Bundesumweltminister Sigmar Gabriel zur Diskussion um die Solarstrom-Förderung

In einem Interview mit der Zeitschrift "photovoltaik" wehrt sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) gegen Forderungen des Bundeswirtschaftsministeriums und von Teilen der Union, die Förderung von Solarstrom drastisch zu senken.

Gabriel verlangt von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU), sich an den Gesetzentwurf zu halten, den das Kabinett beschlossen hat. Außerdem stellt er die Zahlen in Frage, die vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) verbreitet werden.
Mit freundlicher Erlaubnis des Alfons W. Gentner Verlags und der Solarpraxis AG veröffentlicht der Solarserver das Gespräch als Solar-Interview des Monats Mai 2008."photovoltaik": Photovoltaik wird unter den erneuerbaren Energien am stärksten gefördert. Wie stehen Sie dazu?
Gabriel: Die Photovoltaik spielt im Mix der erneuerbaren Energien und in unseren Szenarien zur zukünftigen Energieversorgung in Deutschland eine wichtige Rolle. Die Photovoltaikbranche ist eine Leitindustrie, Photovoltaik ein Leitmarkt für die Energieversorgung im 21. Jahrhundert. Deutsche Firmen haben auf diesem Zukunftsmarkt eine führende Rolle erobert. Aus diesem Grund müssen wir jetzt investieren, um in Zukunft zu profitieren. Die Förderung im Erneuerbaren-Energien-Gesetz orientiert sich an den Kosten der jeweiligen Technologie. Photovoltaik wird deshalb am stärksten gefördert, weil es hier die größten Potenziale zur Kostensenkung gibt.
"photovoltaik": Laut Solarenergie-Förderverein plant das BMU bis zum Jahr 2013 einen Rückgang des jährlichen PV-Zubaus auf unter 500 Megawatt. Der Verein bezieht sich dabei auf die BMU-Leitstudie 2007. Warum wollen Sie einen so deutlichen Rückgang und wie möchten Sie dieses Ziel erreichen?
Gabriel: Die genannten Zahlen stammen aus einer Studie von 2007, die sich wiederum auf Daten aus dem Jahr 2006 bezog. Der Photovoltaikmarkt hat sich inzwischen allerdings deutlich stärker entwickelt, so dass jetzt von höheren Zuwachsraten auszugehen ist. Wir werden unser Leitszenario in diesem Sommer aktualisieren. Gegenwärtig schätzen wir, dass der Zuwachs in den nächsten Jahren auf einem Niveau in der Größenordnung von etwa 1.000 Megawatt jährlich liegen dürfte. Die zukünftige Entwicklung hängt stark von den neuen Regelungen des Erneuerbare- Energien-Gesetzes (EEG), den neuen Vergütungssätzen und Degressionsschritten ab. Wir gehen davon aus, dass auf Grund der Erfolge in Deutschland mittelfristig die Exporte im Photovoltaikbereich stark zunehmen werden. Dies wird einen Einfluss auf den deutschen Markt haben.
"photovoltaik": Halten Sie es für möglich, dass die Einspeisevergütung für Solarstrom stärker gesenkt wird, als bisher vorgesehen (7 bis 9,8 %)? Oder ist für Sie sogar eine Deckelung denkbar?
Gabriel: Ich habe ja schon deutlich gemacht, dass Deutschland ein industriepolitisches Interesse an der Photovoltaik haben muss. Für Produktion, Forschung und Entwicklung auf hohem Niveau brauchen wir einen klaren Förderrahmen. Daran orientiert sich der Entwurf der Bundesregierung für die Novelle des EEG. Dieser Entwurf wird derzeit im Bundestag beraten, über Details wird dort zu sprechen sein. Eine ernst gemeinte Diskussion über eine Deckelung der Photovoltaikförderung ist mir nicht bekannt."photovoltaik": Ein im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstelltes Gutachten des RWI schlägt sogar eine Kürzung der Solarstromförderung um 30 Prozent vor. Die Gutachter rechnen vor, dass die Photovoltaik-Förderung die Verbraucher bis zum Jahr 2035 120 Milliarden Euro kosten wird. Halten Sie diese Zahl für realistisch? Wie erklären Sie sich, dass Ihr Koalitionspartner jetzt diese Zahlen lanciert, obwohl bereits ein Kabinettsbeschluss existiert?
Gabriel: Sie haben völlig Recht, wir haben den Gesetzentwurf gemeinsam beschlossen, dazu sollte sich auch Herr Glos bekennen. Wer die Photovoltaik in Frage stellt, wie es das Bundeswirtschaftsministerium tut, spielt mit Tausenden von Arbeitsplätzen, die in dieser Branche entstanden sind. Und er setzt den technologischen Vorsprung aufs Spiel, den sich deutsche Unternehmen erarbeitet haben. Im Übrigen geht das RWI von einem stärkeren Marktwachstum aus als das Bundesumweltministerium. Außerdem rechnet das RWI auf eine andere Weise. So kann man zu sehr hohen Summen in den Differenzkosten kommen. Das Bundesumweltministerium geht von jährlichen Differenzkosten zwischen 2,1 Mrd. bis maximal 2,7 Mrd. Euro für die Photovoltaik aus. Diese Zahl wird ab 2016 rückläufig sein. Angesichts der industriepolitischen Bedeutung der Photovoltaik brauchen wir, ich sagte es bereits, einen klaren Förderrahmen und verlässliche Rahmenbedingungen. Meines Wissens hat sich nur der Wirtschaftsausschuss der CDU/CSU-Fraktion die Aussagen des Gutachtens zu Eigen gemacht.
"photovoltaik": Das RWI und der Energiekonzern RWE sind eng miteinander verbunden (Der Ex-RWE-Vorstandsvorsitzende Dr. jur. Dietmar Kuhnt ist Präsident der Gesellschaft der Freunde und Förderer des RWI Essen, die das RWI finanziell unterstützt). Warum lassen Sie kein neutrales Gutachten erstellen?
Gabriel: Sie laufen offene Türen ein. Wir haben mit dem Erfahrungsbericht zum EEG und den dazugehörigen Berechnungen zu den Differenzkosten einen neutralen Bericht im November des vergangenen Jahres vorgelegt. Der Bericht war mit dem Bundeswirtschaftsministerium abgestimmt, bevor er im Kabinett beschlossen wurde. Auch daran sollte sich Herr Glos erinnern. Ich sehe keinen Änderungsbedarf.
Die Fragen für die Zeitschrift "photovoltaik" stellte Klaus Wedekind.
Der Solarserver bedankt sich bei der Verlagsgemeinschaft Alfons W. Gentner Verlag und Solarpraxis AG für das Recht zur Publikation im Internet.

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