Solar-Interviews:
Solar-Interview mit Carl-A. Fechner zum Start des Films
AUFBRUCH IN DIE 4. REVOLUTION
15.03.2010
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Foto: Carl-A. Fechner am Dreh
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Der Dokumentarfilm "DIE 4.REVOLUTION - Energy Autonomy" läuft ab 18.März 2010 im Kino und beschreibt anhand von Beispielen aus zehn Ländern auf vier Kontinenten, dass der
Umstieg auf 100% erneuerbare Energien möglich ist.
Im Solar-Interview berichtet Regisseur Carl-A. Fechner über die Geschichte und Ziele des Filmprojekts.
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Herr Fechner, wie und wann begann für Sie der Aufbruch in die 4. Revolution?
Hermann Scheer, den ich seit langem kenne und als kämpferischen, starken und gradlinigen Mann schätze, rief mich im Januar 2006 an. "Kennst du mein neues Buch?", fragte er. Und
dann erzählte er mir zwei Stunden lang von "Energy Autonomy". Ich war fasziniert. Das Thema erschien mir so groß, dass es einen Kinofilm rechtfertigte, der eine lösungsorientierte
Vision zeigt und nicht die Katastrophe beschwört. Wir suchten nach einer Dramaturgie, die jeden anspricht, denn dieses Thema muss global angegangen werden. Energy Autonomy - das ist
die Klammer, die Milliarden von Menschen vereinen kann! Sie können ihr Leben selbst in die Hand nehmen und Ungleichheiten überwinden. Wir zeigen dabei nicht nur das technologisch
Machbare, sondern
gesellschaftspolitische Lösungen. Ich bin überzeugt, wir können durch Energy Autonomy mehr Gerechtigkeit, weniger Krieg und die Überwindung der Armut erreichen. Und das ist
revolutionär!
Sie forschen seit langem nach Vorbildern für nachhaltiges Handeln. Wo liegt das Schlüsselerlebnis für Ihren Film?
Noch immer haben zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu Strom! Als ich vor 30 Jahren als 26jähriger Student der Medienpädagogik in Burkina Faso in einem Dorf für meine
Diplomarbeit forschte, musste ich meine Aufzeichnungen nachts mit der Taschenlampe machen. Noch heute sitzen die Menschen ohne Strom da. Ich bin überzeugt, die überfällige
Veränderung gibt es nur mit dem dezentralen Einsatz erneuerbarer Energien. In der 4. Revolution ist unser Ansatz, hoffnungsvolle Lösungen anzubieten. Dieser spezielle Blickwinkel
wurde bei mir durch den 2. Irakkrieg 1990, 1991 initiiert. Wir waren damals die einzigen Journalisten, die unabhängig in engem Kontakt mit der Friedensbewegung für
öffentlich-rechtliche Sender berichteten. Nach und nach kriegst du mit, dass du auch als Friedensfilmer für Kriegsgeschichten engagiert wirst, wenn auch mit einem anderen Blick.
Da wurde mir klar: Wenn du so weitermachst, wirst Du Teil des Systems. Wir entwickelten also einen anderen Blick auf die Themen und luden die Zuschauer ein, an positiven
Entwicklungen teilzunehmen.
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Und wann begann konkret die Reise in die 4. Revolution?
Gedreht haben wir von September 2008 bis Februar 2009 an insgesamt 60 Tagen und in elf Ländern. Aber die Vorarbeit ging natürlich viel eher los: Wir haben zunächst weltweit
recherchiert mit Experten: Welche Menschen verkörpern unsere Themen wahrhaftig? Parallel dazu musste das finanzielle Konzept der Basisbeteiligung entwickelt werden. Heute sind wir
der Überzeugung, dass wir die entscheidenden Protagonisten auf der Erde gefunden haben, die das Thema in ihrer ganzen Tiefe durchdrungen haben. Jeder Protagonist steht für einen
Teil des gesamten Themas.
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Welche Begegnung, welches Ereignis hat Sie bei den Dreharbeiten persönlich am meisten beeindruckt?
Am meisten beeindruckt hat mich Muhammad Yunus mit seinen Mikrokrediten für arme Menschen. Das ist das tollste Projekt, die Frauen sind toll. Die lösen das Problem wirklich in
ihrem Land, in ihrem Dorf, in ihrer Hütte. Das ist ein Aufbruch in einem islamischen Land in jeder Hinsicht. Das funktioniert! Oder nehmen Sie unser Beispiel aus Baden-Württemberg.
Wir zeigen die Renovierung eines ganz normalen durchschnittlichen Hauses. Das kann überall stehen. Es wird so umgebaut, dass es 40 Prozent weniger fossile Energie verbraucht. Die
Mieter sind glücklich. Sie sparen enorme Betriebskosten und leben in einer verbesserten Wohnqualität.
