Interview mit Thorsten Herdan (BMWi): Förderung neu denken

Solarthemen 429. Thorsten Herdan ist neuer Abteilungsleiter für „Energiepolitik: Wärme und Effizienz“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Bis vor zwei Monaten war er Geschäftsführer im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Ganzheitlich Denken nennt er als Devise, um Effizienz zur zweiten Säule der Energiewende zu machen und Erneuerbare im Wärmebereich stärker zu profilieren. Neue Finanzierungsinstrumente könnten eine Rolle spielen.

Solarthemen: Sie arbeiteten vorher in einem Wirtschaftsverband. Was nehmen Sie mit ins Ministerium?

Thorsten Herdan: Jede Menge Erfahrung, wie die Wirtschaft tickt. Wir müssen noch stärker dafür sorgen, dass die Energiewende mit Wirtschaftswachstum einhergeht. Wir brauchen das Verständnis der Wirtschaft dafür, was im politischen Raum gedacht und gemacht wird. Wunschvorstellungen der Wirtschaft passen häufig nicht mit den Realitäten der Politik zusammen. Das gilt genauso in der anderen Richtung. Beispielsweise sind Amortisationszeiträume für Effizienzmaßnahmen jenseits von drei Jahren in der Industrie nur sehr selten zu realisieren. Da würde es nichts nützen, diese Wirtschaftsrealität nicht anzuerkennen. Vielmehr muss um Verständnis geworben werden, dass ein Unternehmen Investitionen in ein „Nicht-Kern-Geschäft“ nur dann tätigt, wenn die Amortisationszeiträume sehr kurz sind.

Vorher war vor allem Strom Ihr Thema. Nun leiten Sie die neue Abteilung „Energiepolitik – Wärme und Effizienz“. Was reizt Sie daran?

Persönlich hat mich die neue Konstellation, also die Bündelung der Energieverantwortung im Wirtschaftsministerium, stark angesprochen. Die Möglichkeiten, bestimmte Themen um­­zu- ­setzen, sind größer als in der Vergangenheit, als viel Zeit in die Abstimmung von zwei, drei oder gar vier Ressorts ging. Wir haben jetzt das Heft des Handelns in der Hand. Meine Abteilung ist viel breiter gefächert als der Titel Effizienz und Wärme vermuten lässt. Sie ist stark integriert mit der Abteilung „Strom und Netze“ von Urban Rid. Sie müssen sich das sehr integrativ vorstellen. In meiner Abteilung ist zum Beispiel die gesamte Energieforschung der Bundesregierung untergebracht, die nicht nur Effizienz- und Wärmethemen beforscht, sondern natürlich auch alle Themen rund um die Stromerzeugung, seien es Erneuerbare oder konventionelle Kraftwerke. Bei Urban Rid liegt die Verantwortung für die EU- Energiepolitik. Das beinhaltet neben den Zielen für die Erneuerbaren natürlich auch die Ziele für die Energieeffizienz. Übrigens gibt es bei mir auch das Referat für Kernenergie und das Kohlereferat.

Kohle, Kernenergie, Erneuerbare – wo setzen Sie ihre Schwerpunkte?

Wir haben zwei Schwerpunkte: Einerseits die integrative Betrachtung der Energiewende, d.h. dass wir eben nicht nur an die Stromerzeugung oder gar nur an Erneuerbare denken. Und andererseits wollen wir die Energieeffizienz zum zweiten Standbein der Energiewende machen. Der gleichzeitige Ausstieg aus der Kernenergie und der Ausbau der erneuerbaren Energien wird ohne erhebliche Erfolge bei der Energieeffizienz nicht gelingen. Nicht umsonst haben wir klare Ziele für die Reduktion der CO2-Emissionen, den Ausstieg aus der Kernenergie, den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Reduktion des Energieverbrauchs. Diese Ziele sind nicht isoliert zu betrachten oder zu erreichen. Das wird nur durch ein ganzheitliches Denken und entsprechendes Handeln funktionieren. Zu diesem Ziel haben wir vor einigen Wochen unsere 10-Punkte-Energie-Agenda vorgelegt.

