitet. Er beleuchtet darin 18 verschiedene Umsetzungsoptionen mit jeweils mehreren Varianten. „Es ist das erste Mal, dass die Einführung eines Emissionshandels für die bisher nicht vom europäischen Emissionshandel erfassten Sektoren in allen möglichen Ausdifferenzierungen durchdekliniert wurde“, sagt Matthes.

„Wir haben damit die mehr als 15-jährigen Erfahrungen mit dem EU-ETS und eine Reihe internationaler Erfahrungen ausgewertet. Unsere Analyse versteht sich bewusst als Handreichung für die aktuellen Diskussionen um die Einführung einer CO2-Bepreisung, in der ein Emissionszertifikatehandel häufig als leicht einzuführendes, marktwirtschaftliches Klimaschutzinstrument dargestellt wird. Unsere Analyse zeigt zwar, dass dem grundsätzlich nichts im Wege steht. Sie zeigt aber auch, dass ein solches Instrument in der Umsetzung sehr anspruchsvoll ist. Und zwar sowohl für den Staat als auch für die Unternehmen.“
20.8.2019 | Quelle: Agora Energiewende | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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