Interview mit Prof. Volker Quaschning: Photovoltaik-Unternehmen sollten auf den Eigenverbrauchsmarkt setzen; EEG-Umlage hilft, die Energiewende schnell umzusetzen

Volker Quaschning ist Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Im Solar-Interview spricht Quaschning über die Perspektiven der Photovoltaik-Branche, Geschäftsmodelle im Markt des Solarstrom-Eigenverbrauchs und Speichersysteme. Außerdem nimmt er Stellung zur EEG-Umlage und zur Diskussion über ein Quotenmodell zur Solar-Förderung. Herr Prof. Quaschning, wie sehen Sie […]

Volker Quaschning ist Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin.
Im Solar-Interview spricht Quaschning über die Perspektiven der Photovoltaik-Branche, Geschäftsmodelle im Markt des Solarstrom-Eigenverbrauchs und Speichersysteme. Außerdem nimmt er Stellung zur EEG-Umlage und zur Diskussion über ein Quotenmodell zur Solar-Förderung.

Herr Prof. Quaschning, wie sehen Sie die Entwicklung der PV-Branche? Wird die Konsolidierung fortschreiten?
Quaschning: Wir werden in den nächsten zwei, drei Jahren eine Umbruchsphase erleben. Bislang ging es um Anlagen, die sich über das EEG und die Einspeisevergütung finanziert haben. Künftig werden es zunehmend Eigenverbrauchsanlagen sein – das sind andere Märkte.
Momentan müssen Solarstromanlagen eher kleiner ausgelegt werden, um von höheren Eigenverbrauchsanteilen zu profitieren. Mit sinkenden Photovoltaik-Preisen können sie nach und nach größer dimensioniert werden. Die Entwicklung hängt auch davon ab, wann der Förderdeckel mit 52 Gigawatt erreicht wird.
Im nächsten Jahr wird der Markt in Deutschland leicht schrumpfen. Doch wenn sich gute wirtschaftliche Modelle für Eigenverbrauchsanlagen durchsetzen, wird es wieder einen kontinuierlichen Markt geben, der dann aber auch wieder wächst.
Es gilt, anders an das Eigenverbrauchssegment herangehen, die Anlage auf den Kunden zuschneiden und zu beachten, was er für einen Energieverbrauch hat. Daran muss sich die Branche erst gewöhnen und das wird etwas dauern.

Empfehlen Sie den Unternehmen, die aktuellen Geschäftsmodelle zu überprüfen, um sich strategisch besser zu positionieren?
Quaschning: Sie sollten auf alle Fälle auf den Eigenverbrauchsmarkt setzen, da dieser nicht nur in Deutschland, sondern auch international funktioniert. Italien hat ähnlich hohe Strompreise wie Deutschland und bessere Einstrahlungsbedingungen, aber auch die Türkei ist interessant und sogar Griechenland.
Es gibt viele Märkte, die mit Eigenverbrauchsanlagen funktionieren können. Das macht unabhängig vom politischen Stop-and-Go und eröffnet eine Riesenchance sowie eine kontinuierliche Entwicklung.
Wenn sich der Eigenverbrauchsmarkt durchsetzt, dann hat die Politik kaum Steuerungsmöglichkeiten. Sie kann zwar versuchen, das Wachstum über Strafsteuern oder gesetzliche Reglementierungen ein wenig einzudämmen, aber im Großen und Ganzen läuft der Markt dann einfach von selbst. Hier steht uns ein enormer Wachstumsmarkt ins Haus, der auch regelrecht boomen kann.

Damit haben Sie schon fast eine Antwort vorgezogen. Welche Märkte werden denn wachsen, und welche an Bedeutung verlieren? Wie sehen Sie Märkte wie Südamerika oder Indien?
Quaschning: Es hängt in erster Linie vom weltweit sehr unterschiedlichen Strompreis ab. In Deutschland liegt der Haushaltsstrompreis im kommenden Jahr bei 27 bis 28 Cent/kWh. Es gibt aber auch Märkte, in denen deutlich weniger als zehn Cent/kWh verlangt werden und die zum Teil auch noch subventioniert sind. Dort  ist es schwierig, mit einem Eigenverbrauchssystem ohne Förderung zu konkurrieren.
Der Strompreis kann aber durchaus niedriger sein als in Deutschland, wenn dafür die Einstrahlung höher ist. Es gibt Märkte, die schon bei einem Strompreis von 15 oder 18 Cent/kWh im Haushaltsbereich konkurrenzfähig sind. In Märkten, in denen der Strom acht oder neun Cent/kWh kostet, wie in teilweise in den USA, wird es sehr schwierig sein mit Eigenverbrauchsanlagen in absehbarer Zeit konkurrenzfähig zu sein. Indien oder Teile von Südamerika haben da wieder bessere Voraussetzungen.

