Clearingstelle EEG | KWKG: „Die Fälle werden immer komplexer“

Die beiden Leiter der Clearingstelle EEG | KWKG, Sönke Dibbern und Martin Winkler, ziehen im Interview ein Resümee zum 15-jährigen Bestehen der Institution.Foto: Inga Haar
Die Leitung der Clearingstelle EEG|KWKG: Sönke Dibbern (links) und Dr. Martin Winkler stehen seit Oktober 2019 als kaufmännischer bzw. wissenschaftlicher Leiter an der Spitze der Einrichtung.
Die beiden Leiter der Clearingstelle EEG | KWKG, Sönke Dibbern und Martin Winkler, ziehen im Interview ein Resümee zum 15-jährigen Bestehen der Institution.

Die Clearingstelle EEG | KWKG besteht seit 15 Jahren. Sie beide sind vom ersten Tag an dabei. Wie würden Sie die Arbeit dieser Institution kurz auf einen Nenner bringen?

Martin Winkler: Die Arbeit der Clearingstelle lässt sich zusammenfassend so beschreiben, dass wir für eine unüberschaubare Vielzahl an Akteuren Investitions- und Rechtssicherheit geschaffen haben. Dies haben wir durch die Übermittlung von Informationen und durch die Klärung von Auslegungs- und Anwendungsfragen erreicht.

Sönke Dibbern: Ich denke, uns gelang, die verschiedenen Seiten ins Gespräch zu bringen. Gerade am Anfang der Energiewende haben die unterschiedlichen Akteure kaum miteinander gesprochen. Ich glaube, die Clearingstelle kann sich als Verdienst anheften, das gegenseitige Verständnis der Akteure erheblich verbessert zu haben.

Gehen wir zurück zum Anfang: Warum wurde die Clearingstelle EEG | KWKG aufs Gleis gesetzt und wie war der Start? Gab es zu diesem neuen Konstrukt auch Kritik?

Winkler: Ja, durchaus, um die letzte Frage zu beantworten. Es gab einige Akteure, die uns kritisch beäugt haben. Ich denke an Anwaltskanzleien, die ein wenig Angst hatten, dass wir ihnen das Geschäft streitig machen könnten. Was wir natürlich nicht taten. Grundsätzlich gab es damals das Bedürfnis, die Clearingstelle aufs Gleis zu setzen, weil dem Umweltministerium klar war, dass die Klärung von Auslegungsfragen rund um das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) allein durch die ordentliche Gerichtsbarkeit einfach zu lange dauern und ein Investitionshindernis darstellen würde. Wenn Projekte nur daran gescheitert wären, weil die Branche nicht wusste, was erlaubt war und was nicht, wäre dies zum Problem für die Energiewende geworden. Deshalb wurde eine Möglichkeit außerhalb der Gerichte geschaffen – mit juristischem und technischem Sachverstand.

Wie hat die Branche der Energiewirtschaft reagiert, die etablierte als auch die Branche der Erneuerbaren?

Dibbern: Es gab von mehreren Seiten ein kritisches Beäugen. Zum einen ist kolportiert worden, wir wären nun der verlängerte Arm des Umweltministeriums. Von anderer Seite war zu hören, wir würden nur die etablierte Energiewirtschaft und deren Interessen vertreten. Es bedurfte einiger Zeit, der Branche zu zeigen, dass dem nicht so ist. Wir haben einfach beide Seiten gleich wichtig genommen.

Winkler: Genau, es war entscheidend für den Erfolg der Clearingstelle, dass wir uns als neutraler und unabhängiger Akteur verstanden haben. Wir haben keine Partikularinteressen wahrgenommen, sondern fühlen uns dem Gesetz verpflichtet. Das haben dann die Akteure der unterschiedlichen Couleur gemerkt und auch unsere Angebote sehr schnell angenommen. Bei uns finden die Akteure ein Forum, einen geschützten Raum, wo sie sich austauschen und Lösungen finden können.

Zu ihrer täglichen Arbeit: Betrachten wir einmal einen normalen Fall, um das Verfahren besser zu verstehen. Wenn nun ein Anlagenbetreiber vor einem kompliziertem Problem steht, sei es beispielsweise bei Inbetriebnahme einer Anlage, wie geht er dann am besten vor?

Winkler: Das beste Szenario ist, wenn das Problem gar nicht bei uns landet. Wir raten immer dazu, egal ob bei Anlagen- oder Netzbetreibern, zuerst die andere Seite anzurufen oder anzuschreiben. Damit man ins Gespräch kommt und nach Lösungen sucht. Wir erleben leider immer wieder Fälle, wo ich denke, dieses Problem hätte man doch mit einem schnellen Telefonat aus der Welt schaffen können. Dann gibt es natürlich Probleme, die lassen sich nicht so schnell aus der Welt schaffen. Dann sind wir zur Stelle. Per Kontaktformular kann der Betroffene das Problem vorbringen – am besten in Form einer detaillierten Schilderung. Wir schauen uns dann den Fall an und liefern zuerst Informationen, damit das Problem gelöst wird. Wir haben nämlich schon sehr früh gemerkt, dass Streitigkeiten oft einhergehen mit mangelnder fachlicher Kenntnis der Situation. Wenn wir dann die passenden Informationen liefern, dann gelingt es in vielen Fällen, den Konflikt zu entschärfen.

