WBGU: Klimaschutzziele deutlich höher als bisher setzen

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) fordert in seinem Sondergutachten „Über Kioto hinaus denken: Klimaschutzstrategien für das 21. Jahrhundert“ wesentlich ambitioniertere Klimaschutzziele.  In dem Gutachten, das anlässlich der Mailänder Klimakonferenz den Bundesministern Edelgard Bulmahn (BMBF) und Jürgen Trittin (BMU) übergeben wurde, stellt der WBGU fest, dass gefährliche Klimaänderungen nur noch vermeidbar sind, wenn […]

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) fordert in seinem Sondergutachten „Über Kioto hinaus denken: Klimaschutzstrategien für das 21. Jahrhundert“ wesentlich ambitioniertere Klimaschutzziele.  In dem Gutachten, das anlässlich der Mailänder Klimakonferenz den Bundesministern Edelgard Bulmahn (BMBF) und Jürgen Trittin (BMU) übergeben wurde, stellt der WBGU fest, dass gefährliche Klimaänderungen nur noch vermeidbar sind, wenn der vom Menschen verursachte Ausstoß von Kohlendioxid bis 2050 global um etwa 45-60% gegenüber 1990 gesenkt werden kann. Dies bedeute, dass die Industrieländer ihren Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um mindestens 20% verringern müssen. Bis 2012 haben sie sich dazu verpflichtet, die Emissionen bezogen auf 1990 um 5% zu reduzieren.

Nur noch 1,4 °C weitere Erwärmung tolerierbar

Der zur Vermeidung gefährlicher Klimaänderungen verbleibende Spielraum hat sich laut WBGU in den vergangenen Jahren weiter verringert. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung weist darauf hin, dass nur noch eine globale Erwärmung um weitere 1,4 °C tolerierbar sei. Seit Beginn der Industrialisierung habe sich die globale Mitteltemperatur bereits um 0,6 °C erhöht. Ab einer Erwärmung um mehr als 2 °C (und einer Änderungsrate von mehr als 0,2 °C pro Jahrzehnt) würden gefährliche Klimaänderungen sehr wahrscheinlich. Ohne eine konsequente Klimaschutzpolitik werde diese Grenze im 21. Jahrhundert überschritten. Zu den Folgen gefährlicher Klimaänderungen zählt der WBGU beispielsweise zunehmende Gesundheitsgefährdungen durch Ausbreitung von Malaria, eine erhöhte Gefahr von Ernteausfällen in der Landwirtschaft, die Verknappung von Süßwasser durch Häufung von Dürren oder den Beginn einer Kaltphase im atlantisch-europäischen Raum durch den Ausfall des Golfstroms.

Verpflichtungen gerecht gestalten

Globale Klimaschutzpolitik sei ohne baldige Einbindung aller Länder nicht möglich, so der WBGU. Der Einstieg der Entwicklungsländer in Verpflichtungen zur Emissionsbegrenzung muss nach Ansicht des WBGU so gestaltet werden, dass sie ihr Recht auf Entwicklung wahrnehmen können. Dies bedeute, eine vorübergehende Zunahme ihrer Emissionen zuzulassen. Gleichzeitig müssten die Industrieländer ihren Anteil am globalen Kohlendioxidausstoß weiter senken. Dieser für beide Seiten stetige Prozess soll im Jahr 2050 zu einer Angleichung ihrer Pro-Kopf-Emissionen führen.

Keine Alternativen zum Kioto-Prozess

Für eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik sei aber auch die baldige Ratifizierung des Kioto-Protokolls durch Russland erforderlich. Angesichts der zahlreichen Aktivitäten zum Klimaschutz in einzelnen US-Bundesstaaten und des sich aus der Klimaschutzpolitik ergebenden innovativen wirtschaftlichen Potentials sei zudem mittelfristig wieder mit der Unterstützung der USA zu rechnen. Der WBGU betont, dass aufgrund mangelnder Alternativen jedes Infragestellen des Kioto-Protokolls die globale Klimaschutzpolitik um Jahre zurückwerfen und die Vermeidung gefährlicher Klimafolgen äußerst erschweren würde.

Gesondertes Protokoll für natürliche Kohlenstoffvorräte aushandeln

Um zu verhindern, dass weitere wertvolle Kohlenstoffvorräte verloren gehen, ist laut WBGU eine Eindämmung der Entwaldung und der damit verbundenen Emissionen dringend erforderlich. Das im Kioto-Protokoll vereinbarte Anrechnungsverfahren für biologische Quellen und Senken von Treibhausgasen ist nach Ansicht des WBGU nicht geeignet, Anreize zum Erhalt der für den Klimaschutz wichtigen Ökosysteme zu geben. Der WBGU empfiehlt daher zusätzlich eine vom Kioto-Protokoll getrennte Vereinbarung zum Erhalt natürlicher Kohlenstoffvorräte auszuhandeln. Um extreme Preissprünge auf dem Markt für Emissionsrechte zu glätten und damit Unsicherheiten abzufedern, empfiehlt der WBGU, dem Emissionshandel eine „Klimazentralbank“ beiseite zu stellen. Ohne verlässliche Emissionsberichte der Länder seien ein zielgenauer Klimaschutz und ein funktionsfähiger Emissionshandel nicht machbar. Daher sollten nur solche Länder Emissionsrechte verkaufen können, deren Treibhausgasinventare hohen Qualitätsanforderungen genügen.

Klimaschutz mit globaler Nachhaltigkeitspolitik verzahnen

Um das Klimaschutzziel zu langfristig niedrigen Kosten erreichen zu können, müsse die Klimaschutzpolitik mit globaler Struktur- und Entwicklungspolitik verzahnt werden. Die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sei eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche globale Klimaschutzpolitik. Dazu empfiehlt der WBGU, den Technologietransfer zu verstärken und die Märkte für Produkte aus Entwicklungsländern weitestgehend zu öffnen. Dieser Entwicklungsprozess wird sowohl die Kosten des Klimaschutzes langfristig senken als auch zu geringerem Bevölkerungswachstum beitragen.

21.12.2003   Quelle: WBGU

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