Öko-Institut: Vorwürfe gegen die Nutzung von Ökostrom-Zertifikaten sind unzutreffend und gehen am eigentlichen Problem vorbei

Seit einigen Tagen wird in den Medien eine intensive Debatte zum Thema Ökostrom geführt. Die Diskussion wurde ausgelöst durch die Meldung des Spiegels „Stromanbieter verkaufen Atomstrom als Ökostrom“ vom 5. Januar 2008. Im Mittelpunkt steht dabei zum einen die Frage, unter welchen Bedingungen Ökostrom aus ökologischer Perspektive zu empfehlen ist. Zugleich wurde die Verwendung von […]

Seit einigen Tagen wird in den Medien eine intensive Debatte zum Thema Ökostrom geführt. Die Diskussion wurde ausgelöst durch die Meldung des Spiegels „Stromanbieter verkaufen Atomstrom als Ökostrom“ vom 5. Januar 2008. Im Mittelpunkt steht dabei zum einen die Frage, unter welchen Bedingungen Ökostrom aus ökologischer Perspektive zu empfehlen ist. Zugleich wurde die Verwendung von Ökostromzertifikaten des RECS-Systems in der Stromwirtschaft kritisiert. Das Öko-Institut ist seit neun Jahren in der Zertifizierung von Ökostrom tätig und überwacht zugleich die Regeln des RECS-Systems in Deutschland. „Entscheidend für die Bewertung von Ökostrom-Angeboten ist, ob sie den Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien und umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung tatsächlich erhöhen“, sagt Veit Bürger vom Öko-Institut. Christof Timpe, Koordinator des Bereichs Energie & Klimaschutz, ergänzt: „Diese Frage ist unabhängig davon, ob Zertifikate für den Nachweis des Ökostroms eingesetzt werden. Die aktuellen Vorwürfe gegenüber der Nutzung von Zertifikaten sind eine Scheindebatte und verstellen den Blick auf die eigentliche Herausforderung: Ökostromangebote so auszugestalten, dass sie den Ausbau von erneuerbaren Energien wirksam fördern.“

Ökostrom muss zum Ausbau der Erneuerbaren beitragen und transparent bereitgestellt werden

Das Öko-Institut begrüße, dass diese Frage wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestellt werde, heißt es in der Pressemitteilung. Zu empfehlen seien solche Stromangebote, die den Bau neuer Kraftwerke zur Nutzung erneuerbarer Energien und der umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung wirksam fördern. Durch die neuen Anlagen werde fossile und atomare Stromerzeugung verdrängt und somit ein Beitrag zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit geleistet. Andere Produkte, bei denen Kunden lediglich aus bereits bestehenden Anlagen beliefert werden, hätten dagegen keinen Nutzen für die Umwelt. Um den Verbrauchern im Strommarkt eine Orientierung bei der Wahl eines Ökostrom-Angebots zu geben, hat das Öko-Institut zusammen mit dem WWF Deutschland und der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bereits im Jahr 2001 das Gütesiegel „ok-power“ entwickelt. Derzeit sind 16 Produkte von 13 Anbietern mit diesem Label ausgezeichnet. „Sie alle tragen zum Ausbau der erneuerbare Energien bei und sind uneingeschränkt empfehlenswert“, so das Öko-Institut. Das ok-power-Gütesiegel habe unter den deutschen Ökostrom-Labels die anspruchsvollsten ökologischen Kriterien und zertifiziere zugleich die größte Strommenge, betont Veit Bürger.
Mehrere deutsche Stadtwerke haben in den letzten Monaten wesentliche Teile ihrer Stromversorgung auf erneuerbare Energien umgestellt. Dies wird den Kunden im Rahmen der für alle Stromversorger verpflichtenden Stromkennzeichnung ausgewiesen. Diese Umstellungen sind laut Öko-Institut in erster Linie als symbolischer Akt und als Bekenntnis zu erneuerbaren Energien sowie gegen Atomkraft und Kohlekraftwerke zu werten. Aus Kostengründen basiere die Strombeschaffung jedoch in der Regel auf bereits existierenden Anlagen. Ein Ausbau der erneuerbaren Energien sei damit derzeit nicht verbunden. Er würde erst dann stattfinden, wenn die Ökostrom-Nachfrage das Angebot auf europäischer Ebene übersteigt. Auch bei diesen Stromversorgern gelte deshalb, dass Kunden, die einen Beitrag zum Umweltschutz leisten wollen, zu einem Anbieter von Ökostrom mit dem ok-power-Label wechseln sollten.