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Installation eines Photovoltaik-Moduls in Bangladesh.
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KINO ALS INITIATIV- UND EVENTRAUM
Wie war Ihr formal-ästhetischer Anspruch beim Dreh?
Wir arbeiten mit einer, für einen Dokumentarfilm relativ großen und zudem erstklassigen Crew. Sorin Dragoi ist sicher einer der besten Kameramänner, ein engagierter Filmästhet mit
Spielfilm-Erfahrung. Unser hochmodernes Kamerasystem SI-2K erlaubte, dass wir auch in Geschwindigkeit kraftvolle Bilder, ungewöhnliche Perspektiven filmen
konnten. Damit ist zum Beispiel auch SLUMDOG MILLIONAIRE gedreht worden. Mona Bräuer zeigt im Schnitt ihre herausragende Doku-Kompetenz. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Ist das Kino der richtige Ort für solch ein politisches Manifest?
Das Kino ist für mich der ideale Schauplatz, ein Eventraum, in dem ich mit vielen Menschen ein gemeinsames Erlebnis habe. Diesen Ansatz nutzen wir und treiben ihn voran. Die 4.
REVOLUTION ist mehr als ein Film, es kann der Beginn eines Aufbruchs, eines persönlichen Aufbruchs sein. Der Film liefert Handlungskompetenz für jeden Besucher und kann -
eingebettet in die Event-Kampagne - zu einem gemeinsamen Erlebnis werden. Und: der Film ist ja nicht nur Manifest, sondern zeigt grandiose Bilder, zeigt auch schwache Momente
starker Personen und erzählt berührende Geschichten.
Begleitet wird die Reise um die Welt von Musik, die großteils von der russischen Filmmusikerin Natalia Dittrich für die 4. REVOLUTION komponiert wurde. Für das Kino spricht auch,
dass ich im Kino mehr Freiheiten als im TV habe, auch ästhetischer und dramaturgischer Art. Im Fernsehen gibt es Machtstrukturen, die manches erschweren. Es war wichtig, eine
vollständig unabhängige Produktion zu gewährleisten - bis hin zum Filmverleih.
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Solaranlagen erobern immer mehr Dächer.
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Ihre Protagonisten geben sich über die Kontinente hinweg gewissermaßen die Klinke in die Hand. Ein Symbol der "Community", das weltweite Netz?
Ja, das ist ein reales und virtuelles Netz. Die kennen sich untereinander - mehr oder weniger intensiv. Dieses Netz soll der Film weiterknüpfen. Sie können sich vorstellen, dass
dieser rote Faden über alle Kontinente ein sehr aufwändiger dramaturgischer Ansatz war. Aber es hat sich gelohnt - nicht nur für die Dramaturgie, auch für die Protagonisten. Dass
sie miteinander in den Dialog gingen, sich über die Kontinente hinweg die Hand gaben und die Zusammenarbeit bekräftigten, das hat manchem Kraft gegeben, zum Beispiel Ibrahim
Togola bei seinem Besuch in Bangladesh.
Könnte aufgrund der zahlreichen Sponsoren der Eindruck entstehen, dass Sie sich zum Sprachrohr einer bestimmten Richtung machen?
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Fundraising und Inhalt. Wir haben mit unseren Sponsoren vertraglich abgesichert, dass sie keinen Einfluss nehmen können. Und das haben sie
auch nicht getan. Die Inhalte zählen. Und das kommunizieren wir auch offensiv!
Wer finanziert die Produktion?
Das sind Einzelpersonen und Gruppierungen: die SPD-Ortsgruppe ebenso wie die Waldorfschule, der Chef einer Schokoladenfabrik ebenso wie unser Hauptsponsor. 130 Entscheidungen von
Menschen mit unterschiedlichstem Potenzial. Wir sind stolz darauf, dass wir unseren dezentralen Ansatz im Film auch für dessen Finanzierung umsetzen konnten. Das ist eine
unabhängige Produktion im besten Sinne. Zur Überraschung ALLER ist dieses Finanzierungskonzept aufgegangen - nicht ausschließlich ein Millionär als Sponsor, sondern eine
ganzheitliche Basis, die unsere Energy Autonomy-Community stützt.
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Solarthermisches Kraftwerk in Spanien
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100 REGIONALE EVENTPARTNER
Welches Ziel hat Ihre Event-Kampagne?
