PV-Maschinenbau wittert Morgenluft

Solarthemen 455. Der in Deutschland stark vertre­tene Photovoltaik-Maschinenbau sieht wieder besseren Zeiten entgegen. Nach dem massiven Ein­bruch der Geschäfte in den Jahren 2012 und 2013, der Konkurse und Übernahmen zur Folge hatte, füllen sich nach der aktuellen Umfrage des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) nun wieder die Auftragsbücher.

Für die kommenden Jahre erwarten die Auguren der PV-Banche eine regelrechte neue Investitionswelle, die im Jahr 2017 ihren Höhepunkt erreichen könnte. So jedenfalls prognostiziert es die Arbeitsgruppe PV-Produktionsmittel im VDMA, die sich bei ihrem Trendszenario auf die Prognosen führender Marktforschungsinstitute wie IHS und Viridis.iQ stützt. „Ich bin davon überzeugt, dass wir vor einer neuen Investitionsphase stehen, aber ich bin vorsichtig, dies zu quantifizieren“, sagt Florian Wessendorf, Geschäftsführer der VDMA-Arbeitsgruppe. Grundsätzlich sei es typisch für den Investitionsgüterbereich, dass die Umsätze stark zyklisch seien, erklärt der Verbandsmanager. „Diese starken Schwankungen sind für die Branche die größte Herausforderung. In unserem Bereich wird es auch künftig bei einer zyklischen Entwicklung bleiben. Wir hoffen allerdings, dass die Amplituden etwas geringer ausfallen als in den vergangenen Jahren.“ Extreme Wellen Denn die Branche ist ein gebranntes Kind. Vor vier Jahren schoss ihr weltweiter Umsatz nach den Zahlen der Verbände SEMI und VDMA auf das bisherige Rekordniveau: 13 Milliarden Dollar wurden 2011 weltweit für die Ausstattung von Photovoltaik-Fabriken ausgegeben – vor allem in China. Fast 3 Milliarden Euro von dem Kuchen landeten damals in den Kassen der deutschen Anlagenhersteller. Das Resultat waren weltweit gewaltige Überkapazitäten und in den Folgejahren ein Einbruch des Weltmarktes für PV-Maschinen auf ein Fünftel des Rekordniveaus. Erholt hat sich der deutsche PV-Maschinenbau von dieser Bauchlandung zwar noch nicht, doch stieg der Umsatz im Jahr 2014 immerhin erstmals wieder um 6 Prozent an. Aktuell stellen hierzulande etwa 80 Unternehmen PV-Equipment her und beschäftigen dafür laut VDMA noch rund 8000 Mitarbeiter. Heute dürfen sich diese ihrer Arbeitsplätze relativ sicher fühlen, wenn sie sich an der Mitgliederbefragung des VDMA orientieren (Grafik 1): Im zweiten Quartal 2015 registrierte die Industrie Auftragseingänge im dreifachen Volumen des vorherigen Quartals. „Die Auftragseingänge liegen im 1. Halbjahr 2015 fast schon auf dem Gesamtniveau des Vorjahres“, berichtet Wessendorf, der sich davon allerdings wenig überrascht zeigt: „Die tatsächlichen Umsatzzahlen sind bislang noch etwas schwächer, als wir erwartet hatten.“ Gut gefüllte Pipeline Gleichwohl kann die Industrie mit der Auslastung ihrer geschrumpften Kapazitäten durchaus zufrieden sein. Die so genannte Auftragsreichweite des Sektors beziffert der VDMA auf 6,0 Produktionsmonate. Im ersten Quartal war die Auftragspipeline noch einen Monat kürzer gewesen. Inzwischen liegt sie sogar über dem Durchschnittswert des gesamten Maschinen- und Anlagenbaus, der vom VDMA mit 5,9 Produktionsmonaten beziffert wird. „Schöne Aufträge“ Laut Axel Bartmann, Pressesprecher des baden-württembergischen Maschinenbauers Manz, konnte auch sein Unternehmen jüngst „einige schöne Aufträge“ im Bereich der Optimierung kristalliner PV-Zell-Linien verzeichnen. „Das Geschäft entwickelt sich positiv, allerdings auf ungleich niedrigerem Niveau als vor einigen Jahren“, warnt er jedoch vor überzogener Euphorie. Auch unterscheidet sich die Art der Aufträge aktuell deutlich von den Boomjahren. Trotz eines weltweit kontinuierlich wachsenden Marktes für Photovoltaikanlagen gibt es noch im­mer Überkapazitäten bei den Herstellern. Daher investiert die Industrie bislang noch nicht so sehr in ganz neue Linien. Vielmehr werden die bestehenden Linien auf- und umgerüstet. „Bei fast allen Investitionen geht es um die Optimierung und Umrüstung auf die PERC-Technologie“, berichtet Bartmann von den Erfahrungen der Manz AG und beschreibt damit einen Trend, den auch Wessendorf für die gesamte Branche bestätigt. PERC – das Kürzel steht für Passivated Emitter Rear Cell – ist eine seit vielen Jahren in den Laboren erforschte effizienzsteigernde Zelltechnologie, deren charakteristisches Merkmal eine neuartige passivierende Rückseitenbeschichtung ist. Ihr Plus in der aktuellen Marktsituation: Die neue Technologie lässt sich gut in bestehenden Zell-Linien nachrüsten. Monokristalline PERC-Zellen aus Industriefertigung bringen es aktuell auf über 20 Prozent Wirkungsgrad, bei multikristallinen Zellen werden 18,5 Prozent erreicht. Kostensenkung Obendrein ermöglicht die PERC-Technologie laut Anlagenhersteller Meyer Burger Kostensenkungen in den