Solarthermisches Kraftwerk „aus dem Baukasten“: Erste Pilot-Anlage in Bad Aibling bestätigt Erwartungen

Das Kölner Technologieunternehmen protarget AG hat mit dem ersten schlüsselfertigen solarthermischen Kraftwerk eine völlig neue Generation von CSP-Anlagen (Concentrating Solar Power) konstruiert. Eine erste Referenzanlage dieses neuen CSP-Kraftwerktyps ist Ende 2012 auf dem Areal der Nullenergiestadt Mietraching in Bad Aibling in Betrieb gegangen.

Nach einem halben Jahr zog Martin Scheuerer, Vorstand der protarget AG, jetzt eine erste Bilanz: „Wir sind mit den Ergebnissen sehr zufrieden.“

Demonstrationsanlage brachte bereits in den ersten Wochen volle thermische Leistung
Die Demonstrationsanlage mit einer Größe von 560 Quadratmetern habe bereits in den ersten Wochen nach Testbeginn die volle thermische Leistung von 300 Kilowatt gezeigt – und das in einer Region, die gerade im ersten Halbjahr 2013 nicht zu den sonnenreichsten zählte.
„Wir sind daher sehr zuversichtlich, dass zukünftig unsere Anlagen die eigentlichen Zielmärkte, sonnenreiche Regionen, zuverlässig mit günstigem Strom und Wärme aus Sonnenenergie versorgen wird“, so Scheuerer.

Solar-Technologie muss unabhängig von Subventionen wettbewerbsfähig werden
Während sich viele andere deutsche Unternehmen, insbesondere aus der Photovoltaik,  wieder aus dem Solar-Geschäft zurückziehen wollen oder müssen, sieht der Ingenieur großes Potenzial in der Solar-Technologie. Wichtigste Voraussetzung für den Erfolg sei jedoch, dass sie auch unabhängig von Subventionen wettbewerbsfähig ist.

Produktion nach dem Vorbild der  Automobilindustrie
Bei der Entwicklung der neuen Anlage sei daher primäres Ziel für protarget gewesen, die Produktionskosten möglichst gering zu halten. Die Lösung sahen die Ingenieure in einem standardisierten Fertigungsprozess und einem modularen Aufbaukonzept, mit dessen Hilfe solarthermischen Anlagen deutlich schneller und kostengünstiger realisiert werden können.
„Bislang waren CSP-Kraftwerke mit riesigen Spiegelparks Großprojekte mit einem immensen Finanzierungsaufwand und langen Planungs- und Bauzeiten. Mit protarget Anlagen kommt CSP schlüsselfertig aus dem Regal“, kommentiert Martin Scheuerer.
Den neuen CSP-Kraftwerkstyp hat protarget im Rahmen eines Technologietransfers mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln (DLR) und mit Unterstützung renommierter bayerischer Industriepartner (Hörmann Gruppe, Flabeg, Wacker Chemie, Terrafix) und dem Klimakreis Köln entwickelt.
Die Konstrukteure haben sich bei dem Aufbau der Fertigungsprozesse an der Plattformphilosophie der Autoindustrie orientiert. Ausgehend von einem etablierten Grundkonzept nutzen sie weitgehend standardisierte und seriengefertigte Industrieteile, die bereits während der Produktion qualifiziert werden. So müssen die entwickelten  Parabolrinnen-Module nicht, wie bei den Großkraftwerken bislang üblich, in der Wüste hergestellt und vermessen werden, sondern lediglich vor Ort montiert werden.

