Mit dem Kabinettsbeschluss wird die seit Jahren angekündigte Reform des ältesten derartigen Beteiligungsgesetzes eines Bundeslandes nun offiziell. Bereits 2016 hatte Mecklenburg-Vorpommern mit der Beteiligungspflicht für Bürger:innen und Kommunen an Windkraftwerken Neuland betreten. Zwischenzeitig überstand das Landesgesetz 2022 eine Klage beim Bundesverfassungsgericht und wurde vor vier Jahren vom Landesgesetzgeber um eine Ausnahmeklausel erweitert, die es Wind-Projektierern auf Antrag ermöglichte, freiwillige Zahlungen nach § 6 EEG als Ersatzmaßnahme für die landesweite Beteiligungspflicht anrechnen zu lassen.
BüGem setzt finanzielle Leitplanken
Gegenüber dem Anfang Mai dieses Jahres in die Verbändeanhörung gegebenen Referentenentwurf enthält die aktuell vom Kabinett beschlossene Fassung einige wesentliche Änderungen. Sie betreffen vor allem die Art und Höhe der fälligen Zahlungen. So sollen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen nur noch mindestens 0,1 Cent pro tatsächlich erzeugter Kilowattstunde (Ct/kWh) an die Kommune und ein ebenso hoher Betrag von 0,1 Ct/kWh direkt an die Bürger:innen in der Standortgemeinde verteilt werden. Der frühere Referentenentwurf sah jeweils doppelt so hohe Zahlungen von 0,2 Ct/kWh für Kommunen und Bürger:innen vor. Als Richtschnur gibt der aktuelle Entwurf ein Maximum von 0,3 Ct/kWh für die Summe der Zahlungen an Bürger:innen und Kommunen vor.
Freilich dürfte die tatsächliche Vereinbarung in vielen Fällen für Solarparks diesen Maximalrahmen ausschöpfen. Denn das BüGem in MV ist nun ausdrücklich so angelegt, dass eine freiwillige Zahlung nach dem bundesweiten EEG mit den Pflichtzahlungen auf Landesebene verrechnet werden kann. Somit können Solarkraftwerksbetreiber sich bis zu 0,2 Ct/kWh für jede nach EEG vermarktete Kilowattstunde mittels EEG-Umlage vom Netzbetreiber erstatten lassen, sofern sie diesen Betrag direkt an die Kommune zahlen. Hinzu kommt die verpflichtende Direktzahlung von 0,1 Ct an die Bürger:innen. In Summe ergibt dies eine Verhandlungsmasse von 0,3 Ct.
Für den Windbereich lautet die Empfehlung, wie es schon im Referentenentwurf vorgesehen war, dass zweimal 0,3 Ct/kWh jeweils an Kommune und Bürger:innen fließen soll. Diese von Branchenverbänden im Vorfeld stark kritisierte Höhe der Sonderabgabe ist jedoch nicht mehr in Stein gemeißelt. Vielmehr müssen sich Kommunen und der sogenannte Vorhabenträger auf eine konkrete Vereinbarung einigen. Der wirtschaftliche Wert von je 0,2 Cent für einerseits Kommune und andererseits Einwohnerschaft soll jedoch im Windbereich nicht unterschritten werden.
Mehr Freiraum für Verhandlungen
Erklärtes Ziel der Landesregierung aus SPD und Linken ist es, den Kommunen gegenüber den Wind- und Solarprojektierern viel mehr Verhandlungsfreiheit zu geben als bisher. Damit ehrenamtlich geführte Gemeinden mit den juristisch und betriebswirtschaftlich versierten Vorhabenträgern auf Augenhöhe verhandeln können, soll das Gesetz allerdings klare Leitplanken setzen.
Sehr einfach hat es, wer sich auf eines der im Gesetz ausformulierten Standardmodelle einigt. Für den Windbereich sind dies zwei. Modell 1 sieht eine Kombination von Zahlungen an Kommunen und Einwohner:innen vor. Letztere haben “entweder in Form von Gutschriften auf die Stromrechnung oder als Haushaltsdirektzahlung zu erfolgen. Die Beteiligung der Gemeinde soll durch Zahlung erfolgen.” Modell 2 entspricht im Wesentlichen dem Grundgedanken des Gesetzes von 2016, wonach die Kommune vom Vorhabenträger “eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung in Höhe von mindesten 10 Prozent oder den Kauf einer oder mehrerer Windenergieanlagen” angeboten bekommt. Die Modalitäten dieser Beteiligung einschließlich einer Haftungsbeschränkung sind im Gesetzentwurf näher ausgeführt. Die Einwohner:innen sind auch nach diesem zweiten Modell über Direktzahlungen oder Strompreisgutschriften zu beteiligen.
Weniger Beteiligung pro kWh für Solarparks
Auch für Solarparks ist ein Standardmodell vorgesehen, das dem schlichten Modell 1 für den Windbereich entspricht. Wobei die Beteiligungshöhe bei der Photovoltaik nur bei jeweils 1 Ct/kWh für Kommune bzw. Einwohner:innen liegen soll. Ein Standardmodell mit einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der Kommune ist für Solarparks zwar im Gegensatz zu Windparks nicht vorgesehen. Nichtsdestotrotz kann darüber weitgehend frei zwischen Kommune und Vorhabenträger verhandelt werden.
