Joachim Goldbeck im Interview: Fördern und Fordern ist richtig

Joachim Goldbeck ist Geschäftsführer der Goldbeck Solar GmbH und seit 2014 Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW). Goldbeck Solar ist spezialisiert auf große Photovoltaikanlagen im Gebäudebereich und im Freiland. Das Unternehmen ist Teil der Goldbeck-Gruppe, die als Familienunternehmen in zweiter Generation mit 4500 Mitarbeitern Gewerbegebäude baut und betreibt.

Solarthemen: In den letzten Jahren ist der Photovoltaikmarkt und mit ihm die Branche in Deutschland regelrecht eingebrochen. Wie geht es Goldbeck Solar?

Joachim Goldbeck: Wir waren in den letzten Jahren sehr stark in Großbritannien. Wir haben dort auch in diesem Jahr ein Großprojekt mit 50 MW und einige Projekte im 5-MW-Maßstab gemacht. Wir werden auch noch einige weitere realisieren, aber natürlich nicht mehr in dem Volumen wie in den Vorjahren. In Deutschland konnten wir sowohl auf Dächern wie auch im Freilandbereich etwas zulegen. Aber wir sind weit entfernt vom Volumen früherer Jahre – auf Expansionskurs sind wir dieses Jahr nicht.

Wie verteilt sich Ihr Geschäft aktuell zwischen Deutschland und den Auslandsmärkten?

In den letzten Jahren haben wir 80 bis 90 Prozent im Auslandsgeschäft gemacht. Aktuell geht der Anteil etwas zurück.

Wie weit profitieren sie im PV-Bereich von den Projekten Ihres Mutterkonzern, der als weltweit operierender Baukonzern auf Industrie- und Bürogebäude spezialisiert ist?

Unser Auslandsgeschäft hatte mit dem Baugeschäft nichts zu tun. In Deutschland macht das vielleicht 50 Prozent aus. In der Summe machen wir 90 Prozent unabhängig vom Baugeschäft.

Das hätte ich anders erwartet. Also sind Sie hauptsächlich mit Freilandanlagen unterwegs.

Ja, aber es gibt interessante Zwischenformen. Über den Sommer haben wir zum Beispiel eine Deponie in Detmold mit einer wasserfesten Überdachung versehen. Das waren 10 MW.

Noch ohne Aussschreibung der Bundesnetzagentur.

Ja, denn Deponien sind bauliche Anlagen.

Ab 2017 müsste auch eine solche Anlage erst einen Zuschlag gewinnen, bevor sie gebaut werden kann. Die Förderung wird ab 750 kW auch für Dachprojekte ausgeschrieben. Was wird sich dadurch für Sie ändern?

Zum einen wird auf den baulichen Anlagen in dieser Form dann wahrscheinlich kaum noch Photovoltaik installiert, weil eine Deponie oder ein Kieswerk schwieriger zu bestücken ist als eine normale Freiflächenanlage. Der Preisdruck in den Ausschreibungen wird für diese baulichen Anlagen wahrscheinlich zu hoch sein. Eine Ausnahme könnten solche speziellen Fälle sein wie die Deponie in Detmold. Wenn man durch die dichte Photovoltaik-Hülle so viel Geld bei der Abdichtung der Deponie sparen kann, dass man damit die Unterkonstruktion der PV-Anlage finanzieren kann, dann könnte man mit dem Rest, also PV-Modulen und Wechselrichtern, in einer Ausschreibung durchaus erfolgreich sein.

Auf den Industriedächern wird man vermutlich mit Anlagen über 750 kW preislich nicht mehr zum Zuge kommen. Wenn ein Unternehmen eine hohe kontinuierliche Abnahme hat, so dass die Anlage vollständig als Eigenstromanlage läuft, sieht es anders aus.

Eine Änderung gab es ja schon Anfang 2016 für die Anlagen zwischen 100 und 500 Kilowatt, die jetzt direkt vermarktet werden müssen. Spüren Sie Auswirkungen?

Anfangs musste man die Kunden erstmal davon überzeugen, wie und dass das geht. Wir arbeiten da mit Direktvermarktern zusammen, die wir den Kunden empfehlen können.

Inzwischen gibt es dafür Lösungen, aber es ist natürlich wieder ein Schritt, der das Ganze komplizierter macht. Es ist schon eine echte Herausforderung für uns, dies dem Kunden so weit zu vereinfachen, dass er sich darauf einlässt. Müsste er sich selbst darum kümmern, stünde der Aufwand bei einer Investition von 100000 bis 400000 Euro für ihn in keinem Verhältnis.

Nun müssen Sie ja als gerade wiedergewählter BSW-Präsident auch für ganz andere Marktsegmente sprechen als dasjenige, in dem sie als Unternehmer selbst aktiv sind. Etwa Photovoltaik-Kleinanlagen oder auch Solarthermie. Wie schwer fällt Ihnen das?

Generell kann ich mich mit all diesen Themen des BSW schon sehr gut identifizieren und ich unterstütze sie. Natürlich kann ich in meinem eigenen Marktsegment mit einer höheren Detailschärfe argumentieren. Aber diese Marktbereiche werden von anderen Unternehmen und Personen im BSW-Vorstand gut vertreten und die Geschäftsführung des Verbandes hat das ganze Spektrum im Blick.

