Mehr Sonne als Schatten: Photovoltaik-Innovationen und Kostenentwicklung stellen die Weichen für ungebremstes Wachstum

von Rolf Hug 17.06.2013 Dass sich die internationale Photovoltaik-Branche in einem grundlegenden Wandel befindet, ist offensichtlich. Doch die oft negativen Schlagzeilen der letzten Monate trüben sowohl den Blick auf eine herausragende industrielle Erfolgsgeschichte als auch auf den künftigen wesentlichen Beitrag der Photovoltaik zur weltweiten Energiewende. Die politisch kontroversen, oft ideologisch motivierten Diskussionen über die Kosten […]

von Rolf Hug
17.06.2013
Dass sich die internationale Photovoltaik-Branche in einem grundlegenden Wandel befindet, ist offensichtlich. Doch die oft negativen Schlagzeilen der letzten Monate trüben sowohl den Blick auf eine herausragende industrielle Erfolgsgeschichte als auch auf den künftigen wesentlichen Beitrag der Photovoltaik zur weltweiten Energiewende.
Die politisch kontroversen, oft ideologisch motivierten Diskussionen über die Kosten der Solar-Förderung und Meldungen über finanziell in Bedrängnis geratene Unternehmen lassen die Photovoltaik-Branche in einem falschen Licht erscheinen. Wo Schatten ist, gibt es auch Sonne – und das nach wie vor reichlich.Der aktuelle Solar-Report zeigt vor dem Hintergrund des noch vor einem Jahrzehnt unvorstellbaren weltweiten Ausbaus der Kapazitäten zur Solarstromproduktion, wie technische Innovationen bis ins kleinste Detail und die industrielle Massenfertigung die Photovoltaik in zahlreichen Regionen wettbewerbsfähig gemacht haben – und Solarstrom günstiger als Strom vom Versorger.
Der zweite Teil des Reports  zeigt am Beispiel von Montagesystemen und der immer häufigeren Ost-West-Orientierung von gewerblichen PV-Anlagen, wie Solarstrom-Gestehungskosten möglich wurden, die nicht nur mit Offshore-Windstrom wettbewerbsfähig sind, sondern auch mit konventionell erzeugter Elektrizität.

Von Mega- zu Gigawatt: Photovoltaik-Leistung wächst weltweit mit ungebrochener Dynamik
Anfang 2013 überschritt die global installierte PV-Leistung die Rekordmarke von 100 Gigawatt. In den nächsten zwei Jahren erwarten Marktforscher eine Verdopplung auf über 200 GW und bis 2017 ein Wachstum auf mehr als 450 GW. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren weltweit gerade einmal Solarstromanlagen mit rund einem GW installiert.In Deutschland beispielsweise waren vor dem Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im April 2000 rund 76 MW bzw. 0,076 GW installiert. Heute sind es über 32 GW.
Grafik: Seit 2004 hat sich die weltweit installierte Photovoltaik-Leistung durchschnittlich alle zwei Jahre verdoppelt.

Marktforscher wie beispielsweise Solarbuzz rechnen auch künftig mit einer vergleichbaren Entwicklung. Quelle: Solarbuzz

Mittlerweile haben über 60 Länder weltweit Fördersysteme nach dem Vorbild des EEG eingeführt, weitere Staaten unterstützen den Ausbau der Erneuerbaren mit staatlichen Vorgaben für den Anteil von grünem Strom. Darüber hinaus beschleunigen neue Geschäftsmodelle wie Strombezugsvereinbarungen (PPAs) oder Solar-Leasing das Wachstum der Photovoltaik.