Investitionskosten 30 Prozent niedriger als bei herkömmlichen Solarthermie-Kraftwerken
„Diese Methode ist im Automobilbau etabliert, im Anlagenbau aber komplett neu“, ergänzt Scheuerer. Mithilfe des Baukastensystems werde Solarstrom einerseits weltweit sehr viel einfacher zugänglich und andererseits in vielen Gebieten ohne Subventionen bezahlbar.
„Die Investitionskosten pro MW installierte Leistung lassen sich gegenüber herkömmlichen Solar-Kraftwerken um 30 Prozent reduzieren“, rechnet Scheuerer vor. Die Stromerzeugungskosten könnten je nach Region auf unter 15 Cent pro Kilowattstunde sinken-
„In sonnenreichen Regionen können wir damit subventionsfrei mit anderen Energieformen wie Diesel, Gas, Kohle und Photovoltaik konkurrieren."

Komponenten speziell für Wüstenklima ausgerichtet
Die neuen CSP-Anlagen sind für kleine und mittlere Anwendungsbereiche von 1 bis 20 Megawatt (MW) in sonnenreichen Regionen wie dem arabischen Raum und der Mittelmeerregion konzipiert. Ein Kraftwerk mit einer Leistung von 5 MW kann laut protarget künftig rund 13 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr liefern. Das entspricht dem Verbrauch von etwa 4.000 Haushalten beziehungsweise eines Industrieparks oder beispielsweise einer Papierfabrik.
So können pro Jahr ungefähr 10.000 Tonnen CO2-Emissionen vermieden werden, die bei der Stromerzeugung mit herkömmlichen Kraftwerken anfallen würden. Die erwartete Lebensdauer der Komponenten, die speziell für das Wüstenklima ausgerichtet sind, liege bei mindestens 25 Jahren.

Stromerzeugungskosten von 10 Cent pro Kilowattstunde möglich
Dr. Ing. Eckhard Lüpfert vom Institut für Solarforschung des DLR ist von dem Potenzial der CSP-Technologie überzeugt: „Solarthermische Großkraftwerke leisten schon seit über 25 Jahren in den USA aber auch in vielen anderen Ländern zuverlässig ihren Dienst und haben sich in der Praxis bewährt. Vor dem Hintergrund, dass mit kleineren Kraftwerksgrößen und Standardisierung die Hürden der Anschaffungskosten signifikant sinken und der Preis für fossile Brennstoffe immer weiter steigt, steht dieser Nutzung der Sonnenenergie ökologisch und ökonomisch eine große Zukunft bevor. Stromerzeugungskosten von 10 Cent pro kWh können schon bald Realität sein.“

protarget plant erste kommerzielle Anlage in Süditalien
Das weltweite Marktpotenzial für Solar-Kraftwerke, insbesondere im kleineren und mittleren Leistungsbereich, sei enorm betont protarget. In vielen Sonnenregionen der Welt haben Menschen keinen Zugang zum Stromnetz. Die Stromversorgung erfolgt – wenn überhaupt – vor allem mit CO2-intensiven Dieselgeneratoren und Kohlekraftwerken. Zunehmende Industrialisierung und wachsender Wohlstand lassen den Energiebedarf in den nächsten Jahren rasant steigen.
Martin Scheuerer sieht in dieser Entwicklung eine große Chance: „Wir glauben, dass Solar-Kraftwerke künftig eine ganz erhebliche Rolle im Energiemix vieler Länder spielen werden, da sie in der Lage sind, die reichhaltigste Energiequelle der Welt – die Sonne – zu nutzen, um auch in kleineren, lokalen Netzen zuverlässigen und kostengünstigen Strom zu produzieren. Das macht die Länder und ihre Wirtschaft autark und unabhängig von künftigen Energiepreisentwicklungen.“
Nach dem erfolgreichen Testlauf der Referenzanlage in Bad Aibling will protarget nun weitere Kraftwerke in sonnenreichen Regionen realisieren. Die erste kommerzielle Anlage ist derzeit in Süditalien in Planung. Andere Standorte am Mittelmeer (Griechenland, Portugal) und vor allem im arabischen Raum (Emirate, Saudi Arabien, Algerien und Marokko) sollen  folgen.

08.07.2013 | Quelle: protarget AG | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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