Christof Timpe. „Es kommt darauf an, aus welchen Anlagen der Stromanbieter die Zertifikate erwirbt“
Die heftige Kritik, die an der Verwendung von Ökostromzertifikaten wie RECS durch Stromanbieter geübt wird, entbehre dagegen einer sachlichen Grundlage, kontert das Öko-Institut. Diese Zertifikate stellten zuverlässige Herkunftsnachweise für Strom aus erneuerbaren Energien dar und trügen wesentlich dazu bei, eine Doppelvermarktung von Ökostrom zu verhindern. Andere Nachweisverfahren seien weniger zuverlässig und europaweit nicht standardisiert, so dass Fehler zu Lasten der Ökostrom-Kunden leichter auftreten könnten. Die Zertifikate könnten genutzt werden, um Ökostrom-Angebote mit Ausbauwirkung für erneuerbare Energien zu realisieren, aber auch für Stromangebote ohne diesen Umweltnutzen. „Die von verschiedenen Seiten aufgestellte Behauptung, dass Ökostrom auf Basis von Zertifikaten generell keinen Nutzen für die Umwelt darstelle, ist schlichtweg falsch“, sagt Christof Timpe. „Es kommt darauf an, aus welchen Anlagen der Stromanbieter die Zertifikate erwirbt“, so Timpe weiter.
Auch der Vorwurf, dass Stromversorger durch die Zertifikate ihren Atom- oder Kohlestrom in unzulässiger Weise in Ökostrom umetikettieren würden, treffe nicht zu. Wenn zum Beispiel ein deutsches Stadtwerk Zertifikate aus dem Ausland importiere, entspreche dies in seiner Wirkung der bisher üblichen Praxis des Austauschs von Strom. Dabei importiere das Stadtwerk Wasserkraftstrom und exportiere gleichzeitig Strom aus Kohle- oder Atomkraftwerken, der dann im Partnerland mit diesen Merkmalen gekennzeichnet werden muss. Dieser Vorgang sei nach den national und international gültigen Regeln für die Stromkennzeichnung zulässig und wäre auch ohne die Nutzung von Zertifikaten möglich. „Entscheidend für die ökologische Bewertung ist wiederum, ob beim Bezug der Zertifikate auf die Förderung von neuen Kraftwerken aus erneuerbaren Energien geachtet wird“, sagt Veit Bürger.
Aufgrund der „deutlich besseren Zuverlässigkeit und Transparenz“ empfiehlt das Öko-Institut der Stromwirtschaft die Verwendung von Zertifikaten des europaweiten European Energy Certificate System (EECS), das derzeit das RECS-System ablöst, als Herkunftsnachweise für Ökostrom. Dies gelte sowohl innerhalb Deutschlands wie auch im grenzüberschreitenden Handel von Strom. „Die Verwendung von EU-weit harmonisierten Herkunftsnachweisen trägt dazu bei, dass die Ökostrom-Kunden noch besser als bisher vor Doppelvermarktung geschützt werden“, sagt Christof Timpe. „Eine wichtige Aufgabe der Umwelt- und Verbraucherverbände ist es, die Verbraucher darüber aufzuklären, dass nur solcher Ökostrom zu empfehlen ist, der neue Anlagen fördert. Das ok-power-Gütesiegel trägt hierzu maßgeblich bei. Darum empfehlen wir Verbrauchern Ökostromangebote zu wählen, die mit diesem Siegel zertifiziert sind“, so Timpe abschließend.

Ein Hintergrundpapier mit weiterführenden Erläuterungen kann von der Website des Öko-Instituts heruntergeladen werden: http://www.oeko.de/hintergrund_oekostrom.

09.01.2008 | Quelle: Öko-Institut e.V. | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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