Solarstrom in vielen Ländern günstiger als Strom aus der Steckdose
Gegenwärtig zeichnet sich in zahlreichen Märkten ein Paradigmenwechsel ab:  Statt der Einspeisevergütung motivieren die vermiedenen Strombezugskosten sowohl private Betreiber als auch Gewerbe und Industrie zu Investitionen in Photovoltaik. Hintergrund sind die in den vergangenen Jahren dramatisch gesunkenen Systemkosten und der stetig steigende Strompreis.In Deutschland beispielsweise kostet eine PV-Anlage heute rund zwei Drittel weniger als im Jahr 2006. 
Durch den enormen Preisverfall bei Komponenten (v.a. Module und Wechselrichter) sowie Komplettsystemen sinken die Stromgestehungskosten weiter.
Die LCOE (Levelized Costs of Electricity) werden zum Maßstab der Wirtschaftlichkeit beziehungsweise Wettbewerbsfähigkeit, die bereits in vielen Ländern mit hohen Strompreisen erreicht wurde.
Das gilt nicht nur für sonnenreiche Regionen wie Südeuropa, große Teile der USA, Nahost und Nordafrika, sondern auch im kühleren Deutschland. Und das ist erst der Anfang: Weiter steigende Preise für Strom aus fossilen Energiequellen machen Solarstrom noch konkurrenzfähiger.

Netzparität schafft Voraussetzungen für sich selbst tragende Photovoltaik-Märkte
Angesichts der gegenwärtigen Solarstrom-Gestehungskosten kleiner privater Anlagen in Deutschland hat sich der Direktverbrauch zur wirtschaftlich lohnenden Alternative entwickelt: Der gegenwärtige Haushaltsstrombezugspreis von etwa 30 Cent/kWh und mehr als 20 Jahre stabile Solarstrom-Gestehungskosten von etwa 16 Cent/kWh machen dieses Einsparpotenzial deutlich. Und der sich abzeichnende Einsatz neuer Speichertechnologien und Energiemanagementsysteme sorgt dafür, dass kostengünstiger Solarstrom zum lohnenden Eigenverbrauch rund um die Uhr zur Verfügung steht – für private, aber auch für gewerbliche Verbraucher.
Die EEG-Förderung per Einspeisevergütung hat für ein rasantes Wachstum gesorgt, vor allem seit dem Einstieg institutioneller Anleger in die Photovoltaik zum Ende des letzten Jahrzehnts. Nun schafft die Netzparität von Solarstrom die Voraussetzungen für sich selbst tragende und immer weniger von staatlicher Förderung abhängende Photovoltaik-Märkte.

Solarstrom für 10 Cent: Optimierte Komponenten und Anlagen sorgen für Netzparität an immer mehr Standorten
Noch im Jahr 2005 kostete die Produktion einer Kilowattstunde Solarstrom durchschnittlich mehr als 50 Eurocent  und wurde in Deutschland per Einspeisevergütung gefördert.
Inzwischen stehen etliche Regionen an der Schwelle, an der es auch für Gewerbe- und Industrieunternehmen günstiger wird, selbst erzeugten PV-Strom zu verbrauchen, als Strom aus dem Netz zu beziehen. In Deutschland liegen die Stromkosten der Gewerbekunden laut Bundeswirtschaftsministerium im Schnitt bei 12,5  Eurocent/kWh – und Solarstrom ist auf dem besten Weg, das zu unterbieten. An Standorten mit hoher Sonneneinstrahlung, wie in Südeuropa oder in Kalifornien, ist das bereits möglich, so eine Studie von Lean Energy Consulting (LEC, Albuquerque, New Mexico) im Auftrag von Everest Solar Systems (Ocean Side, Kalifornien), Tochterunternehmen des Montagesystemherstellers K2 Systems (Leonberg).Foto links: Photovoltaik-Dachanlage (675 kW) auf dem Moscone Center in San Francisco (Bildmitte, vorne).

Kommerzielle Flachdächer bieten ideale Voraussetzungen zur Solarstrom-Produktion und sind an etlichen Standorten mit herkömmlich erzeugtem Strom wettbewerbsfähig. Bild: PowerLight Corp.