Für Windparks wie für Solaranlagen schlägt der Gesetzentwurf eine Reihe von Alternativen zu den Standardmodellen vor. Ausdrücklich genannt werden unter anderem Beteiligungen über eine Genossenschaft, Zuwendungen an eine lokale Stiftung oder gemeinnützige Vereine mit Sitz in den beteiligungsberechtigten Kommunen, vergünstigte Stromtarife für Einwohner:innen. Aber es sind auch andere Optionen zugelassen. Voraussetzung ist lediglich, dass der wirtschaftliche Wert der Zahlungen für Windparks zwischen 0,2 und 0,6 Ct/kWh bzw. für PV-Anlagen zwischen 0,1 und 0,3 Ct/kWh liegt. Wohl nicht ganz ausgeschlossen, aber auch nicht mehr ausdrücklich im Gesetzestext erwähnt sind übrigens sogenannte “Sparprodukte”, die als einzige Form der Bürgerbeteiligung das Gesetz seit dem Jahr 2016 geprägt hatten.
Sollte innerhalb eines Jahres nach abschließender Genehmigung des Projektes bzw. im Falle von Solaranlagen nach Beschluss des Bebauungsplans keinerlei Einigung zwischen Kommunen und Vorhabenträger zustande kommen, so fließen die entsprechenden Abgaben vorerst in Form einer Ersatzbeteiligung an das Land. Allerdings lässt sich dies revidieren, falls es im Nachhinein doch noch zu einem Vertragsschluss zwischen der Kommune und dem Vorhabenträger oder dessen Rechtsnachfolger kommt.
Ersatz-Beteiligung nicht als Pönale
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Ersatzbeteiligung entgegen früheren Plänen der Landesregierung nicht – quasi als Pönale – höher ausfällt als die Standardmodelle. Für Windparks liegt deren Niveau mit nur 0,3 Ct/kWh sogar unterhalb des Standardmodells. Damit will man offenbar vermeiden, dass Kommunen die Beteiligungsregelung missbrauchen können, um durch wirtschaftlichen Druck unbeliebte Windenergieprojekte zu verhindern.
Die Vorhabenträger haben künftig spätestens zwei Wochen, nachdem ihr Genehmigungsantrag vollständig eingereicht bzw. ein Bebauungsplan öffentlich ausgelegt ist, den Gemeinden ein Angebot zu unterbreiten und in Verhandlungen zu treten. Für Solarprojekte verbessert auch dies die Stellung der Kommunen im Vergleich zu den bisherigen Regelungen. Denn nach § 6 EEG durften Kommunen entsprechende Vereinbarungen über eine finanzielle Beteiligung erst nach dem Beschluss über einen Bebauungsplan schließen, um Bestechung bzw. Bestechlichkeit auszuschließen. Im Entwurf der Gesetzesbegründung für Mecklenburg-Vorpommern heißt es nun: “Die Planungen zum Bebauungsplan sind zum Zeitpunkt der Öffentlichkeitsbeteiligung bereits soweit gemeindeintern vorangeschritten, dass nicht mehr von einer Einflussnahme ausgegangen werden kann. Zugleich wird mit dieser frühzeitigen Möglichkeit der Verhandlung auch der Aspekt der wirtschaftlichen Folgen für die Gemeinde bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan berücksichtigt.”
Berechtigte Gemeinden in 2,5 km Umkreis
Sind bislang nach dem Landesgesetz von 2016 Kommunen, deren Gemeindegebiet im Umkreis von 5 Kilometern um eine Windenergieanlage tangiert ist, beteiligungsberechtigt, so soll sich dieser Radius künftig auf 2,5 Kilometer verkleinern. Damit wird die Landesregelung an das bundesweite EEG angeglichen. Für Solarparks gelten die Regelungen nur für das Gebiet der unmittelbaren Standortgemeinden – auch dann, wenn die Freiflächenanlage unmittelbar an die Nachbargemeinde grenzt.
Ausnahme für Agri-PV
Vom Gesetz ausnehmen möchte die Landesregierung die sogenannten “besonderen” Solaranlagen, also Agri-, Floating-, Moor- und Parkplatz-PV. Sie begründet diese Ausnahme einerseits mit wirtschaftlichen Zwängen, unter denen diese Anlagen stünden. Andererseits heißt es in der Gesetzesbegründung: “Es kann derzeit nicht mit Sicherheit von einer Konfliktträchtigkeit solcher Anlagen ausgegangen werden, welche eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Gesetzes rechtfertigen würde.”
Wenn es dabei bliebe, wäre dies freilich ein Affront für viele Kommunen. Denn gerade im Nordosten sind viele Projektierer – auch aufgrund der begrenzten Flächenkulisse für klassische PV-Freiflächenanlagen – zwecks Flächensicherung mit einer Agri-PV-Variante im Gepäck unterwegs.
Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH | www.solarthemen.de