Energiewende: Strategien für die Regionen

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Solarthemen 436. Die Energiewende basiert auf den Aktivitäten in den Regionen und Kommunen. Doch lokale Initiativen sind durch die bundesweit wirkenden Rahmensetzungen des Gesetzgebers verunsichert. Das zeigte sich in der vergangenen Woche auch beim Kongress „100 % Erneuerbare-Energie-Regionen“ in Kas­sel. Den Ausweg aus der erlebten Blockade sollen Geschäftsmodelle jenseits des EEG weisen.

Der Landkreis Fürstenfeldbruck habe sich schon im Jahr 2000 das Ziel gesetzt, bis 2030 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzusteigen, berichtet Alexa Zierl, die Vorsitzende von ZIEL 21, dem Zentrum Innovative Energien im Landkreis Fürstenfeldbruck. Dieser Wille zur Energiewende werde von einem sehr breiten Bündnis von Bürgern und Organisationen mitgetragen. Und sehr viele Projekte seien bereits realisiert worden. Zierl beklagt jedoch die Angst der Regierenden in Berlin und München: Die Angst, dass die Bürger es tatsächlich ernst meinten mit der Energiewende. Seit 2009 werde den lokalen und regionalen Initiativen ein Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine geworfen. So seien mit der Einschränkung von PV-Freiflächenanlagen bereits 2010 viele Bürgerprojekte zur Makulatur geworden. Genossenschaften und andere Bürgerinitiativen hätten sich dann der Windkraft zugewendet. Und zunächst sei dies nach Fukushima durch einen Windkrafterlass des Landes Bayern auch unterstützt worden. Doch als die Bürger das von der Landesregierung formulierte Ziel aufgriffen, die Windkraft stärker zu nutzen, sei wenig später von der Landesregierung die nun beschlossene neue Abstandsregelung „10H“ vorangetrieben worden. Als große Hindernisse auf Bundesebene macht Zierl u.a. das Kapitalanlagegesetzbuch aus. Und die mit dem novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eingeführte Belastung von Regenerativ-Strom mit der EEG-Umlage habe nur zum Zweck, Projekte zu verhindern, denn andererseits wirke sich diese „Sonnensteuer“ kaum mindernd auf die EEG-Umlage für alle Stromkunden aus. Regierung macht Probleme Die Motivation der Bundesregierung wird aus Sicht von Zierl besonders deutlich, wenn man sich die Prioritäten bei der Umsetzung des EEG ansehe. „Bei den Ausschreibungen ist der Gesetzgeber furchtbar schnell“, so Zierl, wobei dies für Bürgerprojekte keinen Vorteil bringe. Dagegen habe sich bei einer Verordnung für die regionale Grünstromvermarktung, für die es ebenfalls eine Ermächtigung gebe, noch gar nichts getan. Mut zur Veränderung Martin Hoppe-Kilpper, Geschäftsführer des Kompetenznetzwerks dezentrale Energietechnologien (deENet) e.V. und des Instituts dezentrale Energietechnologien (IdE) gGmbH, beklagt, der Politik sei der Mut zur Veränderung abhanden gekommen. Die Energiewende sei auf die Strompreisdebatte reduziert worden. Die Befürworter dezentraler erneuerbarer Energien drängen mit ihren Argumenten kaum noch durch. „Unsere eigenen Kreise sind verunsichert“, so Hoppe-Kilpper. Stattdessen konzentriere sich die Regierung auf das Ausschreibungsmodell.„Dem stehen wir skeptisch gegenüber“, sagt Hoppe-Kilpper. Das Instrument habe sich bislang nur als teuer und ineffizient erwiesen. In dieser Situation sieht Hoppe-Kilpper den Kongress in Kassel als einen Beitrag positiver Gegenöffentlichkeit. Er weist auf ein Kommuniqué für die dezentrale Energiewende hin, das in einigen Workshops mit insgesamt mehr als 3000 Teilnehmern im Vorfeld des Kongresses erarbeitet worden sei. Darin wird auf den Erfolg der Energiewende und die Bedeutung der Aktivitäten in den Kommunen und Regionen hingewiesen. Mit dem Kommuniqué sollen einerseits Bundes- und Landespolitiker an wichtige Ziele der Energiewende erinnert werden. Andererseits soll es der Selbstvergewisserung der lokalen Akteure dienen. Noch genug Potenzial Es sei wichtig, sich den Begriff der Energiewende wiederzuholen, sagt Zierl: „Den hat man uns vor ein paar Jahren geklaut.“ Dabei käme lokalen Initiativen eine wichtige Rolle zu. Denn es gelte, die Energiewende wieder positiv zu besetzen, sie zu feiern und die Erfolge vor Ort zu zeigen. Für Bertram Fleck (CDU), den Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises, zeigt sich der Gewinn der dezentralen Energieversorgung jeden Tag aufs Neue. Die Verbesserung der Energieeffizienz, der Bau von Nahwärmenetzen und die Installation von Solar- und Windkraftanlagen trügen enorm zur regionalen Wertschöpfung in seinem Kreis bei. Auch er sehe die Verunsicherung, betone aber: „Jetzt erst recht.