Um wettbewerbsfähige Solarstrom-Gestehungskosten zu erreichen, werden die Effekte der Preissenkungen für Komponenten mit sämtlichen Möglichkeiten kombiniert,  die zur Effizienzsteigerung beitragen. Bei Modulkosten unter einem US-Dollar pro Watt ist es nun wichtiger, die für die Solarstrom-Produktion benötigte Fläche und die Leistung des Gesamtsystems zu optimieren als den Output des einzelnen Moduls.

Flächenoptimierung durch neue Montagsysteme und Ausrichtung
Statt jedes Modul (wie bisher und im Idealfall) in einem Neigungswinkel von 30 Grad direkt nach Süden auszurichten, gehen die Systemintegratoren zur doppelseitigen beziehungsweise Ost-West-Orientierung der mittlerweile weit leistungsfähigeren und preisgünstigeren Module über. Auf diese Weise kann die Grundfläche, z.B. ein gewerbliches Flachdach, optimal genutzt werden, da kein Abstand zwischen den Modulreihen erforderlich ist, um Verschattungen zu vermeiden.

Höhere installierte Leistung auf gleicher Fläche – und bis zu einem Viertel mehr Solarstrom
Das Beispiel einer gewerblichen Solarstromanlage auf einem Flachdach in San Francisco zeigt, dass auf der gleichen Fläche statt 476 Modulen, die mit einem Neigungswinkel von 10 Grad einseitig nach Süden ausgerichtet sind, jeweils 293 Module mit identischem Neigungswinkel installiert werden können, die nach Osten und nach Westen ausgerichtet sind. Damit steigt die installierte Leistung der doppelseitigen PV-Anlage von 119 kWp auf 146 kWp, also um rund 23 %.Gegenüber der einseitig nach Süden ausgerichteten Vergleichsanlage (blauer Balken) kann der Solarstromertrag mit der doppelseitigen Orientierung auf einem innovativen Montagesystem um 24,5 % gesteigert werden (roter Balken). 
Die Ost-West-orientierten PV-Module beginnen nicht nur eher mit der Solarstrom-Produktion (d.h. beim Sonnenaufgang im Osten), sie erzeugen dank der West-Orientierung auch am späten Nachmittag länger Strom.

Reflexionsgewinne werden wichtiger Teil der Kalkulation
Auch Reflexionsgewinne, die bislang nur bei Freiflächenanlagen, doppelseitigen oder zylindrischen Modulen eine Rolle spielten, tragen bei der doppelseitigen Ausrichtung wesentlich zur Steigerung des Solarstrom-Outputs bei. Sie gingen in die Beispielkalkulation von LEC beim höchsten Sonnenstand mit einem konservativ angesetzten Plus von 20 % an zwei Stunden pro Tag ein, was bedeutet, dass zum direkten Jahresertrag der nach Osten ausgerichteten Module (108.589 kWh) und der nach Westen ausgerichteten Module (116.371 kWh) ein Mehrertrag von rund 6 % (13.382 kWh) möglich wird.
Insgesamt kommt die Simulation von LEC auf 238.342 kWh. Bei der herkömmlichen Installation von 476 Modulen ergibt sich ein jährlicher Solarstromertrag von 191.457 kWh, was bedeutet. dass die doppelseitige Ausrichtung am selben Standort und auf der gleichen Fläche rund 24,5 % mehr Solarstrom liefert.

