Betreiber von Solar-, Wind- und Batterieparks klagen schon lange und in zunehmendem Maße über unangemessene Wartezeiten im Zusammenhang mit Netzanschlussanfragen. Doch das Problem betrifft längst auch andere Branchen. So berichtet Wolfgang Saam vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) über Erhebungen eines großen Immobilienunternehmens, wonach deutschlandweit bei dessen zahlreichen Photovoltaik-Mieterstromprojekten zwischen Fertigstellung der Anlagen und dem Netzanschluss im Schnitt ein Dreivierteljahr vergehe. Saam: “Es dauert im Durchschnitt über alle Bundesländer 278 Tage, dass diese Anlage auf dem Dach liegt und nicht am Netz ist und kein Geld verdient.” Der Spitzenwert in einem Bundesland habe bei sagenhaften 501 Tagen gelegen.
Fehlende Prioritäten beim Netzanschlüssen
Über “Frustration” beim Thema Netzanschluss berichtet auch Fynn-Willem Lohe, Geschäftsführer des Kamin- und Ofenherstellers Leda im ostfriesischen Leer. Das Unternehmen betreibt dort eine Gießerei, deren Schmelzofen es bislang extrem klimaschädlich mit Koks befeuert. Lohe: “Wir verbrauchen in einem normalen Jahr um die 1000 Tonnen Koks. Das sind ungefähr 2200 Tonnen CO2, die emittiert werden.” Lohe würde lieber heute als morgen in eine Elektro-Schmelze investieren und diese mit dem in Ostfriesland reichlich erzeugten Grünstrom betreiben. Doch die erforderliche zusätzliche Anschlussleistung von 7 Megawatt (MW) stelle der zuständige Netzbetreiber EWE frühestens für 2032 nach Erweiterung eines Umspannwerks in Aussicht. Nach Darstellung des Leda-Geschäftsführers verfüge EWE an diesem Anschlusspunkt zwar noch über Reserven im Umfang von 40 MW, diese hätten sich allerdings im letzten halben Jahr potenzielle Betreiber von Großbatterien (BESS) gesichert.
Die mangelnde Netzanschlusskapazität konterkariere den Klimaschutz, meint Lohe, wenn diese verhindere, dass sein Unternehmen am Standort Leer 80 Prozent seines CO2-Ausstoßes vermeiden könne. Und dies während häufig Windenergieanlagen und sogar Biogasanlagen in seiner ostfriesischen Nachbarschaft im Zuge von Redispatch-Maßnahmen teuer abgeschaltet würden. Das Problem liege in diesem Fall nicht im Übertragungsnetz beziehungsweise daran, dass “Herr Markus Söder diese Leitung nicht in Bayern haben möchte”, sagt Lohe leidenschaftlich: “Wir kriegen es ja selber vor der eigenen Haustür nicht hin. Und das ist wirklich unfassbar frustrierend.”
Verbandsappell für Reform der Netzanschlüsse
Aus Sicht der 13 Verbände, die den Appell “Zugang zu Stromnetzen sichern – Zukunft ermöglichen” unterzeichnet haben, müssen die vielfach geschilderten Probleme systematisch angegangen werden. Anstelle der aktuellen Windhundverfahren bei Netzanschlussbegehren, bei denen jeder der deutschlandweit 866 Netzbetreiber seinen eigenen Regeln folgt, fordern die Verbände: “Es braucht ein Reservierungsverfahren mit verbindlichen Fristen für die Erbringung von Meilensteinen. Diese sind gemeinsam mit den Anschlussnehmerbranchen zu entwickeln.”
Hier seien auch die Gesetzgeber gefragt, so der Appell: “Bund und Länder sowie die Bundesnetzagentur müssen verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört die Verankerung der Energiewendekompetenz in der Anreizregulierung.”
Letzterer Hinweis könnte bei Netzbetreibern einen empfindlichen Nerv treffen, nämlich den Geldbeutel. Er ist wohl so zu verstehen: Das von der Bundesnetzagentur für das Monopol der Stromnetze ausgestaltete Steuerungsinstrument der “Anreizregulierung” solle künftig auch die Beiträge der jeweiligen Netzbetreiber zur Energiewende stärker berücksichtigen. Bislang ist die Anreizregulierung eher darauf ausgerichtet, für jeweils fünf Jahre den finanziellen Rahmen für einen möglichst effizienten Netzbetrieb zu setzen. Deshalb spielen Kritiker:innen mitunter auf planwirtschaftliche Instrumente wie realsozialistische Fünfjahrespläne an, wenn es um die Investitionslogik in deutschen Stromnetzen geht. Denn im monopolisierten Netzbetrieb wird letztlich vom Anreizregulierer – der Bundesnetzagentur nach Vorgaben des Gesetzgebers – auch der Rahmen für die Wirtschaftlichkeit von Netzausbaumaßnahmen und damit für deren Art und Tempo gesetzt.
Flexible Netzanschluss-Verträge sind kein Gamechanger
Was das Tempo von Netzanschlüssen von Erneuerbare-Energie-Anlagen und Speichern betrifft, so hatte bereits die Ampelregierung im Schlusspurt der Legislaturperiode Anfang 2025 zwei wesentliche Neuerungen eingeführt, die Druck vom Kessel nehmen sollten. Doch die Möglichkeit zur sogenannten “Überbauung” von Netzanschlüssen und die Option, zwischen Anlagen- und Netzbetreiber “flexible Netzanschlussverträge” zu schließen, scheinen nach dem Eindruck des bne bislang wenig genutzt zu werden.
“Flexible Netzanschlussverträge sind ja auch nur eine Notlösung”, betont Nadine Bethge, Leiterin Neue Energiesysteme beim bne. Zudem fehle es auch hier wieder an verbindlichen Standards für alle 866 Netzbetreiber: “Jeder hat einen anderen Anschlussvertrag und unterschiedliche Vorgaben.” Bethge kann immerhin auf einen von der Fachagentur Wind und Solar angestoßenen Prozess verweisen, in dem die Beteiligten einen Mustervertrag für die Überbauung von Netzverknüpfungspunkten erarbeiten wollen. Hier solle es bis zum Januar ein Ergebnis geben.
Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH | www.solarserver.de