“ Es gebe noch genug Potenzial. Zierl sagt , die kommunale Energiewende sei an dem Punkt angekommen, wo sie erwachsen werden könne. „Wir können und müssen das hinbekommen, auch wenn uns die Regierung nicht mehr unterstützt.“ Im Saal des Kasseler Kongress Palais, in dem sich einige hundert Teilnehmer des 100-Prozent-Kongresses versammelt haben, erntet sie mit dieser Ansage großen Applaus. Zierl scheint auszusprechen, was viele Vertreter von Kommunalverwaltungen und -parlamenten, von Forschungsinstitutionen, Unternehmen und lokalen Initiativen offenbar denken. Auf der einen Seite die zentrale Regierung, die mit Macht an Kohlekraftwerken festhalten will, auf der anderen Seite die dezentrale Energiebewegung, die allen Widerständen zum Trotz an neuen Geschäftsmodellen arbeiten will. Eines dieser Modelle ist die Bürgerwerke e.G., in der sich bislang 22 Bürgerenergiegesellschaften zusammengeschlossen haben. „Wir müssen den nächsten Schritt von der Erzeugungs- zur Versorgungsgenossenschaft ge­hen“, sagt Felix Schäfer, Vorstand der Bürgerwerke e.G. Die meisten Genossenschaften seien reine Energieerzeuger, die damit vom EEG abhängig seien. Erst eigene Kunden würden aber für mehr Unabhängigkeit sorgen. Ziel der vor rund drei Monaten gegründeten Bürgerwerke ist es, den Strom der angeschlossenen Genossenschaften direkt zu vermarkten. Dabei, so Schäfer, solle die sonstige Direktvermarktung gewählt werden, um dem Strom den grünen Herkunftsnachweis zu bewahren. Bei der geförderten Direktvermarktung werde zwar eine Marktprämie gezahlt, doch regenerativer Strom werde dann zu Graustrom. Ganz einfach ist dieses Modell aber nicht wirtschaftlich umzusetzen, denn auf den gelieferten Strom müssen alle üblichen Abgaben und derzeit auch die volle EEG-Umlage gezahlt werden. Die Bürgerwerke setzten daher auf eine Mischkalkulation: Ein größerer Teil des Stroms stammt aus einem deutschen Wasserkraftwerk, der ergänzt wird durch den Strom aus Anlagen im Bestand der Genossenschaften. Verordnung würde helfen Helfen würde dieser Initiative eine Verordnung zur regionalen Vermarktung von Grünstrom, die zumindest die EEG-Umlage auf den gelieferten Strom reduziert. Schäfer hält dies für gerechtfertigt, weil der gelieferte Solar- oder Windstrom ja auch aus dem EEG-Topf herausfalle und eine Entlastung in derselben Höhe angemessen sei. Die Bürgerwerke wollen jedoch nicht darauf warten und vermarkten schon jetzt ihren Grünstrom. Für die Bewerbung sorgen die Genossenschaften vor Ort, für die Abwicklung die Geschäftsstelle der Bürgerwerke. Ein bedeutsamer Teil der Wertschöpfung bzw. der Gewinne solle bei den einzelnen Genossenschaften verbleiben. Schäfer rechnet vor, dass ein paar hundert Stromkunden ausreichen würden, um vor Ort einen festangestellten Mitarbeiter zu beschäften. Angesichts der immer komplizierter werdenden Regelungen im Energiebereich und auf dem Kapitalmarkt sei die weitere Professionalisierung der Energiegenossenschaften ratsam. Erfolgreiche Modelle Eine Keimzelle für die Bürgerwerke ist die Heidelberger Energiegenossenschaft e.G. Deren Vorstand Nicolai Ferchl beschreibt die Versorgung von Mietern mit Solarstromanlagen, die auf den Dächern der Gebäude betrieben würden, als ein Geschäftsmodell. Dabei würde zwar die EEG-Umlage fällig, doch trotzdem sei diese Form der direkten Vermarktung für Genossenschaften mit geringen (Personal-)Kosten tragfähig. Wichtig sei hier aber weiterhin das EEG als finanzielle Absicherung, falls im schlimmsten Fall die Mieter den Strom nicht abnehmen würden. Dabei stelle das neue EEG keine Schlechterstellung dar, weil das Marktintegrationsmodell weggefallen sei und damit 100 Prozent des Solarstroms über das EEG vergütet werden könnten. Keine Option für eine Genossenschaft ist es aus Sicht von Ferchl, die Anlagen zu verpachten, weil dann die Gefahr drohe, unter die Regelungen des Kapitalanlagesetzbuches zu fallen und die damit geltenden aufwändigen Auflagen erfüllen zu müssen. Erste Projekte, die auf Wohngebäuden zur Mieterversorgung erfolgreich realisiert wurden, sehe die Genossenschaft als Bestätigung, berichtet Ferchl, Auch Anlagen zur Versorgung von Gewerbebetrieben seien wirtschaftlich machbar. Potenzial, so wurde auf dem Kongress deutlich, bieten aber auch weiterhin Windkraftanlagen sowie die installation von Nahwärmenetzen. So will etwa das Bioenergiedorf Jühnde seine Anlagen ausbauen. Und hier erfolgt dies sogar in enger Kooperation mit dem örtlichen Energieversorger EAM. Text: Andreas Witt, Foto: storm/fotolia.de

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