Im November hatte das Parlament im Zuge der Novelle des Energiewirtschaftsrechts beschlossen, dass verschiedene Speichertypen nach § 35 des Baugesetzbuchs (BauGB) künftig im Außenbereich privilegiert sind. Konkret sollte dies gelten für Batteriespeicher mit einer Kapazität von mindestens einer Megawattstunde sowie für unterirdische Wärme- und Wasserstoffspeicher. Unmittelbar nach der entscheidenden Ausschusssitzung am Tag vor der abschließenden Abstimmung im Bundestag wurde jedoch innerhalb der Koalitionsfraktionen Unmut über diese kurzfristig in den Gesetzentwurf aufgenommene Privilegierung laut. Offenbar waren sich einige der beteiligten Politiker:innen nicht über die Tragweite dieser BauGB-Änderung im Klaren gewesen und auch aus den kommunalen Spitzenverbänden war Kritik aufgekommen.
Um die für den 13. November angesetzte Abstimmung über das Energierechtspaket nicht aufschieben zu müssen, verständigten sich Fachpolitiker:innen der Koalition auf eine kurzfristige nachträgliche Einschränkung der Privilegierungsvorgaben. Die energiepolitische Sprecherin der SPD, Nina Scheer, hatte, als sie in ihrer Bundestagsrede zur EnWG-Novelle auf die BauGB-Privilegierung zu sprechen kam, Zwischenapplaus von einigen Abgeordneten bekommen. Und zwar ausgerechnet für ihre für Außenstehende kryptisch anmutende Ankündigung: “Hierbei wird uns auch in weiteren Gesetzgebungsverfahren daran gelegen sein, dass da ein räumlich funktionaler Zusammenhang hergestellt werden kann, damit auch die Netzdienlichkeit und die Ortsgebundenheit verfolgt werden kann mit dieser Regelung.”
Einschränkungen für die Speicher-Privilegierung
Was dahinter steckte, erschließt sich seit der vergangenen Woche: Mit dem am Donnerstag beschlossenen Artikelgesetz zur Geothermie-Beschleunigung formuliert der Gesetzgeber das baurechtliche Privileg für Speicher komplett neu und schränkt es deutlich stärker ein, als es der Bundestag noch im November beschlossen hatte. Da die Energierechtsnovelle bislang noch nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde und beide Gesetze voraussichtlich am selben Tag publik gemacht werden, dürfte sich kein Speicherprojektierer auf einen zwischenzeitig weiter gefassten Privilegierungstatbestand berufen können.
Nach dem am vergangenen Donnerstag gefassten Bundestagsbeschluss gilt nun die uneingeschränkte Privilegierung nur noch für Batterie-Speicher, die in “räumlich-funktionalem Zusammenhang” zu einer Erneuerbare-Energien-Anlage entstehen sollen. Gerrit Lühring, Experte für Großspeicher beim Speicherverband BVES, sagt: “Co-Location-Speicher sind nun explizit privilegiert. Das schafft die Möglichkeit, tausende EE-Anlagen endlich in die Nutzungseffizienz zu bringen.”
Speicher-Privilegierung 200 Meter rund um Umspannwerke
Für andere Speicherbatterien wurde die Privilegierung allerdings weiter eingeschränkt. Unter § 35 BauGB fallen sie nur noch in einem 200-Meter breiten Streifen um die Grundstücksgrenze eines Umspannwerks ab der Mittelspannungsebene beziehungsweise eines aktiven oder stillgelegten Kraftwerks mit mehr als 50 MW. Dafür müssen die Batterien des Weiteren eine Nennleistung von mindestens 4 Megawatt haben. Und innerhalb einer Gemeinde dürfen baurechtlich privilegierte Speicher ledig 0,5 Prozent der Gemeindefläche einnehmen und sich maximal über 5 Hektar erstrecken. Entfallen ist dafür die noch im November festgelegte Mindestkapazität von einer Megawattstunde.
