Erhard Renz: Offener Brief zur Degression bei der Solarstromvergütung

Erhard Renz, Öffentlichkeitsarbeiter für Solarenergie und Initiator einiger großer Photovoltaikanlagen, plädiert in einem offenen Brief an Bundestagsmitglieder mehrerer Fraktionen für eine Änderung des Zeitpunktes, an dem die Degression der Solarstromvergütung greift. Außerdem schlägt der Solar-Experte neue Lösungen zur Photovoltaik-Förderung vor. Der Solarserver veröffentlicht den Brief als Solar-Standpunkt 1 /2010.

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin seit ca. 10 Jahren mit Vorträgen zur Solarenergie unterwegs. Seit zwei Jahren habe ich mich von meinem langjährigen Arbeitgeber Daimler getrennt und bin nur noch als Öffentlichkeitsarbeiter für Solarenergie unterwegs. Zusammen mit meinen Freunden der Fa. Ralos konnte ich so spektakuläre Photovoltaikanlagen wie 2005 die weltgrößte Photovoltaikanlage in Betrieb nehmen oder die wohl längste Photovoltaikanlage der Welt auf der A3-Einhausung mit 2,7 km Länge realisieren sowie viele andere Photovoltaikanlagen planen, verkaufen und montieren. 2008 und 2009 haben wir weit mehr als tausend PV-Anlagen ans Netz gebracht. Bei den Gesprächen bezüglich der Solar-Förderung werden zwar die Hersteller mit Ihnen an einem Tisch sitzen, die Montagefirmen bleiben aber anscheinend außen vor.
Erlauben Sie mir deshalb ein paar Worte zum Photovoltaikmarkt und der derzeitigen Einspeisevergütung zu schreiben.
Ich musste jahrelang in Vorträgen vor allem den ökologischen Nutzen einer Photovoltaikanlage in den Vordergrund stellen. Dies hat sich in den letzten zwei Jahren gravierend verändert. Jetzt sind die ökonomischen Werte einer Investition in Photovoltaik gefragt. Parallel zu dieser Entwicklung haben der Ausbau von Fabriken und Montagekapazitäten stattgefunden. Inzwischen deckt die Photovoltaik ca. 1 % der deutschen Stromproduktion ab. Die Photovoltaik wird plötzlich als relevant wahrgenommen. Hinter diesem einen Prozent stehen ca. 500.000 Photovoltaikanlagen deutschlandweit. Da die Photovoltaik im Betrieb ohne Abgase, ohne Geräusche, ohne Bewegung auskommt und selbst die Energie von der Sonne direkt vor Ort geliefert wird, empfinden die Photovoltaikanlagenbesitzer diese Energiegewinnung äußerst positiv. Sie werben in ihrem persönlichen Umfeld für diese Art der Stromgewinnung. Wir, die Solarbranche, haben 500.000 Außendienstmitarbeiter, die unser Produkt weiterempfehlen.Zu diesem Massenmarkt hat sich die Branche mit vielen Problemen technischer Verfügbarkeit hochgearbeitet. Am Anfang fehlte das Silizium, dann fehlten Module, dann waren es zu viele Module und momentan fehlen Einzelteile für die Wechselrichter-Produktion. Der Branche fehlt einfach eine Basis um die kommenden weltweiten Entwicklungen abschätzen zu können. Eines scheint klar zu sein, technisch geht ein sehr schneller Ausbau der Photovoltaik. Obwohl wir immer nur als klein und mickrig dargestellt wurden.
Zu dieser äußerst positiven Entwicklung, kam 2009 noch der Wahlkampf in Deutschland und der bewusst herbeigeführte Markteinbruch durch die spanische Regierung in Spanien hinzu. Wie sollte da noch eine vernünftige Disposition vorgenommen werden?
"Gekauft wird, was geliefert werden kann"
Im Wahlkampf zeichnete sich durch die Äußerungen von CDU/CSU und FDP ab, dass die Vergütung stärker als geplant reduziert würde, wenn diese Parteien die Mehrheit erhalten. Dies hat in der Solarbranche eine ungeahnte Nachfrage in der zweiten Hälfte 2009 ausgelöst. Hatten die Solarfabriken im ersten Halbjahr noch mit Kurzarbeit zu kämpfen, waren plötzlich Überstunden und Schichten rund um die Uhr angesagt. Dass die im Sept. gewählte Regierung nicht schnell handeln konnte, war vielen klar und die angekündigten Gespräche mit der Solarbranche lassen alle davon reden, ab 1.7.2010 wird es eine weitere Degression geben. Dies hat zur Folge, dass der Boom nach Photovoltaikanlagen Anfang 2010 ungebremst anhält. Derzeit sind Wechselrichter Mangelware nur weil ein paar Zulieferteile nicht geliefert werden können. Der Kunde wird vor allem von der Angst getrieben,  er könnte ein Schnäppchen (Hohe Rendite auf 20 Jahre) verpassen. Gekauft wird, was geliefert werden kann. Qualität kann sich in solch einem Umfeld nicht entfalten.Rasche Entscheidung erforderlich