nachfolgenden Prozessschritten. Insgesamt beziffert Meyer Burger das Kostensenkungspotenzial seiner PERC-Technologie auf bis zu 5 US-Cent pro Wattpeak. Seine nach eigenem Bekunden gute Auftragslage verdankt die in der Schweiz beheimatete Unternehmensgruppe nicht zuletzt der Übernahme der Roth & Rau AG im sächsischen Hohenstein-Ernstthal vor vier Jahren. Das bis dahin von den Firmengründern geführte ostdeutsche Unternehmen war seinerzeit eines der ersten Opfer des weltweiten Investitionsstopps in der PV-Industrie. Es hat frühzeitig mit seinen Beschichtungsanlagen auf PERC gesetzt. Einer der Kunden ist die Solarworld AG, die als einer der ersten PV-Hersteller weltweit ihre Produktionsanlagen konsequent auf PERC um­­rüs­tet. Am 1. September 2015 wurde nun die ehemalige Roth & Rau AG unter dem Namen der Muttergesellschaft in Meyer Burger (Germany) AG umfirmiert und zugleich auf ihre Kernkompetenz im Solarbereich reduziert. Die Tochtergesellschaft Roth & Rau – Ortner GmbH, die auch für andere Branchen im Bereich der Prozessautomatisierung aktiv war, wurde an die HAP Holding GmbH verkauft. Laut der jüngsten, im Juli 2015 überarbeiteten International Technology Roadmap for Photovoltaic (ITRPV) wird PERC der bisherigen Zelltechnologie schon innerhalb der kommenden 5 Jahre den Rang abgelaufen haben (Grafik 2). Die ITRPV wird jährlich von einem Expertengremium aus Forschung und Industrie fortgeschrieben. Koordiniert wurde die Arbeit bislang vom internationalen Halbleiterverband SEMI, der die Federführung allerdings jüngst an den VDMA abgegeben hat. Die Roadmap beschreibt und begründet wesentliche Trends, auf die sich die Maschinen- und Anlagenbauer einzustellen haben. Demnach wird sich – nach einer vorrübergehenden Entschleunigung – die Entwicklung in Richtung dünnerer Wafer fortsetzen. Einen Technologiesprung erwarten die Experten hier von den neuen Diamant-Drahtsägen, die den bisherigen Drahtsägen auf Basis von Siliziumcarbid-Slurry innerhalb der kommenden 10 Jahre mehr als die Hälfte der Wafer-Produktion abnehmen könnten (Grafik 4). Die Tatsache, dass Diamant-Sägen einen schon heute um 20 Mikrometer geringeren Sägeverlust haben und sich dieser Abstand bei insgesamt weiter sinkenden Schnittbreiten und weiter verringerten Wafer-Dicken erhalten werde, spreche auf Dauer für die Diamant-Säge. Höherer Durchsatz Zugleich soll sich im Bereich des Wafer-Schnitts ebenso wie bei der Kristallisation der Durchsatz der einzelnen Maschinen in der nächsten Dekade um bis zu 50 Prozent steigern. Dies sei schon deshalb erforderlich, so die ITRPV, weil auch im Zellbereich der Durchsatz der Zell-Linien ungemindert voranschreite. Schon heute gibt es Metallisierung-Linien, die 3200 Zellen pro Stunde schaffen. Im Moment allerdings sei der Fokus der PV-Hersteller eindeutig nicht auf die Anschaffung ganz neuer Produktionslinien mit entsprechend höherem Durchsatz gerichtet, so konstatierten die ITRPV-Autoren im Juli. Stattdessen konzentriere sich die Branche auf das Upgrade ihrer Bestandsanlagen, um zum Beispiel höhere Zellwirkungsgrade bei gleichen oder geringeren Kosten zu erreichen. Evolution und Revolution Auch der fast vollständige Ersatz von bleihaltigen Lötpasten durch andere Materialien ist eher solch ein evolutionärer Schritt, der bereits langsam begonnen hat. Parallel allerdings erwartet die Roadmap, dass sich ganz neue Zelltechnologien durchsetzen werden. Schon 2025 sollen in 60 Prozent der Module die Zellen untereinander nicht mehr verlötet, sondern durch leitende Klebstoffe oder andere Techniken wie Drahtgitter verbunden sein (Grafik 3). Um neben diesen technischen Herausforderungen auch geschäftlich weltweit die Nase vorn zu behalten, würden sich die hiesigen Unternehmen teilweise deutlich umstellen müssen, glaubt Florian Wessendorf vom VDMA. Hätten sich beispielsweise chinesische Hersteller in den Boomjahren zahlreiche schlüsselfertige Linien bauen lassen, so sei dort mittlerweile sehr viel mehr eigenes Prozess-Know-how vorhanden. Daher werde es darauf ankommen, die Bedürfnisse der Kunden in den weiterhin dominierenden Produktionsländern China und Taiwan noch individueller zu befriedigen. Kundennähe lasse sich mit Vertriebsniederlassungen erreichen, möglicherweise aber auch mit einer Produktion im Zielland. Gerade in China werde mittlerweile ein starker local content von bis zu 80 Prozent einer Investition gefordert. Turnkey sei deshalb künftig wohl eher ein Thema für neue Märkte, erläutert Wessendorf. Einen Beleg für diese These erbringt gerade die Schmid Gruppe aus Freudenstadt. Sei baut seit dem vergangenen Oktober in Argentinien für den Energieversorger ESPE eine vollintegrierte Solarfabrik mit 71 MW Jahreskapazität. Text: Guido Bröer

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