Energieexperte Krawinkel: „Flexiblen Solarstrom gibt es künftig im Überfluss“

Der Energieexperte Dr. Holger Krawinkel geht davon aus, dass sinkende Preise für Photovoltaik-Anlagen und Stromspeicher die Energiewende zusätzlich befeuern werden. Bei erwarteten Kosten von je 5 Cent/kWh für die Solarstrom-Erzeugung und -Speicherung werden seiner Einschätzung nach viele Verbraucher in eigene Anlagen und Speicher investieren und mehr Strom erzeugen, als sie selbst brauchen.

Dabei bleibe die Stromversorgung trotz der Umstellung auf schwankende erneuerbare Energien sicher, da der überschüssige Strom mit Hilfe dezentraler Speicher flexibel eingespeist werden könne, so Krawinkel.
Diese Thesen stehen im Mittelpunkt des Vortrags von  Dr. Krawinkel auf der Konferenz „16. Forum Solarpraxis – Wege in die neue Energiewelt“ die vom 26.–27.11.2015 in Berlin stattfindet. Krawinkel ist seit 2014 Innovationschef beim Energiekonzern MVV und war zuvor Leiter des Fachbereiches Bauen, Energie, Umwelt beim Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Krawinkel erwartet radikalen Paradigmenwechsel
„Wir stehen vor einem radikalen Paradigmenwechsel, denn zentrale Prinzipien der bisherigen Stromwirtschaft in Deutschland werden gerade in Frage gestellt. Statt ihren Strom ausschließlich aus zentralen Kraftwerken zu beziehen, werden Stromkonsumenten zusätzlich zu Stromproduzenten oder – neudeutsch – zu Prosumern. Außerdem wird Strom für private Verbraucher und Gewerbebetriebe erstmals in größerem Umfang speicherbar, was früher nur in kleinsten Mengen möglich war. Dadurch haben Kunden nach einer Investition in die eigene Solar-Anlage und einen Speicher statt laufender Kosten praktisch eine individuelle Strom-Flatrate“, so der Experte.

Folgen für Politik und Wirtschaft; Verbraucher nehmen das Ruder selbst in die Hand
Die künftigen Veränderungen des Strommarktes haben auch für Politik und Wirtschaft weitreichende Folgen. Karl-Heinz Remmers, Vorstand der Solarpraxis AG: „Bisher hat die Politik mit ihren Programmen zentral festgelegt, welche Energiequelle wirtschaftlich betrieben werden kann und wie schnell ihr Ausbau vorangehen soll. Nun nehmen die Verbraucher das Ruder selbst in die Hand. Die Politik verliert an Eingriffsmöglichkeiten und kann ihre Ziele kaum noch direkt ansteuern.“
Auch auf die Stromnetze wird sich das neue Paradigma aus Sicht von Krawinkel und Remmers auswirken: Die Netze blieben zwar unverzichtbar, würden künftig aber weniger genutzt, da die Kunden sich häufiger selbst versorgen. Zusätzlich entstehe eine gemischte Nutzerstruktur mit Nicht-, Teil- und Vollnutzern. Die Netzkosten müssten also auf immer weniger Schultern – vor allem die der Vollnutzer – verteilt werden. Hier ist aus Sicht der Experten die Politik gefragt: Langfristig könnte das Stromnetz als wichtiger Teil der deutschen Infrastruktur zum Teil öffentlich finanziert werden, wie es beim Schienennetz mit einer ähnlich dispersen Nutzerstruktur bereits der Fall ist.

24.09.2015 | Quelle: Forum Solarpraxis | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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