Gerrit Lühring vom BVES ist mit diesem Teil des Koalitionskompromisses nicht glücklich: “Die Grenze von 200 Metern im Umkreis von Umspannwerken geht völlig an den energiewirtschaftlichen Realitäten vorbei. Damit wird es für alle notwendigen Anlagen zukünftig sehr eng. Und wie praktikabel und sinnvoll so eine starre Vorgabe ist, die man mit dem Zollstock nachmessen muss, sei dahin gestellt.”
Keine Privilegierung für Wasserstoffspeicher
Gestrichen hat der Bundestag nun auch die Privilegierung für Wasserstoffspeicher. Auf der anderen Seite müssen privilegierte Wärmespeicher in räumlich-funktionalem Zusammenhang mit Wärmequellen und Wärmesenken stehen.
Nina Scheer betonte gegenüber den Solarthemen, dass Speicher natürlich auch weiterhin ohne eine Außenbereichsprivilegierung über Bauleitverfahren realisierbar blieben. Mit den nachträglich eingefügten Privilegierungsbedingungen sieht sie den einen Teil der koalitionsinternen Verabredung zum räumlich-funktionalen Zusammenhang als erfüllt an.
Für den zweiten Teil gibt es vorerst nur eine Entschließung des Bundestages, deren Text die Abgeordneten dem aktuellen Gesetzesbeschluss vorangestellt haben. Darin fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, “für die privilegierten Speicher funktionale Kriterien zu definieren, die das Ziel des Koalitionsvertrages ‘wir wollen einen systemdienlichen Netz- und Speicherausbau, mehr Flexibilitäten und einen effizienten Netzbetrieb’ erfüllen”.
BMWE will Speicher aus der KraftNAV ausschließen
Wie schnell Großspeicher – ob privilegiert oder nicht – dann im Einzelfall tatsächlich entstehen können, das liegt allerdings auch an den Netzanschlussverfahren für die Hoch- und Höchstspannungsnetze. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) will nun die Großbatterien kurzerhand von der Kraftwerksnetzanschlussverordnung (KraftNAV) ausnehmen. Begründung: Für Speicherparks liegt inzwischen ein Vielfaches an Netzanschlussbegehren bei den Netzbetreibern vor als einschlägige Energieszenarien an künftiger Speicherleistung für nötig erachten. Würden sie nicht unter die KraftNAV fallen, müssten die überlasteten Netzbetreiber die Anträge nicht mehr innerhalb so enger Fristen und nach dem Windhundverfahren bearbeiten.
Den Entwurf der zu ändernden KraftNAV hatte das BMWE in der vergangenen Woche betroffenen Verbänden zur Stellungnahme innerhalb von nur 24 Stunden vorgelegt. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) lehnt das Vorhaben entschieden ab. Zwar halten auch die im BEE zusammengeschlossenen Verbände die KraftNAV nicht für geeignet für die vielen Netzanschlussbegehren für Speicher. Dafür sei vielmehr ein neues Verfahren zu entwickeln, das auch den unterschiedlichen Reifegrad der Projekte und ihre Netzdienlichkeit berücksichtigen solle. Das unter dem Druck der Netzbetreiber geplante radikale Vorgehen des BMWE werde dem Problem jedenfalls nicht gerecht, so der Dachverband. BEE-Präsidentin Ursula Heinen-Esser sagt: „Wer die Speicher aus dem Geltungsbereich der KraftNAV herausnimmt, bevor ein neues Verfahren etabliert wurde, macht den zweiten Schritt vor dem ersten.”
Planungsunsicherheit droht
BVES-Experte Lühring erklärt, in der Konsequenz dürften die Speicher dann wieder in der Warteschlange mit Rechenzentren und anderen Großverbrauchern landen. Er sagt: „Wenn man Energiespeicher aus der KraftNAV pauschal ausschließt, ohne ein anderes Verfahren einzuführen, bedeutet das große Rechts- und Planungsunsicherheit für die notwendige Flexibilität und führt nicht zu Vorteilen bei der Warteschlage beim Netzanschluss auch für weitere Anschlussnehmer.”
Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH | www.solarserver.de