Solarthermie in der Antarktis: Erste Erfahrungsberichte der Null-Emissions-Forschungsstation Princess Elisabeth belegen die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Solarwärme-Technik unter extremen Bedingungen

Ob bei sommerlicher Hitze mit längeren Stagnationsphasen oder bei winterlicher Kälte mit zeitweilig tiefen Minusgraden: In Mitteleuropa sind Solarthermie-Systeme zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung weit verbreitet und selbstverständlich geworden. Was Solarkollektoren und -anlagen unter extremen Bedingungen leisten können, wenn ihnen monatelange Extremkälte zusetzt, haben die Diplom-Ingenieure Andreas Siegemund und Thomas Gillon am Beispiel der ersten Null-Emissions-Forschungsstation […]

Ob bei sommerlicher Hitze mit längeren Stagnationsphasen oder bei winterlicher Kälte mit zeitweilig tiefen Minusgraden: In Mitteleuropa sind Solarthermie-Systeme zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung weit verbreitet und selbstverständlich geworden.
Was Solarkollektoren und -anlagen unter extremen Bedingungen leisten können, wenn ihnen monatelange Extremkälte zusetzt, haben die Diplom-Ingenieure Andreas Siegemund und Thomas Gillon am Beispiel der ersten Null-Emissions-Forschungsstation der Antarktis untersucht.
Das deutsche Solar-Unternehmen Consolar und sein Partner Consolar Belgien haben sich mit thermischen Solarsystemen den arktischen Extrembedingungen gestellt. Nach 24-monatiger Erfahrung präsentieren sie erste Ergebnisse des Projekts. Der Solarserver stellt es im August 2011 als Solar-Anlage des Monats vor.

Das Projekt in der Antarktis zeigt, dass Solarwärme auch eine Lösung für extreme klimatische Bedingungen und Regionen mit weniger Sonne ist. Consolar leistet damit einen herausragenden Beitrag, um das große Potenzial der erneuerbaren Energien zu dokumentieren.

Klimaneutrale Klimaforschung – mit erneuerbaren Energien
Die International Polar Foundation (IPF) wurde von der Belgischen Regierung beauftragt, die Princess Elisabeth Antarctica zu entwickeln und zu bauen. Die "Princess Elisabeth Antarctica Station" wurde von 2007 bis 2009 errichtet. Ihre Aufgabe ist es, neben der Erforschung des Weltalls das Weltklima zu untersuchen – und selbst emissionsfrei zu arbeiten. Bei der Konzeption der Station wurde auf modernste Gebäudetechnik und die vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien Wert gelegt. Zum Umweltkonzept der Princess Elisabeth gehört zudem das Wasser-Management zur Vermeidung von Abfällen.
Als Hersteller für die Solarwärme-Anlage wurde Consolar wegen der Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit seiner Komponenten auch unter Extrembedingungen ausgewählt. Für die Speicher sprach die besondere Bauweise mit internen passiv arbeitenden Wärmetauschern.
Die Röhrenkollektoren konnten mit unten liegenden Sammlern punkten, die Vorteile bei Stillstands-Phasen und bei witterungsbedingter Feuchtigkeit im Kollektor bringt, da Kondensat und eintretender Schnee – zum Beispiel durch Stürme – schadlos nach unten aus den Röhren abtropfen können.

Extreme Kälte, Schnee und Stürme auf der Tagesordnung

Die Forschungsstation befindet sich in der östlichen Antarktis (71°57’ Süd und 23°20’ Ost), 200 Kilometer von der Küste entfernt. Sie liegt 1382 Meter über dem Meeresspiegel, und dort wehen katabatische Winde mit bis zu 125 km/h, in Böen bis zu 250 km/h. Die Temperaturen sind mit -50 bis -5 °C erwartungsgemäß niedrig. Starke Schneeverwehungen sind an der Tagesordnung.Energieversorgung 100 % aus erneuerbaren Quellen
Wind-Generatoren, Photovoltaik und Solarthermie versorgen die Station komplett mit Strom und warmem Wasser. Die Windräder haben eine Gesamtleistung von 54 KWp, die Photovoltaik-Module mit 400 Quadratmetern Fläche bringen 52 kWp und die Solarthermie-Kollektoren mit 43 m2 weitere 30 kWp. Während die Wind-Generatoren entlang des Bergkamms angeordnet sind, auf dem die Station errichtet wurde, ist die Solarstrom-Anlage neben der Station auf der so genannten Garage an den Seitenflächen und auf der Station montiert. Die Kollektoren der Solarwärmeanlagen sind auf dem Querschiff der Station (Anlage 1) und auf dem Dach der Garage neben dem Photovoltaik-Feld (Anlage 2) installiert.
Die Energieerzeuger und Verbraucher sind ein intelligentes Stromnetz (Micro Smart-Grid System), das Verbrauch und Erzeugung abstimmt.
Durch den Passivhaus-Standard der Station erreichen die Räume im bewohnten Sommerhalbjahr praktisch immer eine Temperatur über 23 °C. Die Wind- und Solarstromanlagen wurden aus Sicherheitsgründen bewusst überdimensioniert, bei einem Überschuss kann Strom beispielsweise auch über externe Heizflächen verbraucht werden, so lässt sich dann auch ein Teil in der Garage beheizen. Die beiden Solarwärme-Anlagen werden im Folgenden näher beschrieben.