Dibbern: Diese Form der Lösung eines Problems geht in den meisten Fällen sehr schnell und unkompliziert und ist darüber hinaus sogar kostenfrei.

Winkler: Wenn dann immer noch Unklarheiten vorherrschen, bieten wir ein förmliches Verfahren an – natürlich nur, wenn Anlagen- und Netzbetreiber dazu bereit sind. Es führt dann zu einer verbindlichen Klärung. Dies ist dann entgeltpflichtig, wobei die Gebühren deutlich unter den Niveaus einer gerichtlichen Klärung liegen. Dies geht nicht ganz so schnell wie der Erstkontakt, weil wir das Verfahren vorbereiten müssen. Hierzu werden auch Verträge mit den Parteien abgeschlossen.

Was macht die Arbeit der Clearingstelle EEG | KWKG schwer?

Winkler: Die Komplexität der Sachlage macht eine Entscheidung meist nicht einfach. Wir merken, dass die Rechtslage und damit die Fälle, die an uns herangetragen werden, immer komplexer werden. Um nur ein Stichwort zu nennen: Die Übergangsbestimmungen sind eigentlich nur noch für Experten genießbar. Und diese steigende Komplexität führt dazu, dass wir länger mit der inhaltlichen Bearbeitung der Fälle zu tun haben. Früher, vor 10 Jahren, hatten wir viele Fälle, die sich sehr ähnelten, beispielsweise der konkrete Termin einer Inbetriebnahme einer PV-Anlage. Solche einfachen Fälle haben wir heute nicht mehr, es wird immer individueller und spezieller.

Dibbern: Die steigende Komplexität ist natürlich auch Ausdruck der steigenden Durchdringung der Erneuerbaren im Energiesektor. Heute haben wir eine Erzeugungssituation, die – von der Komplexität her – früher undenkbar gewesen wäre. Ein Beispiel: Biogasanlagen, die über 15 Jahre gewachsen sind, hier was angebaut, dort etwas ergänzt – das ist rechtlich einfach etwas ganz anderes als die Situation vor 15 Jahren. Oder: Erzeugungsanlagen, die Nebenprodukte von chemischen Prozessen nutzen, um Energie zu erzeugen, wo am Anfang überhaupt nicht klar ist, ob dies noch erneuerbare Energien sind oder nicht. Das sind Fragestellungen, die gab es in dieser Form früher nicht.

Sollte man das EEG verschlanken?

Winkler: Ich halte nicht viel davon, diese steigende Komplexität pauschal zu kritisieren. Um sich einen Zustand zu wünschen, wie es früher war. Da muss ich sagen: Diese Zeit ist einfach vorbei. Das muss man sich ganz nüchtern vor Augen halten. In einer Welt, die zunehmend auf Erneuerbare aufbaut, ist der Regelungsbedarf einfach größer geworden. Und mit immer neuen Technologien, die in den Markt gebracht werden, entsteht natürlich weiterer Regelungsbedarf. Mit dieser Komplexität müssen wir einfach umgehen. Es gibt sicherlich Regelungsbereiche, wo die Regelungstiefe etwas zu weit gegangen ist und wo der Gesetzgeber aus guten Gründen gegengesteuert hat, beispielsweise manche Sanktionsregelungen, oder jetzt aktuell die EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch, die zum 1. Juli abgeschafft wurde – das war natürlich auch ein Komplexitätstreiber. Doch generell ist solch eine Reduktion mit wenigen Paragrafen in der Energiewelt nicht möglich.

Wie könnten Prozesse schneller abgewickelt werden?

Dibbern: Was wir den Anfragen immer entnehmen, vor allem von Projektentwicklern und Installateuren, die überörtlich tätig sind, ist der Wunsch, eine gewisse Vereinheitlichung der Vorgänge bei Errichtung und Inbetriebnahme der Anlagen zu erreichen. Wir haben in Deutschland mehr als 900 Netzbetreiber, die historisch ihre Prozesse entwickelt haben, so dass es auch im angrenzenden Bereich deutliche Unterschiede ergeben kann. Das fördert sicherlich nicht die Schnelligkeit bei der Abwicklung. Und wenn dann das 3. und 4. Netzgebiet noch andere Vorgaben hat, dann macht es die Errichtung von Anlagen für Planer natürlich nicht einfacher. Hier ist sicherlich noch Luft nach oben, um Prozesse zu optimieren. Eine gewisse Vereinheitlichung würde hier Abhilfe schaffen. Auch die Genehmigung der Anlagen in den verschiedenen Behörden ist, nach allem, was wir hören, uneinheitlich. Aber der Genehmigungsprozess, dies ist Verwaltungsrecht, liegt eigentlich außerhalb unseres Tätigkeitsbereiches.