Stromgestehungskosten sinken auf rund 10 Cent
Auch bezüglich der Systemkosten schneidet die doppelseitige Orientierung deutlich besser ab. Durch die die reduzierte Zahl der Komponenten sinkt der Anteil des Montagesystems an den Gesamtkosten von 9,51% auf 7,63%.  Das wiederum wirkt sich zusammen mit dem höheren Solarstromertrag direkt auf die Stromgestehungskosten aus: Die LCOE des herkömmlichen Systems in San Francisco liegen bei 10,51 Eurocent/kWh, der Solarstrom aus der doppelseitig ausgerichteten Anlage hingegen kostet nur 10,03 Eurocent/kWh.Verteilung der Photovoltaik-Systemkosten am Beispiel der Modellrechnung für San Francisco: Auf die Module entfallen weniger als 50 % der Endverbraucherkosten und auf die Wechselrichter rund 11  %.
Der Anteil des Montagesystems an den Gesamtkosten liegt bei 7,63 % und der Rest der BOS-Kosten bei rund 9 %. Knapp ein Viertel geht auf das Konto von Planung und Management, einschließlich der Marge der Systemhersteller.
Die Modellrechnung kann auch auf Standorte in Europa übertragen werden, wie in Südspanien, an denen Solarstrom damit eindeutig mit herkömmlich erzeugter Elektrizität wettbewerbsfähig ist.Solarstrom für Industrie und Gewerbe: Diese Photovoltaik-Dachanlage mit knapp 1MWp Nennleistung in der spanischen Provinz Castilla La Mancha produziert rund 1,4 Gigawattstunden Solarstrom pro Jahr.

Wettbewerbsfähiger Solarstrom von Gewerbe- und Industriedächern in Deutschland
Auch in Deutschland mit niedrigerer Sonneneinstrahlung nähern sich die Solarstrom-Gestehungskosten der 10-Cent-Marke. Das zeigt eine Modellrechnung für die beiden deutschen Standorte Stuttgart und Hamburg, basierend auf einer Ertragsprognose des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg.
Untersucht wurden Flachdach-Systeme auf einem Gewerbedach mit 1.050 m²  und  89,3 bzw. 80,8 kWp (einseitige Ausrichtung) sowie eine doppelseitig ausgerichtete PV-Anlage mit 130 kWp.
Unabhängig von der Systemart sind demnach Solarstrom-Gestehungskosten (LCOE) von  11,65 Eurocent/kWh in Stuttgart und 13,35 Eurocent/kWh in Hamburg möglich.
Sowohl der mögliche Solarstrom-Mehrertrag auf gleicher Fläche in Hamburg (46,5%)  als auch in Stuttgart (26,9 %) zeigen, dass in Deutschland auf begrenzten Dächern eine doppelseitige Aufständerung zu bevorzugen ist.
Die Simulation belegt zudem, dass das Flächenpotenzial eines Flachdachs in Norddeutschland (geringere Einstrahlung) mit Ost-West-Aufständerung der Module noch besser ausgereizt werden kann als im Süden.
Bei weiter steigenden Preisen für fossil-atomaren Strom wird die Photovoltaik für private Haushalte immer attraktiver, aber auch gewerbliche und industrielle Unternehmen werden bedingt durch die Kostenvorteile umsteigen. Dächer (und Arbeit für Solar-Installateure) gibt es noch immer genug.

100 Kilometer mit Solarstrom im Elektroauto für 1,50 Euro
Photovoltaik wird künftig nicht nur den Energiebedarf in Gebäuden decken, sondern auch zur kostengünstigen Alternative zu Benzin und Diesel, denn Elektrofahrzeuge mit Solarstrom zu „betanken“ rechnet sich bei bestimmten Voraussetzungen schon jetzt.Im Rahmen einer Elektroauto-Rallye hat der ADAC den Peugeot Ion mit einem Stromverbrauch von 12,87 kWh auf 100 Kilometer als sparsamstes E-Auto zum Sieger gekürt. Sein Verbrauch entspricht dem Energiegehalt von 1,45 Litern Benzin.
Mit Solarstrom aus der Modellanlage in Stuttgart betankt, würden die Antriebsenergie-Kosten  noch niedriger (12,87 x 11,65 Eurocent): gerade einmal 1,50 Euro auf 100 Kilometer.
Selbst ein sparsamer Diesel-Kleinwagen mit (realistischen) 4,5 Litern auf 100 Kilometer würde auf über 6 Euro kommen.
Weitere Informationen und aktuelle Nachrichten zur Elektromobilität liefert das Portal www.emobilserver.de.

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