Speichersysteme werden überall als der Markt der Zukunft gesehen. Wie sehen Sie die Entwicklung solcher Systeme im häuslichen Bereich und bei Großanlagen?
Quaschning: Im häuslichen Bereich muss man fairerweise sagen, dass die Batteriespeicher, die momentan angeboten werden, noch zu teuer sind. Eine rein betriebswirtschaftliche Berechnung zeigt, dass ein Batteriespeichersystem für einen Einfamilienhaushalt noch nicht wirklich wirtschaftlich interessant ist. Momentan haben wir hier noch einen kleinen Nischenmarkt. Mit fallenden Preisen für Batteriesysteme kann sich das aber sehr schnell ändern.

Ist der Wärmebereich eine Alternative?
Quaschning: Das könnte sein, wenn es um einfache Systeme geht, die wenige Investitionskosten verursachen. Es wird dann interessant, wenn schon ein großer Wärmespeicher vorhanden ist, der mit einem elektrischen Heizstab für wenige hundert Euro nachgerüstet werden kann. Da wird es durchaus einen Markt geben.
Es gibt auch Anbieter, die eine Wärmepumpe und einen zusätzlichen Speicher anbieten, was wieder hohe Kosten mit sich bringt. Wenn heute eine Photovoltaik-Anlage mit 5 kW für 7.000 Euro zu haben ist, und noch einmal siebentausend Euro auf das Wärmesystem entfallen, lohnt es sich nicht.
Mit steigenden Strompreisen wird aber der Investitionsspielraum größer. Mittelfristig ist es dann auch interessant, komplexere Systeme aufzubauen.

Und bei den Großanlagen? Es gibt ja da schon Batteriespeicher im Megawatt-Bereich, und wir haben die Situation bei der Power2Gas-Technologie, die vielleicht effizienter oder kostengünstiger ist.
Quaschning: Bei den Großkunden wird es auch erst einmal um den Eigenverbrauch gehen. Im Speicherbereich werden wir künftig durchaus zwei Technologien sehen. Power2Gas haben Sie schon angesprochen. Das ist eine Technologie, die wegen ihrer sehr großen Speicherkapazitäten interessant ist.
Sie kann über Wochen oder Monate Strom speichern und zur Verfügung stellen, ist aber heute noch nicht so ausgereift, dass man sie sofort massenhaft aufbauen könnte. Kostensenkungen sind ebenfalls nötig. Ein weiterer Nachteil dieser Technologie sind die relativ hohen Verluste, die sich bei der Umwandlung von Strom in Gas und bei der Rückwandlung ergeben.
Das ist beim Batteriespeicher besser: Lithium-Batterien erreichen  Speicherwirkungsgrade in der Größenordnung von 90% d.h. nur 10% gehen verloren. Wegen der geringeren Verluste darf die Lithium-Batterie auch teurer sein als die Power2Gas-Technologie. Außerdem lassen sich Batteriesysteme in kleineren Leistungen realisieren und können bereits ab 2 kWh Speicherkapazität eingesetzt werden.

Welche Speichertechnologie wird dominieren? Oder wird es je nach Anwendung einen breiten Mix dieser Technologien geben?
Quaschning: Es gibt verschiedene Technologien, über die man redet. Was die derzeitigen Technologien betrifft, die Pumpspeicherkraftwerke, sind die Standorte in Deutschland begrenzt. Da wird nicht viel ausgebaut werden können. Es ist möglich, in Nachbarländern ein paar Standorte zu erschließen, doch dafür brauchen wir neue unbeliebte Leitungen. Also wird diese Technologie begrenzt bleiben.

Auch wegen des Landschaftsverbrauchs?
Quaschning: Genau. In Süddeutschland wird vielleicht noch die Anlage Atdorf im Schwarzwald gebaut. Das ist aber bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Speicherbedarf wird über das 100-fache ansteigen. Batterien sind aus betriebswirtschaftlichen Gründen nur als Stundenspeichern interessant, um tagsüber einzuspeichern und nachts wieder Energie herauszuholen. Für eine längere Speicherung wird die Batterie überproportional teuer.
Gasspeicher sind aus anderen Gründen interessant: Die Gasspeichertechnologie ist vorhanden, die Speicher sind schon da, das ist der große Vorteil. Man kann aus Überschüssen Gas erzeugen und diese in das Gasnetz einspeisen. Dann kümmert sich die Gasversorgung um die Speicherung.