Winkler: Da kann ich aus eigener Erfahrung sprechen: Selbst bei der Anmeldung von kleinen PV-Anlagen, 3,6 kWp, ist ein Riesen-Wust an Dokumenten notwendig. Wo man sich fragt, warum ein Anlagenbetreiber Zertifikate von Standardmodulen an den Netzbetreiber senden muss, wo diese Zertifikate auch in einer zentralen Datenbank vorgehalten werden könnten. Da könnte man sicher Prozesse verschlanken und Bürokratie abbauen. Dies ist sicherlich auch im Interesse der Netzbetreiber, die seit Jahren wegen der vielen anzuschließenden Anlagen an der Grenze der Belastung arbeiten.

Was haben Sie in 15 Jahren bewirkt?

Dibbern: Die Clearingstelle ist unserer Ansicht nach eine segensreiche Einrichtung, die vor allem Rechtssicherheit an vielen Punkten für die Energiebranche erarbeitet hat. Einerseits durch unsere Verfahren, andererseits durch unsere Empfehlungen und Hinweise oder dadurch, dass wir offene Punkte benannt haben, wo die Rechtslage völlig unklar war, und damit dem Gesetzgeber Impulse geliefert haben. Dann stehen wir natürlich in gutem Kontakt zum BMWK und stehen beratend zur Seite, falls unsere Expertise bei Gesetzestexten nachgefragt wird und Nachschärfebedarf nötig ist.

Winkler: Laut unserem allerersten Auftrag seitens des Umweltministeriums sollen wir permanent zur Evaluierung des EEG beitragen. Entsprechend gehen wir vor: Wenn wir merken, dass es bei einer bestimmten Regelung vielfach zu Konflikten kommt, dann teilen wir das dem Ministerium umgehend mit. Doch zurück zur Ausgangsfrage: Was haben wir bewirkt? Ich bin so kühn und sage: Viele GW an Leistung wäre durch die Arbeit der Clearingstelle nicht errichtet worden. Und gleichzeitig haben wir durch unsere Klärungen verhindert, dass Geld falsch investiert wurde; dadurch kam es nicht zu „stranded investments“. Dies sind, denke ich, wichtige Aspekte im schnelllebigen Markt der Erneuerbaren.

Was waren denn die kuriosesten Fälle in diesen 15 Jahren?

Winkler: Ich kann mich an einen tragischen Fall aus der Anfangszeit erinnern. Da hatte ein Anlagenbetreiber 100.000 Euro in eine 2-achsig nachgeführte PV-Anlage im eigenen Garten investiert. Dann ist er zum Netzbetreiber gegangen und wollte die Anlage anschließen und die Vergütung haben. Der Netzbetreiber tat dies aber nicht, weil es sich im vorliegenden Fall um eine Freiflächenanlage handelte und es keinen Bebauungsplan für den Garten gab. In diesem Fall konnten wir auch nichts machen. Hier hätte sich der Betreiber vorher kundig machen müssen.

Dibbern: Es gibt kuriose Fälle, doch diese dürfen wir leider nicht veröffentlichen, da man dann schnell Rückschlüsse auf den Betreiber ziehen kann. Wir erhielten aber einmal eine Anfrage, ob Energie aus Tesla-Strahlung auch vergütungsfähig ist. Der Einreicher war der Meinung, er könnte aus dieser kosmischen Strahlung Strom erzeugen. Da mussten wir natürlich verneinen.

Und zum Ende ein kleines persönliches Resümee: Was war ihr größter Erfolg, was hat Ihnen in diesen 15 Jahren am meisten Freude bereitet?

Winkler: Wenn ich zurückblicke auf die Anfänge, also 2007, hatten wir schon eine Situation der starken Konfrontation zwischen Anlagen- und Netzbetreibern. Ich denke, die Clearingstelle hat einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet, die Wogen zu glätten und für mehr Verständnis auf beiden Seiten zu sorgen. Der zweite Punkt, und hier spreche ich als Jurist, ist die Tatsache, dass die Clearingstelle bei vielen Einschätzungen vielfach auf Linie des Bundesgerichtshofes (BGH) lag. Bei rund 70 % der Verfahren, in denen der BGH eine auch schon von der Clearingstelle bearbeitete Rechtsfrage zu klären hatte, kam der BGH zu derselben oder einer ähnlichen Rechtsauffassung wie die Clearingstelle. Dies zeigt, dass wir methodisch sehr gute Arbeit geleistet haben. Wobei ich sagen muss, es freut mich mehr, wenn durch unsere Arbeit der BGH gar nicht in Aktion treten musste. Doch dieser Anteil ist leider nicht messbar.

18.10.2022 | Quelle: Clearingstelle EEG | KWKG | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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