Ich schreibe Sie deswegen an, weil Sie an den Entscheidungen zur Einspeisevergütung 2010 beteiligt sind. Die Solarbranche braucht eine langfristige Basis, auf die sich die einzelnen Firmen verlassen können. Welche Firma wird (trotz des derzeitigen Booms) Mitarbeiter einstellen, wenn die Gefahr besteht, ab Juli 2010 wird es mit Aufträgen eng? Welche Bank wird neue Fabriken finanzieren, wenn der langfristige Absatz nicht gewährleistet ist? Welcher Kunde wird sich auf das zweite Halbjahr vertrösten lassen, wenn die Gefahr besteht, dass seine Rendite um mehrere Prozent geringer ist? Welcher junge Mensch wird einen Lehrberuf ergreifen, bei dem er nicht weiß, ob er eine Zukunft in seiner Heimat hat? Wir brauchen deshalb eine schnelle Entscheidung, wie es ab dem 1.7.2010 weitergeht.
Degression im Sommer, nicht zum Jahresende
Mein persönliches Anliegen zur Einspeisevergütung betrifft nicht die  Höhe der Vergütung, sondern den Zeitpunkt der Einspeise-Degression. Ich konnte in den letzten beiden Jahren erlebe,n wie am Ende des Jahres bei miesestem Wetter unsere Monteure früh morgens auf die Baustelle fahren und unter widrigsten Bedingungen Photovoltaikanlagen installiert haben. Da ich schon mehrere Anläufe genommen habe, den Degressions-Termin zu ändern, kenne ich auch die mageren Gegenargumente. Wir sollten besser planen, unsere Monteure müssten natürlich die Sicherheitsvorschriften beachten und bisher wäre es doch immer so gewesen und keiner hat sich beschwert. Bei einem Verschieben der Degression vom 31.12. auf den 30.6. eines jeden Jahres würde sich die Situation am Jahresende entspannen.
Ich habe drei Kundentypen kennengelernt.
Diejenigen, die sich dem Thema Photovoltaik annehmen, sich einmal informieren und in kürzester Zeit die Investition tätigen oder eben nicht. Dieser Kundentyp kann verplant werden, da sich immer mehr Menschen für Photovoltaik interessieren und irgendwann jeder Häuslebesitzer sich diese Frage stellt. Dieser Kundentyp kommt gleichmäßig verteilt über das Jahr und stellt kein Problem dar.
Dann gibt es diejenigen, die am Jahresende aufgrund eines guten Geschäftsjahres (oder guter Ernte) dazu entschließen, unbedingt  noch in diesem Jahr eine Photovoltaikanlage aus steuerlichen Gründen zu bauen. Diesen Kundentyp gibt es ebenfalls jedes Jahr aufs Neue aber eben am Ende des Jahres. Diese Kunden investieren in größere Objekte, meist Flachdächer oder Freiflächen, bei denen die Jahresend-Problematik (schlechtes Wetter) zumindest kein gesundheitliches Risiko für die Montagemitarbeiter darstellt.
Als letztes habe ich diejenigen Kunden identifiziert, die sich gut (sehr gut) informieren und bei mehreren Firmen ein Angebot einholen. Danach unschlüssig sind und die Entscheidung hinauszögern. Bis das Datum der Einspeise Vergütungs-Degression vor der Tür steht. Dann wird schnell noch versucht, den Auftrag unter Dach und Fach zu bringen. Wir, die Firmen die diesen Interessenten ja bereits ein Angebot unterbreitet haben, möchten natürlich diesen Auftrag auch annehmen. Leider füllt sich unser Auftragsbuch am Jahresende viel zu schnell. Denn die Natur sorgt dafür, dass wir im Winter nur an wenigen Stunden des Tages installieren können. Ganz zu schweigen von den Temperatur-Bedingungen und den äußeren (Schnee und Eis auf dem Dach) Einflüssen. Dieses Kundenpotential würde ich gerne vom Jahresende in die Jahresmitte schieben.
Höhere Qualität niedrigere Installationskosten und kontinuierliche Auslastung der Solarfabriken
Bei einem Degressionszeitpunkt von 30.6. spielt uns die Natur in die Hände. Die Tage werden länger und die Temperaturen angenehmer. Es liegt auf der Hand, dass die Qualität höher, die Installationskosten niedriger sind wie bei einer Montage im Winter. Durch eine erhöhte Nachfrage im ersten Halbjahr wird es eine kontinuierliche Auslastung der Solarfabriken geben. Alle drei Vorteile müssten Ziele einer verantwortungsvollen Förderpolitik der Photovoltaik sein.
Degression mit Mengendeckel
Deshalb möchte ich Sie ermuntern, den Degressionszeitpunkt nicht nur in 2010 auf den 30.6., sondern auch in Zukunft auf den 30.6. zu legen. Eine jährliche Degression reicht aus. Die Branche kann nicht ständig veränderte Einspeisevergütungssätze kommunizieren. Damit trotzdem eine angemessene Degression über einen längeren Zeitraum definiert werden kann, schlage ich eine Degression mit Mengendeckel vor. Dieser Mengendeckel wurde bei der letzten EEG-Novelle bereits praktiziert, allerdings war es nur ein fixer Deckel und kein variabler. Zur Veranschaulichung:

Diese Deckelung (EEG 2009) sollte greifen wenn entweder mehr oder weniger Photovoltaikanlagen (Leistung) installiert werden wie von der Politik und Branche vorhergesehen.

Wenn weniger als 1.000 MW installiert worden wären, hätte sich die Degression um 1 % reduziert und anstelle 8 % wäre die Einspeisevergütung nur um 7 % verringert worden.
Umgekehrt: wenn mehr als 1.500 MW installiert werden, soll sich die 8 % Degression um 1% auf 9 % erhöhen. Es wird also davon ausgegangen, dass durch die bundesweite Installation von 500 MW eine Kostenreduktion bei der Herstellung und Installation von 1 % erreicht werden kann.

Wenn man sich diese Formel genauer ansieht, könnte ich sie auch so definieren. Bis 1.000 MW gibt es eine Degression von 7 %, wenn mehr installiert wird, erhöht sich die Degression um ein weiteres Prozent und dies jeweils nach weiteren 500 MW. Im EEG 2009 wurde diese Formel "nur" bis 1.500 MW weiter festgeschrieben. Diese Deckelung müsste aufgehoben werden und in 500 MW Schritten um ein weiteres Prozent erhöht werden.

Beispiel: 
bis 1.000 MW– 7%
bis 1.500 MW– 8%
bis 2.000 MW– 9%
bis 2.500 MW– 10%
bis 3.000 MW– 11%
bis 3.500 MW– 12%
usw. 