14 Prozent erneuerbare Wärme bis 2020. Glauben Sie, dieses Ziel der Bundesregierung ist noch zu erreichen?

Wir haben uns Ziele gesetzt, weil wir sie erreichen wollen, nicht um sie in Frage zu stellen. Wir sind im Moment bei rund neun Prozent. Aber ich glaube auch hier muss man die Dinge stärker integral betrachten. Wir haben mit der Energieeinsparverordnung und mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz zwei Instrumente, die wir uns in dieser Legislaturperiode genau anschauen werden. Erstens: Wie sieht die Wirkungsweise dieser Instrumente für sich allein aus? Zweitens: Wo gibt es Überlappungen? Man muss auch prüfen, wie diese beiden Instrumente mit dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm und dem Marktanreizprogramm zur Nutzung erneuerbarer Energien zusammenpassen. Bei all dem wäre es falsch, wenn man nur Erneuerbare betrachtet. Gerade im Gebäudesektor ist es sinnvoller zu überlegen, wie man vernünftige Kombinationen erreicht, z.B. zwischen Solar­thermie, Dämmung und Gebäudetechnik. Diesen integrativen Ansatz stellen wir nach vorne.

Laut der 10-Punkte-Energie-Agenda ihres Hauses soll eine „ganzheitliche Gebäudestrategie“ entwickelt werden. Wird es EnEV und EEWärmeG danach überhaupt noch getrennt geben?

Das müssen wir mal sehen. Erstmal haben wir den klaren Auftrag, diese Regelungen zu evaluieren und abzugleichen. Eins steht fest: Wir sind jetzt in der Lage, den ganzheitlichen Blick darauf zu werfen und dann daraus auch Schlussfolgerungen zu ziehen.

Wie wird Ganzheitlichkeit organisiert?

Wir haben dazu zwei Plattformen eingerichtet. Erste Ergebnisse werden in den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz einfließen, den wir im November im Kabinett verabschieden wollen, sowie in die spätere Überprüfung von EnEV und EEWärmeG.

Beim Strom hat es die Regierung sehr eilig. Werden auch bei der Wärme in dieser Legislaturperiode gesetzgeberische Vorhaben zu Ende gebracht oder geht es hier erstmal nur um Strategien und Aktionspläne?

Es geht definitiv um beides. Unser Ziel ist es, das Thema Gebäude nach vorn zu bringen. Es ist aber unrealistisch zu glauben, innerhalb von drei Jahren das Ei des Kolumbus erfunden, ausgebrütet und der Öffentlichkeit präsentiert haben zu können. Aber wir müssen an bestimmte Gesetze ran. Dabei werden wir beides tun – aber ohne Hektik und mit der nötigen Sorgfalt. Ich kann mir vorstellen, dass wir gerade in den Bereichen Finanzierung und Beratung weiter vorankommen können. Was wir sicherlich nicht tun werden, ist das Füllhorn der Ordnungspolitik über die Gesellschaft und die Wirtschaft auszuschütten.

Im Haushaltsentwurf für 2015, den das Kabinett gerade verabschiedet hat, sind in den Bereichen Wärme und Effizienz keine neuen Impulse bei den Förderprogrammen zu erkennen, oder?

