SPD-Politiker Berg: Atomkraftbetreiber spielen mit unserem Leben

Die aktuellen Berichte über eine vertrauliche Studie zur Sicherheit von Atomanlagen vor terroristischen Angriffen decken laut Dr. Axel Berg „unglaubliche“ Versäumnisse der Betreiber und ihrer Kontrolleure auf. „Der alte Atommeiler Isar 1 vor den Toren Münchens ist eine Lebensgefahr für ganz Oberbayern“, warnt der stellvertretende energiepolitische Spreche der SPD-Fraktion im Bundestag in einer Pressemitteilung. Berg […]

Die aktuellen Berichte über eine vertrauliche Studie zur Sicherheit von Atomanlagen vor terroristischen Angriffen decken laut Dr. Axel Berg „unglaubliche“ Versäumnisse der Betreiber und ihrer Kontrolleure auf. „Der alte Atommeiler Isar 1 vor den Toren Münchens ist eine Lebensgefahr für ganz Oberbayern“, warnt der stellvertretende energiepolitische Spreche der SPD-Fraktion im Bundestag in einer Pressemitteilung. Berg fordert den Betreiber E.ON auf, die Restlaufzeit von Isar 1 auf Isar 2 zu übertragen.  Bis heute hätten E.ON und die Bayerische Staatsregierung trotz besseren Wissens nichts unternommen, rügt Berg. Die Gefahr eines Terroranschlages auf deutsche Atomkraftwerke sei seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wissenschaftlich aufgearbeitet worden, so Berg. Die Bundesregierung habe die Ergebnisse an die zuständigen Länderaufsichtsbehörden weitergegeben, damit diese mit den Betreibern Maßnahmen ergreifen. „Passiert ist bis heute nichts“, stellt Berg fest.

Der Befund ist für Berg eindeutig. Das bayerische Atomkraftwerk Isar 1 verfüge über keine explizite Auslegung gegen einen Flugzeugabsturz. Die Altanlage mit einer 80-100 Zentimeter dicken Stahlbetonhülle könne nicht einmal dem Absturz einer 20 Tonnen schweren Militärmaschine standhalten, wie es die aktuellen Sicherheitsvorschriften erforderten. Nach diesen Vorschriften seien die zehn neuesten deutschen Atomkraftwerke ausgelegt, darunter auch Isar 2. Einem vollgetankten Passagier-Jumbo mit 400 Tonnen wären auch deren 200 Zentimeter dicke Wände nicht gewachsen. Nach den meisten Szenarien, die nach Aufprallort und Geschwindigkeit unterscheiden, würde eine menschlich und technisch nicht mehr kontrollierbare Kernschmelze folgen – der Super-GAU, noch schlimmer als Tschernobyl, mahnt Berg.

Die Anschläge des 11. September seien nun zweieinhalb Jahre her. „Zeit genug, möchte man meinen, gegen eine solchen Horrorvorstellung etwas zu unternehmen. Der Isar 1-Betreiber E.ON rührt keinen Finger“, so Berg. Der einzige bisher bekannt gewordene Vorschlag der Großkraftwerksbetreiber bei einem Angriff sei die Verhüllung des Gebäudekomplexes durch Nebelkerzen. Diese Technik sei heimlich in der Lüneburger Heide erprobt worden, ihre Wirksamkeit werde von Experten ernsthaft bezweifelt. Axel Berg: „Peinliche Idee. Vielleicht wollen E.ON und Co. als nächstes Halbmonde auf die Atommeiler installieren, damit sie ein muslimischer Terrorist im Flugzeug mit einer Moschee verwechselt und deshalb nicht angreift?“

Berg sieht nur zwei Möglichkeiten, wie sich die Passivität der Betreiber erklären lässt: entweder seien die Unternehmen völlig ratlos und fänden kein Schutzmittel, oder sie hätten gar kein Interesse daran, weil das Geld kosten würde. Doch dafür gebe es eigentlich die steuerfreien Rückstellungen in Milliardenhöhe. Diese hätten die Konzerne aber längst in andere Geschäfte investiert. Der dem Schutz der Bürger verpflichtete Staat könne diese Verantwortungslosigkeit nicht mehr länger durchgehen lassen: „Ich fordere E.ON auf, die Restlaufzeit von Isar 1 auf Isar 2 zu übertragen. Und Umweltminister Schnappauf soll endlich seine Pflicht erfüllen und Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung erarbeiten, sonst muss er gehen!“, heißt es in der Presseerklärung des SPD Politikers.

Eine wirkungsvolle Maßnahme zur Reduzierung des Risikos liegt laut Berg längst auf dem Tisch: in einem Entschließungsantrag zum Atomausstiegsgesetz vom 12.12.01 habe Rot-Grün im Bundestag die Maxime „Sicherheit zuerst“ bekräftigt und einen Übertrag der Restlaufzeiten von alten auf neuere Atommeiler gefordert, wie sie der Atomkonsens vorsieht. Die damit verbundene Verlängerung der Laufzeiten über das Jahr 2030 hinaus bereite zwar Atomkraftgegnern Bauchschmerzen. Doch vor dem Hintergrund der Terrorgefahr sie dies politisch als zweitrangig zu bewerten. Die rot-grüne Bundesregierung stehe nach wie vor hinter dem Ausstiegskonsens. „Unsäglicher ist die Geldgier der Atomlobby, alte abgeschriebene Zeitbomben als Gelddruckmaschinen weiterlaufen zu lassen“, greift Berg die Kraftwerksbetreiber an.

30.01.2004   Quelle: Dr. Axel Berg (MdB)

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