Lieferengpässe hemmen die PV-Branche

Solarthemen 492. In der ersten spürbaren Wachstumsphase der deutschen Photovoltaikbranche seit Jahren haben Installateure, Großhändler und Hersteller aktuell schon wieder mit Lieferengpässen zu kämpfen. Betroffen sind vor allem Wechselrichter und Batteriespeichersysteme, aber auch bei Solarmodulen läuft es nicht überall reibungslos.

In den ersten vier Monaten des Jahres wurden in Deutschland laut der Bundesnetzagentur 62 Prozent mehr Photovoltaik-Leistung installiert als im Vorjahreszeitraum. Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, sagt: „Wir rechnen mit bis zu 30 Prozent Wachstum im Gesamtjahr 2017“. Selbst dann würde der deutsche Photovoltaikmarkt aber kaum ein Drittel seines einstigen Installationsvolumens in den Jahren 2010 bis 2012 erreichen. Wechselrichterknappheit Insofern sollte man meinen, dass sich die Branche trotz ordentlichen Wachstums in ruhigem Fahrwasser bewegt. Auch deshalb, weil es angesichts der derzeit geringen monatlichen Degression von Vergütungssätzen keinen Anlass zu hektischem Verhalten der Marktteilnehmer gibt. Ganz anders als etwa in der Boomphase 2010, als parallel zu einer heftigen politischen Debatte ein Stichtag den anderen jagte, so dass jeder noch schnell vor dem vermeintlich nächsten Torschluss sein Projekt realisieren wollte. Und dennoch müssen Installateure derzeit wieder reihenweise ihre Kunden vertrösten, teils weil sie selbst ausgebucht sind, teils weil bestimmte in ihren Angeboten enthaltene Wechselrichtertypen oder Speichersysteme erst in einigen Monaten zu bekommen sind – oder auch gar nicht. Was ist die Ursache für die Engpässe? Vorsichtige Lagerhaltung Udo Möhrstedt, Chef und Gründer der IBC Solar AG, den nach mehr als vier Jahrzehnten Solarunternehmertum so schnell nichts mehr aus der Ruhe bringen kann, erklärt, warum IBC wie andere PV-Großhändler aktuell mit Lieferengpässen zu kämpfen hat: „Es war niemand darauf eingerichtet, dass wir in diesem Jahr so deutlich über dem Vorjahr liegen würden.“ Erschwerend komme hinzu, dass alle Händler aufgrund des massiven Preisverfalls der vergangenen Jahre eine sehr zurückhaltende Lagerhaltung betrieben hätten. „Alle haben aus Vorsicht ihre Lager heruntergefahren“, sagt Möhrstedt und macht keinen Hehl daraus, das man zuvor Lehrgeld in Millionenhöhe gezahlt habe: „Wegen der stark gesunkenen Preise haben wir im vergangenen Jahr eine enorme Wertberichtigung vornehmen müssen“. Auch Alexander Schütt, Geschäftsführer der BayWa r.e. Solar Energy Systems GmbH in Tübingen, bestätigt, dass es bereits seit einigen Monaten Lieferengpässe bei Wechselrichtern und Speichern diverser Hersteller gibt: „Es gibt lediglich Probleme bei einzelnen Komponenten. Die Lieferzeit beträgt teilweise drei Monate.“ Schütt versichert allerdings, dass die Lage im Moment bei weitem nicht mit früheren Extremen vergleichbar sei: „Handwerker müssen sich keine Sorgen machen, dass die Knappheit so extrem wie in 2010 wird, als wir massive Lieferengpässe bei Wechselrichtern hatten.“ Schwierige Beschaffung Dazu trage bei, dass es inzwischen eine größere Auswahl und somit Alternativen gebe, wenn bestimmte Modelle von bestimmten Herstellern nicht kurzfristig verfügbar seien. Für die eigene Rolle seines Unternehmens sieht er die aktuelle Marktlage als sportliche Herausforderung: „Es ist Aufgabe des Großhandels, sich zu bevorraten, um dem Handwerker jederzeit die nötige Auswahl bieten zu können.“ Derzeit sei die Solarsparte der BayWa angesichts guter Marktaussichten dabei, das eigene Hochregallager in Tübingen zu füllen, um eine noch bessere Verfügbarkeit in den nächsten Monaten sicherzustellen. Anita Hartmeyer, verantwortlich für die Kommunikation bei der Krannich Solar GmbH & C. KG, bestätigt, dass auch ihr Unternehmen aktuell dabei sei, den Lagerbestand aufzustocken: „Das hat allerdings einen gewissen Vorlauf – allein schon wegen des Transportweges per Schiff aus Asien.