Der Haushaltsentwurf, der Koalitionsvertrag und die übergeordnete Linie der schwarzen Null in der Haushaltspolitik sind bekannt. Es gibt bestimmte Spielräume, denn im Rahmen eines Haushaltes kann und muss man überlegen, wo Prioritäten vielleicht durch Umschichtung anders gesetzt werden können. Auch die Problematik des Energie- und Klimafonds und die Entwicklung der CO2-Preise sind bekannt. Es wird mittelfristig notwendig sein, über einen funktionierenden Emissionshandel auch den EKF wieder entsprechend in Fahrt zu bringen. Gleichwohl ist es uns gelungen, das CO2-Gebäudesanierungsprogramm auf hohem Niveau zu verstetigen. Aber es wäre falsch zu sagen, Energieeffizienz funktioniere nur mit Geld. Es wäre zu simpel, zu sagen, man braucht ein Wärmegesetz oder ein Energieeffizienzgesetz, das in Form von finanziellen Spritzen einen Markt entstehen lässt. Ein solcher Markt wäre nicht nachhaltig, da die finanziellen Mittel immer von anderen aufgebracht werden müssten. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Wir können aber dazu beitragen, viele Hemmnisse zu verringern – ich nenne nur das Mieter-Vermieter-Dilemma. Sicherlich werden wir auch über die Unterstützung für Leuchtturmprojekte und Einführungsprogramme Nachahmer motivieren können. Wir müssen neue Instrumente entwickeln, die einen Mix aus Fördern, Fordern und Aufklären darstellen. Je weniger wir das Ordnungsrecht bemühen müssen und je mehr wir den Gewinn durch die Energieeffizienz in den Vordergrund stellen, desto intelligenter sind diese Instrumente.

Seit langem tobt der Streit, ob Ordnungsrecht oder finanzielle Anreize im Bereich der Gebäudesanierung geeigneter sind. Nun sagen Sie, beides sei nicht das Mittel der Wahl. Sondern?

Nehmen Sie als Beispiel ein intelligentes Finanzierungsinstrument, das dafür sorgt, dass die zukünftigen Gewinne aus Energieeffizienzmaßnahmen in Liquidität der Gegenwart zur Finanzierung dieser Maßnahmen umsetzt. Das können Sie im Bereich der privaten Haushalte machen, das können Sie auch im industriellen Bereich machen. Hier ist noch viel Kreativität möglich und notwendig – auch beim Thema neue Finanzierungsinstrumente, die ergänzend zu direkten Zuschüssen oder verbilligten Krediten denkbar wären. Energieeffizienz ist dann gegeben, wenn unter dem Strich mehr herauskommt, als reingesteckt wurde. Eine entscheidende Frage wird sein, wie die Gewinne aus Energieeffizienzmaßnahmen in Liquidität für die Investition und die Finanzierung dieser Maßnahmen transferiert werden kann.

Können Sie das noch etwas konkreter erklären? Was ist mit Projekten, die sich trotz Förderung nicht in wenigen Jahren amortisieren? Dies wird ja etwa bei solarer Prozesswärme so sein.

Versetzen Sie sich in ein Unternehmen, das in drei Jahren seine Ausgaben für Effizienzmaßnahmen wieder reinholen möchte, weil es dadurch keine Qualitätsverbesserung erzielt und auch nicht mehr Absatz schafft. Dann müssten Sie als Vorstandsvorsitzender dafür sorgen, dass Sie Geld bekommen, das in Ihrer Kreditlinie nicht auftaucht. Wenn Sie einen Kredit bekommen und ihn für Effizienzmaßnahmen, beispielsweise eine große Solarwärmeanlage, verwenden, dann nutzt Ihnen das ja nicht sehr viel, da Ihre Kreditlinie belastet wird. Zusätzlich hätten Sie noch das Ausfallrisiko der Anlage. Beides hätten Sie zu betrachten. Nun bestehen bereits KfW-Programme und Bürgschaftsinstrumente, die auch für langfristige Energieeffizienzmaßnahmen eingesetzt werden können. Jetzt könnte man überlegen, ob diese Instrumente ausreichen oder verbessert werden könnten, z.B. um die Kreditlinie des Unternehmens nicht zu belasten und daher die Frage nach der kurzen Amortisationszeit obsolet zu machen. Natürlich sind das erst einmal nur Ideen. Hier prüfen wir genau, was angezeigt sowie rechtlich und beihilferechtlich in Europa zulässig ist. Und hier bauen wir auch auf die Unterstützung der Verbände und natürlich der Unternehmen und wünschen uns viele Ideen, um die wir im Rahmen der ersten Sitzungen der Plattformen gebeten haben.

Interview: Guido Bröer

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