 

Wenn ich diese Logik auf die 2009 berechneten/installierten MW (ca. 3.000 MW?) anwenden würde, käme ich auf eine Degression von 11-12 %. Also ca. 2 – 3% mehr als zum 1.1.2010 bereits reduziert wurde.

Ausgehend von diesen Überlegungen möchte ich folgendes vorschlagen:
Zum 31.12.2009 ermittelt die Bundesnetzagentur den tatsächlichen PV Leistungs-Zubau laut Meldungen an die Bundesnetzagentur in 2009. Nach der obigen Formel wird die Degression ermittelt. Da bereits 9 %  zum 1.1.2010 reduziert wurden, muss diese Degression beim Reduktionsfaktor für den 1.7.2010 berücksichtigt werden. Diese Vergütung bleibt dann ein Jahr lang gültig und wird zum 1.7.2011 nach dem gleichen System nur mit anderen Installations-Werten ermittelt. Aus meiner Sicht diskutierbar wären für den 30.6.2011:

bis 2.000 MW– 7%
bis 2.500 MW– 8%
bis 3.000 MW– 9%
bis 3.500 MW– 10%
bis 4.000 MW– 11%
bis 4.500 MW– 12%
usw. 

Wenn am 31.12.2010 die Einspeisewerte ab dem 30.6.2011 und damit bis 30.6.2012 feststehen, kann die Politik eine neue Degressionstabelle beschließen. Damit bleibt allen genügend Zeit, sich auf diese neuen Einspeisevergütungen einzustellen. Ich möchte nochmals betonen, dass die Reduzierungs-Prozentsätze nicht meine Kernkompetenz sind. Die Systematik einer "Sommerlichen" Degression wollte ich allerdings unbedingt in die Debatte einbringen.
Einspeisevergütung von 39,14 Cent je kWp für Anlagen bis 10 kWp beibehalten
Für die Installationsfirmen und die vielen Endkunden wäre eine speziellere Förderung von Kleinanlagen bis 10 kWp sinnvoll. Diese Photovoltaik-Anlagen haben eine Größe von maximal 80 Quadratmetern und profitieren nicht so stark von den Preisreduzierungen der Photovoltaikmodule. Für solche "Kleinanlagen" entstehen die gleichen Vertriebs-, Finanzierungs-, Planungs-, Anfahrts- und Gerüstkosten wie bei größeren Anlagen. Die Kleinanlagen sind das "tägliche Brot des Handwerks". Allerdings sind bei diesen Anlagen die Renditen für die Häuslebesitzer bei weitem nicht so hoch wie bei den Anlagen bis 30 kWp (oder größer), die oft auf kleinen Hallen oder landwirtschaftlichen Gebäuden entstehen. Aber gerade die Anlagen bis 10 kWp sind in der Lage, den Strombedarf der Bewohner des Gebäudes zu decken und deshalb sehr wichtig beim zukünftigen Energiemix. Diese Menschen müssen unbedingt weiterhin motiviert werden Photovoltaikanlagen zu bauen. Ich möchte Ihnen deshalb nahe legen, die Klasse bis 30 kWp zu splitten und eine Klasse bis 10 kWp einzuführen. Bei der Klasse bis 10 kWp sollten Sie den Einspeisepreis von 39,14 Cent je kWp zum 1.7.2010 nicht reduzieren.

Zum Schluss möchte ich Sie noch bitten, zu überlegen ob es nicht sinnvoll wäre, für die Installation an einer Fassade wieder eine erhöhte Vergütung anzubieten. Dies müsste die schlechteren Erträge einer senkrechten Montage ausgleichen. Die Photovoltaikbranche braucht aber diese Flächen um den Druck von den Freiflächen zu nehmen.

Ich würde mich freuen, wenn meine Anregungen Ihnen bei der Findung einer allgemein tragbaren Photovoltaik-Degression behilflich waren.

Mit sonnigen Grüßen
Erhard Renz

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