Der Film ist Mittel zum Zweck und bietet eine faszinierende, im Filmbereich ganz neuartige Möglichkeit, Veranstaltungen rund um das Thema neue Energien zu initiieren. Wir werden
allein in Deutschland 100 Orte haben mit aktiven Event-Partnerschaften. Wir bieten engagierten Menschen in den Regionen den Film an, um ihre eigenen Belange zu unterstützen:
Menschenrechtsgruppen, Energieberater, Kirchengruppen, Solarhandwerker vor Ort, Umweltaktivisten. Sie bewerben sich bei uns nach bestimmten Vorgaben und werden für eines der 100
regionalen Kino-Events ausgesucht. So haben die Leipziger beispielsweise gesagt: Wir machen mit. Schließlich kann keine friedliche Revolution an Leipzig vorbeigehen!" Es werden
vorhandene Strukturen aufgegriffen und wiederbelebt. Es gibt einen neuen Anlass für runde Tische und Aktionsbündnisse. Das Ergebnis hat uns alle überwältigt. Zum Zeitpunkt dieses
Interviews nach 35 Kampagnentagen gibt es bereits Aktivitäten in fast 50 Städten.
Wann starten Sie die Kampagne?
Sie läuft ja bereits. Die ausgesuchten Event-Partner werden zum 30. Januar 2010 zu einem Kick-Off Meeting eingeladen. Das Interesse ist groß. Wir arbeiten auf Hochtouren. Die
Gruppen werden auf die regionalen Premieren vorbereitet. Sie laden örtliche VIPs ein und können mit Firmen, Vereinen oder Parteien themenspezifische Veranstaltungen organisieren.
Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Gleichzeitig arbeiten sie mit örtlichen Kinos zusammen. Die Kinobetreiber sind sehr angetan von dieser Idee, das Kino als Initiativ-
und Eventraum zu nutzen. Nicht nur aus monetären Gründen. Viele Kinobesitzer sind politisch engagiert. Auch weil diese Event-Kampagne etwas Neues darstellt. Wir bieten Anlass und
Rahmen - und dann muss jeder selber losgehen.
Bleibt Ihr Team für die Kampagne nachhaltig bestehen?
Wir initiieren die regionalen Event-Partnerschaften und begleiten sie bis zur Premiere. Dann müssen sie auf eigenen Füßen weiter laufen. Wir werden zu vielen Orten reisen und
Vorträge halten. Es soll für jeden Kinobesucher ein Faltblatt geben mit den 10 besten Energie-Tipps zur sofortigen Umsetzung und den aktuellsten Informationen zum Thema
Erneuerbare Energien.
PROTAGONISTEN AUCH WEITER DABEI
Sind Sie und Ihr Team Weltverbesserer?
Wir wollen motivieren, initiieren, aktivieren - ohne missionarischen Eifer. Hier arbeiten viele Menschen jeden Alters, die noch eine Idee, eine Vision haben - sei es im Bereich
Umwelt, Frieden oder Menschenrechte. In der Bewegung gibt es auch Leute, die auf die Straße gehen. Und niemand sollte diese Bewegung unterschätzen.
Sie arbeiten im Film mit viel Prominenz - von Hermann Scheer über Nobelpreisträger Muhammad Yunus bis hin zur Umweltaktivistin Bianca Jagger. Waren die Protagonisten
sofort gesprächsbereit?
Viele der Protagonisten, die Sie heute im Film sehen, sagten: "Darauf haben wir gewartet!" Aber: Die Bereitschaft war nicht das Problem, sondern die Zeit. Diese engagierten
Menschen arbeiten 80, 90 Stunden die Woche, sind pausenlos unterwegs. Scheer fliegt von Shanghai nach Los Angeles nach Berlin und dazwischen: Journalisten, Vorträge,
Preisverleihung, Filmdreh…
Sind Ihre Interviewpartner auch über den Film hinaus in Ihrer Kampagne verankert?
Wir sind nach wie vor mit ihnen im Gespräch. Da gibt es ein großes Interesse, sich zu zeigen und mit den Menschen zu sprechen. Auch Bianca Jagger hat dies ausdrücklich angeboten.
Hermann Scheer wird Einladungen annehmen und auch Juwi-Chef Matthias Willenbacher ist für Veranstaltungen ansprechbar, ebenso wie Maximilian Gege vom Bundesdeutschen Arbeitskreis
für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) e. V.
Für mich ist es ein Geschenk, all diesen Menschen begegnet zu sein. Die Kontakte bleiben.
Wie lange wollen Sie dran bleiben am Thema ... oder gibt es schon ein neues Filmprojekt?
Dies ist mein Lebensthema geworden. Wir werden wohl das gesamte Jahr 2010 mit dem Film und der Event-Kampagne verbringen. Für mich mündet es direkt in das Thema "Glück" - und
damit wird sich dann vielleicht mein nächstes Kinoprojekt befassen. Aber in diese Entscheidung werde ich sicherlich unsere Freundinnen und Freunde in der Community miteinbeziehen.
Wie unsere Energieversorgung ist auch Glück kein Schicksal, sondern etwas, was wir selbst gestalten können. Da gibt es Zusammenhänge. Wenn unsere Kampagne mithelfen könnte, zwei
Milliarden Menschen mit Strom zu versorgen - das wäre für mich Glück.
Vielen Dank, Herr Fechner
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