Verglichen mit der Windkraft ist die Photovoltaik in der jüngsten EEG-Novelle eher glimpflich davongekommen. Können Sie dies schon als Erfolg werten oder ist Ihre Stimmung da eher eine andere?

Da muss ich erstmal sortieren. Ich glaube ohne den BSW würde es viele gesetzliche Regelungen, die Solarenergie ermöglichen, gar nicht mehr geben. Dass es zum Beispiel eine Einspeisevergütung gibt, mit der sich der Betrieb von Anlagen bis 750 kW relativ gut darstellen lässt, dass es immer noch möglich ist, Freilandanlagen zu bauen, dass es eine Speicherförderung gibt und im Solarthermiebereich ein Marktanreizprogramm, das alles ist nach meiner jetzigen Erkenntnis nur durch das Betreiben des BSW möglich. Also dass wir dies noch haben, ist schon ein Erfolg. Wenn man natürlich sieht, woher wir kommen, mag man denken, alles ist den Bach herunter gegangen. Man sollte nicht beschönigen, was bereits alles kaputt gegangen ist.

Trotzdem gibt es noch viele Unternehmen in der Branche. Dass etliche sich im Ausland bewegen, finde ich zunächst mal positiv. Man muss auch sagen, dass ein gewisser Preisdruck in Deutschland geholfen hat, Lösungen zu entwickeln, mit denen man international bestehen kann.

Ich will das mal so beschreiben: Ein Sportler muss trainieren, wenn er Wettkämpfe bestehen will. Wenn der nur auf dem Sofa sitzt und Kalorien in Form von Fördermitteln zugeführt bekommt, wird das nichts. Wenn Sie aber einen sportlichen Menschen inmitten der Sahara aussetzen, kommt auch der irgendwann an seine Grenzen. Die Kombination von Fördern und Fordern ist schon richtig. Aber wenn Sie die Firmen überfordern in dem Maße, wie wir das in den letzten Jahren erlebt haben, dann sind diese Unternehmen irgendwann nicht mehr schlagfähig – auch nicht im Ausland.

Dort sieht man Deutschland immer noch als Vorreiter.

Das industriepolitische Thema muss man auch vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele sehen. Jetzt hat Deutschland in Marrakesch einen Plan vorgelegt. Wenn wir diese Ziele erreichen wollen und wenn wir dafür Sektorkopplung mitdenken, dann brauchen wir 3 bis 5 Gigawatt Photovoltaik im Jahr. Das sagen auch CDU-Leute in den Ministerien. Das bedeutet: 3- bis 5-mal so viel wie im Moment. Und darauf muss die Politik wirklich achten, dass sie jetzt unsere heimischen Unternehmen nicht so stark zusammenschrumpft. Denn wenn sie irgendwann den gesetzten Rahmen wieder ernst nimmt und etwas tun muss, könnte es sonst passieren, dass uns dann die Unternehmen aus dem Ausland den Schneid abkaufen.

Nun wollen CDU-Politiker die EEG-Förderung bis 2021 beenden. Könnte sich nicht die PV-Branche angesichts der sinkenden Preise schon darauf einlassen? Immerhin ist das EEG auch eine Sammlung bürokratischer Hemmnisse, die mit ihm verschwinden würden.

Wo man Eigenverbrauch realisieren kann, ginge dies in der Tat eigentlich schon ohne EEG. Aber das EEG wird benötigt als Hosenträger für die Banken. Denn eine Solaranlage lohnt sich nur, wenn sie über 20 Jahre betrieben werden kann. Wenn aber ein Unternehmen eine Solaranlage von einer Bank finanzieren lassen will, dann ist es für die Bank eine Unsicherheit, ob das Unternehmen in 5 oder 10 Jahren noch existiert. Aktuell kann die Bank die Solaranlage finanzieren und davon ausgehen, dass diese den Strom einspeisen könnte, selbst wenn das Unternehmen in der Halle darunter nach Jahren nicht mehr produziert oder einen viel geringeren Stromverbrauch hat. Wer das EEG abschaffen will, der will eine Regel entfernen – in einem Umfeld, in dem Hunderte von Regeln gelten oder auch nicht gelten. Ein Punkt ist zum Beispiel, dass fossile Energien die Atmosphäre noch quasi kostenlos als Deponie nutzen dürfen. Wenn die externen Kosten ausreichend internalisiert werden, dann könnte man tatsächlich das EEG auch auslaufen lassen.

Fällt die Lobbyarbeit für solche übergreifenden Themen einem Spartenverband wie dem BSW nicht viel schwerer als sich für bestimmte Aspekte des EEG einzusetzen?

Spielen sie auf die gelegentlichen Forderungen zum Verschmelzen aller Verbände zu einem großen Verband an? – Es gibt einen Plan, wie wir schrittweise die Zusammenarbeit zwischen dem BSW und unserem gemeinsamen Dachverband BEE verstärken. Es wäre aber falsch, jetzt aus einer Euphorie heraus alle zu einem einzigen großen Verband zu verschmelzen. Da würde viel Know-how und Biss der einzelnen Verbände verloren gehen, die durch die Identifikation mit den Unternehmen und mit der jeweiligen Technik entstehen. Aber ich sehe natürlich auch die großen gemeinsamen Themen: den Strommix der Zukunft, die CO2-Thematik, die intelligenten Netze. Da müssen wir die Kräfte zusammenlegen.

Interview: Guido Bröer
Foto: Goldbeck Solar GmbH

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