Bei zunehmendem Eigenverbrauch steigt auch die EEG-Umlage weiter. Selbst, wenn wir das EEG jetzt abschaffen, bleiben die Kosten für die Bestandanlagen. Je mehr Eigenverbrauch, desto höher wird die EEG-Umlage. Sehen Sie hier eine Gefahr?
Quaschning: Ich finde das spannend. (lacht) Ich freue mich über die EEG-Umlage, denn wir wollen die Energiewende schnell umsetzen. Und um die Energiewende umzusetzen, brauchen wir einen Hebel.
Man sieht, dass die Regierung schon jetzt bei den Ausbauzielen für die Solar- und Windenergie zurückrudert, weil es angeblich zu schnell geht. In Deutschland haben wir ganz klar die Chance, über die steigende EEG-Umlage in ein Schneeballsystem zu kommen: Der Strom wird teurer, und es wird immer interessanter Solarstromanlagen zu bauen – und je mehr Leute sich eigene Solaranlagen bauen, desto teurer wird der Strom.
Aus Sicht der Gegner der Energiewende ist das ein "Teufelskreis", der schwierig zu stoppen ist. Ich hoffe, dass Eigenverbrauchssysteme und die Kostendynamik einen Selbstläufer auf den Weg bringen, der gar nicht mehr zu stoppen ist und auch eine wahninnige Dynamik in Gang setzen, die über das hinaus geht, was wir bislang kennen.
Eine interessante Frage ist auch, welche Strompreise wirklich dramatisch sind. Sämtliche Kostensteigerungen im nächsten Jahr belaufen sich im Durchschnittshaushalt auf 4,70 EUR pro Monat und Person. Bei einem sparsamen Haushalt sind das monatlich zwei bis drei Euro pro Kopf. Selbst meine Studenten, die über ein knappes Budget verfügen, finden, das gar nicht so dramatisch.
Wir kommunizieren momentan, dass die Energieversorgung teuer wird und wenn man den Leuten erklärt, wie viel das wirklich ist, dann fragen Sie: "Warum regt ihr euch denn überhaupt auf? Wir sind doch auch bereit etwas für die Energiewende auszugeben."
Hier wird auch gerne mit der Angst gespielt. Ich denke, 90% der Deutschen könnten sich den Strom noch relativ gut leisten, wenn er doppelt so teuer wird. Wir müssen uns aber um die sozial schwachen Haushalte Gedanken machen, für die die steigenden Preise wirklich ein ernstes Problem sind. Da denke ich, dass es Sozialtarife für einzelne Haushalte geben muss. Genauso wie man die energieintensive Industrie schützen muss, muss man auch einzelne Leute schützen, die definitiv ein Problem mit der Energiewende haben werden.

Das EEG ist ja momentan ziemlich heftig in der Kritik. Kaum ein Verband oder Gruppierung findet keine Kritikpunkte. Vor kurzem haben sich Monopolkommission und Kartellamt in die Diskussion eingeschaltet und empfehlen nachdrücklich das Quotenmodell.  Sehen Sie in irgendeinem Quotenmodell eine Alternative zum EEG?
Quaschning: Ein Quotenmodell hat weltweit in keinem Staat die erforderliche Dynamik für die erneuerbaren Energien ausgelöst. Deshalb ist das Quotenmodell keine gute Alternative.
Es gibt kein in sich schlüssiges Konzept von irgendeiner Partei, das zeigt, wie eine 100% regenerative Energieversorgung auszusehen hat. Insofern ist es auch schwierig zu sagen, wie stark man den Ausbau fördern muss.
Ich persönlich halte zum Beispiel den Ausbaukorridor für die Photovoltaik von 2,5 bis 3,5 Gigawatt pro Jahr für falsch, den die Bundesregierung favorisiert. Und zwar weil wir damit auf eine viel zu geringe Photovoltaik-Leistung kommen, um ein sinnvolles und nachhaltiges Energiesystem aufzubauen.

Herzlichen Dank für diese Auskünfte.

Das Interview mit Prof. Quaschning führte Björn-Lars Kuhn (Proteus Solutions GbR) www.proteus-solutions.de

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