Solar-Interview zur Entwicklung der Strompreise und die Kosten und Risiken von Atomstrom

Willi Wohlfart, Geschäftsführer der SUNWORX-Solar GmbH in Lauf, ärgert sich über Medienberichte zur Entwicklung der Strompreise und kritisiert irreführende Behauptungen zum billigen Atomstrom. Angesichts der staatlichen Subventionen für Atomstrom fordert Wohlfart eine faire und gleichartige Berechnung der Stromkosten. Das Solar-Interview wurde kurz vor den verheerenden Reaktorkatastrophen in Japan geführt. Was sagen Sie zu dem Argument, […]

Willi Wohlfart, Geschäftsführer der SUNWORX-Solar GmbH in Lauf, ärgert sich über Medienberichte zur Entwicklung der Strompreise und kritisiert irreführende Behauptungen zum billigen Atomstrom.
Angesichts der staatlichen Subventionen für Atomstrom fordert Wohlfart eine faire und gleichartige Berechnung der Stromkosten.
Das Solar-Interview wurde kurz vor den verheerenden Reaktorkatastrophen in Japan geführt.

Was sagen Sie zu dem Argument, dass Solarenergie bzw. die erneuerbaren Energien im Allgemeinen Ursache für steigende Strompreise sind?
Wohlfart: Die Stromkosten steigen nicht wegen der erneuerbaren Energien bzw. der Solarenergie, sondern weil die Stromkonzerne die Preissenkungen der letzten Monate nicht an die Stromverbraucher weitergegeben haben.
Vergleicht man die Strompreissteigerungen für Endverbraucher mit der Entwicklung der EEG-Kosten, ist kein Zusammenhang erkennbar. Während die Strompreise von 2000 bis 2009 um fast 9 Cent pro Kilowattstunde erhöht wurden, stieg der EEG-Anteil daran nur um einen einzigen Cent. Und selbst die für 2010 und 2011 absehbaren Preiserhöhungen gehen weit über den EEG-Aufschlag hinaus.
Wer hier ohne Rücksicht auf Verluste verdient, das sind die großen Stromkonzerne. Die Attacken gegen Ökostrom machen nur für sie wirklich Sinn. Käme der Ausbau der erneuerbaren Energien zum Erliegen, hätten die Stromkonzerne Ihre Marktmacht für die Zukunft wieder einmal gesichert.

Ist Atomstrom wirklich billiger als Strom aus erneuerbaren Energien?
Wohlfart: Lassen Sie mich das so erklären. Drei Generationen Atomstromnutzer hinterlassen so viel Atommüll, dass tausende Generationen danach ihn bezahlen und, was noch schlimmer ist, ihn verwalten bzw. endlagern müssen. Diese utopischen Kosten kommen auf uns alle zu. Nur, weil sie nicht direkt auf den Strompreis aufgeschlagen werden, heißt es noch lange nicht, dass wir diese Rechnung nicht zahlen müssen.
Bei der ganzen Stromkostendiskussion wird die Tatsache, dass Kohle- und Atomstrom mit Milliarden Steuergeldern subventioniert wurden und werden, einfach unter den Tisch gekehrt! Allein in Deutschland kostete die Nutzung der Atomenergie die Bürger im Zeitraum 1950 bis 2010 mindestens 204 Milliarden Euro an staatlichen Fördermitteln, wie in einer Greenpeace-studie errechnet wurde. (Greenpeace-Studie Green Budjet Germany (GBG)-Forum ökologisch-soziale Makrtwirtschaft e.V. (Fös) aktualisiert Oktober 2010 (gpurl.de/Studie_Atomsubventionen))
Das heißt, dass jede Kilowattstunde Atomstrom mit mindestens 4,3 Cent subventioniert wird. Mehr als doppelt so viel also, wie die Förderung der erneuerbaren Energien über das EEG derzeit ausmacht!
Viele Anlagen der erneuerbaren Energien wären bereits heute ohne Förderung konkurrenzfähig, wenn es für die Strompreise eine faire und gleichartige Berechnung gäbe.

Atomstrom, Laufzeitverlängerung für AKW und erneuerbare Energien, halten Sie das für eine sinnvolle Symbiose?
Wohlfart: Aber nein, Atomstrom ist immer hinderlich für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das liegt vor allem daran, dass Atomkraftwerke nicht flexibel sind. Man kann sie nicht einfach ein bisschen laufen lassen, wenn der Bedarf zu bestimmten Zeiten niedrig ist. Sie produzieren immer gleichbleibend viel Energie. Bisher werden in der EU Windräder oft zu Spitzenzeiten gestoppt, um den Zugang der herkömmlichen Kraftwerke zu gewährleisten, wie aus einer Greenpeace-Studie hervorgeht.
Die ganze Diskussion um Atomstrom geht auch äußerst selten auf die zunehmende Gefahr katastrophaler Unfälle ein. Selbst wenn nur ein kleiner Teil Radioaktivität freigesetzt wird,  hat das verheerende Folgen für die betroffene Region. Für lange Zeiträume müssten große Landstriche evakuiert werden. Das Ausmaß einer menschlichen und ökonomischen Katastrophe ist unvorstellbar. Dass man in der Atomdebatte diese Gefahren nicht sehen will, erklärt sich einfach: Es geht um sehr viel Geld.
Die Heinrich-Böll-Stiftung hat sich die Mühe gemacht und die satten Gewinne einmal berechnet. „Für die älteren – und in den nächsten Jahren zur Stilllegung anstehenden – Atomkraftwerke ergeben sich ‚Zusatz‘-Erträge von durchschnittlich 200 bis 300 Mio. Euro jährlich, für die neueren Anlagen summieren sich die jährlichen Zusatzerträge auf 300 bis 400 Mio. Euro.“SUNWORX-Solar Test-und Entwicklungszentrum am Hohen Bogen im Bayerischen Wald


Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Energiegewinnung durch Kohle?
Wohlfart: Der Kohleabbau rafft ebenso ganze Landstriche dahin, Dörfer und Gemeinden müssen weichen – eine Flächenverwüstung ohnegleichen. Von CO2 gar nicht gesprochen, und dafür dann auch noch den Kohlepfennig?

Welchen Nutzen bringt denn die Förderung der erneuerbaren Energien durch das EEG für unser Land und für den Verbraucher?
Willi Wohlfart:
–          Ein wichtiger Punkt ist, dass wir unabhängiger werden von außereuropäischen Energieträgerimporten, unabhängiger z. B. von Öl und Gas. Es könnte uns egal sein, wenn die Russen einmal wieder den Gashahn zudrehen.
–          Diese Unabhängigkeit kann Energiekonflikte und auch Kriege verhindern!
–          Der Ersatz von fossilen und nuklearen Brennstoffen durch erneuerbare Energien verringert den CO2-Ausstoß und Unmengen von Atommüll.
–          Klimapolitisch gibt es keine Alternative zu den Erneuerbaren. Wenn wir unseren Kindern eine lebenswerte Welt erhalten möchten, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien zügig voran gehen.
–          Und ganz nebenbei entstehen in dieser jungen Branche neue Berufe,  der Bedarf an Mitarbeitern wächst ständig. SUNWORX-Solar hat allein hier in Lauf 25 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Wie kann nun der Normalbürger von den erneuerbaren Energien profitieren?
Wohlfart: Die einfachste Lösung stellt hier eine Solarstromanlage dar. Schon auf 45 Quadratmetern Dachfläche werden 4.000kWh erzeugt, die komplette Haushaltsenergie einer vierköpfigen Familie. Es sind junge Familien, die an die Zukunft denken und verstanden haben, dass wir eine dezentrale, unerschöpfliche und umweltfreundliche Energieversorgung brauchen. Unseren Kindern zuliebe setzten sie auf saubere Energie und somit auf saubere Technologie!
Sonnenenergie ist der einfachste Weg für den Normalbürger, „energieunabhängig“ zu werden.

Wie wird aber der Bürger mit weniger Kapital und ohne eigenes Häuschen unabhängig in diesem Sinne? Oder ist die so genannte Energieunabhängikeit nur den Besserverdienenden vorbehalten?
Wohlfart: Wer keine eigene Solaranlage bauen kann oder möchte, hat die Möglichkeit, sich an einer Anlage zu beteiligen und bekommt auf diese Weise auch ein Stück Energieunabhängigkeit. Die Solartechnologie hat den Vorteil einer sehr hohen Lebensdauer. Bei Beteiligungen im privaten und auch industriellen Bereich ist dies mit ein Grund für hohe Renditen.
Wenn die so genannten Besserverdienenden ihr Geld für Solar- und Windanlagen ausgeben, dann sollten wir uns mit ihnen freuen. Ohne die privat errichteten Anlagen gäbe es heute keine praktischen Alternativen zu Atom- und fossilen Kraftwerken!Wie stehen Sie zu Großprojekten wie z. B. Desertec, dem Strom aus der Wüste?
Wohlfart: Nun sei einmal dahingestellt, wie sinnvoll im Sinne von Klima- und Umweltschutz Großprojekte dieser Art sind. Die Entfernung zum Verbraucher ist ein Wahnsinn. Was mich darüber hinaus an solchen Projekten stört ist, dass hier wieder einmal die großen Stromkonzerne investieren, um auch zukünftig ihre Monopolstellung zu halten und die Preise diktieren zu können. Der kleine Mann kommt nicht zum Zug. Ihm präsentiert man nur wieder die Rechnung.
Ihr Fazit?
Wohlfart: Die Sonne bietet uns 15.000-mal mehr Energie als wir brauchen, scheint kostenlos und umweltfreundlich! Wir schützen nicht nur unser Klima und unsere Umwelt mit Hilfe der erneuerbaren Energien, das Geld bleibt auch im Lande. Jeder Cent schafft hier Arbeitsplätze. Die wichtigste Aufgabe der Industrie in diesem Zusammenhang ist die Entwicklung von Speichermöglichkeiten.

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