Solarwärme für das Abwassermanagement

Der über eine Solarthermie-Anlage betriebene Bio-Reaktor ist zentraler Bestandteil des Wasser-Management-Systems auf der Station. Durch den anaeroben Bio-Reaktor werden die Abwässer im bakteriellen Zersetzungsverfahren von organischen Stoffen befreit und danach gefiltert. Auf diese Weise lässt sich ein großer Teil der flüssigen „Abfälle“ vermeiden, die auf der Station entstehen. Alle verbleibenden Abfälle, insbesondere die nicht organischen Abfälle, werden wieder von der Station zurücktransportiert und entsorgt.

Die Abwässer der Station werden im Durchlaufprinzip durch den Bio-Reaktor geleitet, der wegen der Bakterien ständig in einem engen Temperaturbereich von 50 – 52 °C gehalten werden muss. Die Wärme dafür liefert eine Solarthermie-Anlage mit 18 Röhrenkollektoren à 1,2 m2. Die Kollektorfläche setzt sich aus 3 Feldern à 6 Kollektoren zusammen. Die Kollektoren sind auf dem Querschiff der Station mit 50 Grad Neigung montiert und nach Norden ausgerichtet.Drei parallel verschaltete SOLUS II Kombi- Pufferspeicher à 550 l speichern die für den Reaktor erforderliche Wärme. Das Backup-System besteht aus einer Elektroheizung der Speicher.
Über die in den Speichern integrierten Durchlauf-Wärmetauscher wird das Wasser erwärmt, um die Waschmaschinen, Küche, Waschbecken und Duschen der Bewohner zu versorgen. Eine Beheizung von Räumen der Station wäre prinzipiell über eine Einbindung in eine Lüftungsanlage möglich gewesen. Aufgrund der sehr hohen internen Wärmegewinne und der guten Wärmedämmung kommt die Station jedoch ohne Heizung aus.

Solarwärme sorgt für Trink- und Brauchwasser

Die zweite Solarwärme-Anlage, der so genannte Snow-Melter, versorgt die Station mit Wasser. Das gesamte Trink- und Brauchwasser muss wegen der geringen Außentemperaturen erst durch Auftauen von Schnee verflüssigt werden, bevor es in der Station genutzt werden kann. Der Schnee wird in einem Behälter mit dem Warmwasser des Solarspeichers gemischt und zum Schmelzen gebracht. Dann wird das geschmolzene Wasser in zwei Vorratsbehälter gepumpt.
Dort wird über Füllstands-Sensoren erfasst, wann die Behälter wieder Schnee nachgeliefert bekommen müssen.
Damit stets ausreichend Wasser zur Verfügung steht, wurde zum Betrieb des Snow-Melters eine eigene Regelung entwickelt, deren Logik einer herkömmlichen Solar-Regelung entspricht. Die Wärme für das Auftauen kommt aus der Solaranlage. Der Kunststoffspeicher mit einem Fassungsvermögen von 500 Litern wird mit 2 x 6 Röhrenkollektoren solar beladen. Über einen weiteren Wärmetauscher kann dem Speicher Wärme entzogen werden, um einen Versorgungsraum zu beheizen, in dem Geräte für Expeditionen und die Kleidung untergebracht sind.

Solartechnik bewährt sich bei Eiseskälte und Stürmen

Beide Solarwärme-Anlagen laufen zu großer Zufriedenheit, berichten die Ingenieure Andreas Siegemund und Thomas Gillon. Auch die Wintermonate mit sehr niedrigen Temperaturen und hohen Windgeschwindigkeiten seien gut überstanden worden. Beide Anlagen werden mit normalem, für Röhrenkollektoren geeignetem Frostschutzmittel betrieben, in Verbindung mit einer Schaltung für aktiven Frostschutz ab Temperaturen unter -25 °C.
Trotz einer langen Phase der Stagnation in der Installationsphase sei es zu keinen Problemen gekommen. Bauartbedingt wirkt sich hier dabei, wie auch für die Entleerung mit Druckluft (Wintermonate), der unten liegende Sammler positiv aus.
Die Leistung der Anlagen wird als hoch empfunden, auch weil viel Reflexion durch den Schnee die solare Einstrahlung auf die Kollektoren durch den niedrigen Sonnenstand erhöht.
Der Bio-Reaktor funktionierte zwar nicht von Anfang an wie geplant. Doch regelungstechnische Probleme wurden analysiert und konnten über eine genauere Mischersteuerung behoben werden.

Kollektorfläche und Speichervolumen erweitert
Um eine größere Menge an Wasser im Snow-Melter zu gewinnen, wurde der 500-Liter-Kunstsstoffspeicher im Sommer 2010/2011 gegen zwei SOLUS II 560L-Kombispeicher mit jeweils 560 l Volumen getauscht und die Kollektorfläche von 12 auf 18 TUBO 12 CPC Röhrenkollektoren erweitert (Flächenzuwachs von 14 auf 21 m2).
Die Messtechnik über Temperaturfühler funktioniert zuverlässig, Durchfluss-Sensoren zur Erstellung von Energiebilanzen sollen noch 2011 installiert werden.Für die nächsten Jahre sind mobile Container geplant, in denen die für Expeditionen erforderlichen Geräte transportiert werden können. Der Einsatz einer Solarwärme-Anlage als Snow-Melter zur Schmelze und Bereitstellung von Warmwasser wird aufgrund der guten Erfahrungen ebenfalls geprüft.

Mit der Princess Elisabeth Antarctica hat die belgische Regierung ein weltweit einzigartiges Vorzeigeprojekt für die erneuerbaren Energien geschaffen. Weitere Infos zum Projekt: www.antarcticastation.org bzw. www.polarfoundation.org

Text und Bildmaterial: Dipl.-Ing. Andreas Siegemund; Dipl.-Ing. Thomas Gillon; Consolar Solare Energiesysteme GmbH, www.consolar.com : Redaktion Solarserver: Rolf Hug

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