Interview mit Philipp Vohrer (AEE): Die Lösungen kommunizieren!

Philipp Vohrer Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien
Solarthemen 479. Philipp Vohrer ist Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) in Berlin. In teils öffentlich, teils privat geförderten Projekten stellt die aus der Kampagne „Deutschland hat unendlich viel Energie“ hervorgegangene Agentur Informationen zur Verfügung, um eine positive Einstellung zur Energiewende zu befördern. Vohrer wünscht sich dafür mehr Rückenwind aus der Politik.

Solarthemen: Ist es bei der Energiewende nicht wie beim Flüchtlingsthema: Die Kanzlerin sagt irgendwann „Wir schaffen das!“, aber der aktuelle politischen Diskurs dreht sich dann nicht um das Wie, sondern um das Wort „Obergrenze“.

Philipp Vohrer: Hier eine Analogie zu ziehen, maße ich mir nicht an. Aber die Energiewende schaffen wir. Obergrenzen zu fordern ist zwar verständlich. Es gibt Leute, denen es zu schnell geht, beispielsweise weil sie ihr Geschäftsmodell bedroht sehen, weil sie sich betroffen fühlen durch eine Landschaftsveränderung oder eine wirtschaftliche Veränderung. Vielleicht gibt es da wirklich eine Analogie zu den Flüchtlingen – man fühlt sich irgendwie ab­strakt bedroht und fordert eine Grenze. Aber Obergrenzen sind für die Energiewende nicht erforderlich. Wenn Erneuerbare schnell zugebaut werden, entsteht automatisch ein Handlungsdruck, diese zu integrieren. Dann entstehen neue Ideen und Geschäftsmodelle. Es wird uns immer etwas einfallen, sobald es Engpässe gibt.

Bremst die Politik die Energiewende, obwohl der Großteil der Menschen eigentlich in einem Wir-schaffen-das-Bewusstsein lebt?

Für mich sind der politische Diskurs und die öffentliche Wahrnehmung im Moment entkoppelt, was die Energiewende angeht. Wir haben eindeutig ein großes Zutrauen der Bevölkerung in die Aussage „Wir schaffen das“. Aber die Politik zögert, taktiert und bremst. Sie will Playern in der Energiewirtschaft ein Aufschließen ermöglichen, die aus eigenem Verschulden und teils auch aus Arroganz 10 Jahre verschlafen haben. Das ist das, was wir in der laufenden Legislaturperiode beobachten. Der politische Diskurs folgt diesem Erklärungsmuster, während die Allgemeinheit sagt: Wir schaffen das, wir könnten es auch schneller schaffen.

Warum geht denn von der öffentlichen Meinung bei diesem Thema so wenig Druck auf die Politik aus?

Das verstehe ich auch nicht. Obwohl alle Umfragen zeigen – von AEE bis BDEW – dass die Bevölkerung jederzeit mit großer Mehrheit für die Energiewende und die erneuerbaren Energien eingestellt ist, entdeckt die Politik dieses Thema aktuell nicht als Gewinnerthema. Ich würde mich als Bundesregierung davor stellen und sagen: „Das war schon immer unsere Idee, da wollen wir jetzt vorangehen.“ International wird dies von Deutschland auch erwartet. Wir gelten als das Klimaschützer- und Energiewender-Land. Und was tun wir? Wir bremsen politisch, dabei könnte das Thema ein Selbstläufer sein.

Seit Frau Merkel das Wort von der Energiewende populär gemacht und es zum Regierungsprogramm erhoben hat, wird jedenfalls immer weniger in Photovoltaik investiert und in den Heizungskellern passiert auch nicht viel.

Die Leute lassen sich verunsichern. Zwar haben sie das Gefühl, diese Sache mit den erneuerbaren Energien, das ist eine gute Sache. Aber wenn mir dann alle signalisieren – die Bundesregierung, die Industrie, die örtliche Bürgerinitiative gegen Windkraft – das ist Quatsch, dann lasse ich mich natürlich verunsichern. Dann werde ich skeptisch und schiebe Investitionen in erneuerbare Energien erstmal auf. Zum Beispiel lasse ich – der Ölpreis ist ja gerade niedrig – meine alte Heizung noch drin. Wenn es jetzt aber Politiker gäbe, die sagen würden: Es ist toll, was ihr tut – ihr nutzt erneuerbare Energien; ihr schützt das Klima; ihr schafft heimische Wertschöpfung; ihr tut etwas für nachfolgende Generationen. Dann würden sich viele motivieren lassen.

Welche Chance hat die Agentur für Erneuerbare Energien, in dieser Situation eine Investitionsstimmung zu fördern?

Es gibt uns jetzt seit mehr als zehn Jahren, und wir haben in den ersten Jahren immer erklärt, wie erneuerbare Energien funktionieren, dass sie sinnvoll sind und warum. Jetzt müssen wir stärker kommunizieren, wie wir die erneuerbaren Energien konsensfähig in das sich wandelnde Energiesystem integrieren können. Und zwar gerade auch die fluktuierenden Energieformen aus Wind und Sonne: Sie müssen ausgeregelt, gespeichert, transportiert werden. Das ist alles lösbar. Die Technologien und Konzepte sind da. Das zu vermitteln ist jetzt unsere Aufgabe.

Kann man mit Erklär-Arbeit überhaupt Stimmungen beeinflussen?

Gute Frage. Wir versuchen immer sehr viel zu erklären, aber wir arbeiten mit unseren Erklärungen oft gegen Stimmungsmache an. Das ist schwierig.

Könnten Erklärungsversuche bei einer so komplizierten Materie vielleicht die Verunsicherung sogar noch steigern?

Für uns ist es immer eine Herausforderung, nicht zu sehr technisch und expertenmäßig zu kommunizieren und uns damit automatisch in die Defensive zu bringen. Denn wir arbeiten gegen teilweise abstrakte und sehr unterschwellige Ängste an. Sowas wie: „Die Windenergieanlage reduziert möglicherweise meinen Immobilienwert.“ Dass die Windenergieanlage aber auch eine Chance für die lokale Wertschöpfung darstellt, das muss ich erklären, dazu muss ich Zahlen und Belege bringen. Mit Fakten und Argumenten gegen Stimmungen und Emotionen anzugehen ist nicht einfach, aber ich glaube, dass die erneuerbaren Energien durch ihre positive Ausstrahlung auf lange Sicht Stimmungs-Sieger sein werden. Wichtig ist, den Menschen zu vermitteln: Energiewende hat einen Sinn. Sie bringt einen Nutzen für jeden Einzelnen von uns. Und die Energiewende gibt die Möglichkeit, dass wir uns beteiligen an der Energieversorgung.

Gerade hat EuPD eine Umfrage veröffentlicht, wonach im Vergleich zu den Boomzeiten jetzt wieder die meisten Leute, die noch in Photovoltaik investieren, dies aus altruistischen Motiven tun – nicht aus Gewinninteresse.

Bei den Erneuerbaren schwingt beides mit – die Geschäftsidee und die Stimmung, dass man mit seinem Geld etwas Sinnvolles tut, für die Umwelt, für sich, für die Zukunft, für die Kinder und Enkelkinder. Diese Stimmung zu verstärken, ist die eigentliche Aufgabe unserer Agentur, der Erneuerbaren-Branche und der Politik. Aber diese Stimmungsverstärkung vermisse ich im Moment bei vielen Politikern.

Interview: Guido Bröer
Foto: AEE

Schließen