“ Kommunikationsproblem Dass man Installateuren zumeist technische Alternativen bieten könne, wenn ein bestimmtes Solarmodul oder ein Wechselrichter nicht verfügbar sei, meint auch Hartmeyer. Sie betont allerdings, dass ein Modellwechsel für alle Beteiligten mit sehr viel Kommunikationsbedarf verbunden sei, was logischerweise die Transaktionskosten in die Höhe treibt. Hartmeyer ist bewusst, dass es allein schon für den Installateur unangenehm und schwierig sei, seinem Kunden zu erklären, dass ein bestimmter Wechselrichter, mit dem er Erfahrungen habe und den er vorher angepriesen habe, durch ein anderes Modell ersetzt werden müsse. Gleichwohl nimmt Anita Hartmeyer eine verbesserte Stimmung gegenüber der Photovoltaik unter den Handwerkern wahr und macht das an einer Beobachtung fest: „Installateure, die vor zwei bis drei Jahren aus dem Solargeschäft ausgestiegen sind, melden sich jetzt wieder. Das ist ein gutes Zeichen.“ Udo Möhrstedt von IBC erlebt das ähnlich. Er sieht allerdings auch im Handwerk selbst einen Engpass. Bei denjenigen, die in den schwierigen Jahren bei der Stange geblieben seien, füllten sich zwar momentan die Auftragsbücher, berichtet er. Aber sie zögerten, daraus Konsequenzen zu ziehen, beobachtet Möhrstedt: „Die Betriebe sind jetzt an einem Punkt, an dem sie eigentlich Mitarbeiter einstellen müssten. Aber unsere Installateure sind gebrannte Kinder: Sie haben Angst, dass die Politik wieder reingrätscht. Dann müssten sie die Leute wieder entlassen.“ Elektronische Bauteile fehlen Auf den internationalen Markt für elektronische Bauteile hat die deutsche Politik freilich nicht den größten Einfluss. Er ist es, der den Herstellern von Wechselrichtern und anderen PV-Komponenten aktuell die Freude über den anziehenden Markt in Deutschland versauert. Michael Humburg, Vertriebsleiter für den deutschsprachigen Raum beim Wechselrichterhersteller Kaco, sagt: „Das Problem sind nicht unsere eigenen Fertigungskapazitäten. Die reichen aus und wir können sie sehr flexibel steuern.“ Das nutze aber nichts, wenn bestimmte Bauteile nicht zu beschaffen seien. Besonders betroffen seien derzeit die mittelgroßen Wechselrichterserien mit 50 kW und mehr, die im Bereich der Gewerbedächer gern verbaut würden, so Humburg. Beim Speicherhersteller LG Chem sei man überrascht worden von der stark gestiegenen Nachfrage nach den 400V-Hochvoltsystemen, gibt Vertriebsleiter Stefan Krokowski zu. Anhand der Kontingente, die Händler und Installateure für 2017 reserviert hätten, habe man von einem viel höheren Anteil an Niedervoltsystemen ausgehen müssen. Nun sorgt ein DC-DC-Trafo für Engpässe bei Hochvoltsystemen. Das Teil kommt von einem Zulieferer, der seinerseits mit der hohen Nachfrage nicht mithalten kann. Aussicht auf Besserung? Anja Jasper, Kommunikationschefin der SMA Solar Technology AG, betont, dass es sich nicht um ein hausgemachtes Problem der Solarbranche handele: „Die derzeitigen Lieferengpässe sind ein weltweites Thema, das alle Hersteller bis hin zur Automobil-Industrie betrifft. SMA hat zurzeit einen extrem hohen Auftragseingang im Bereich der String-Inverter zu verzeichnen. Die eingeschränkte Materialverfügbarkeit begrenzt allerdings die kurzfristige Steigerung der Liefermengen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Liefersituation zu verbessern. Wir rechnen aus heutiger Sicht mit einer sukzessiven Verbesserung der Situ­ation im dritten Quartal 2017.“ Text: Guido Bröer Foto: Solar Promotion

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