Solar-Prozesswärme mit größeren Anlagen

Solarthemen 508. Solarthermische Anlagen für Industrie, Landwirtschaft und Gewerbe gel­ten seit Jahren als Hoffnungsträger der gebeutelten Solarwärmebranche. Zwar ist die Zahl der Anlagen in den letzten Jahren in Deutsch­­land nicht gestiegen, allerdings gehen zurzeit einige sehr große Anlagen in Betrieb.
5200 Vakuumröhren wurden in den letzten Wochen auf diversen Hallendächern und an Fassaden der Rothaus-Brauerei in Grafenhausen im Schwarzwald in die Kollektorgestelle eingesetzt. Jetzt sieht die mit rund 1000 Quadratmeter Kollektorfläche zurzeit größte wasserführende Solar-Prozesswärmeanlage Deutsch­lands von außen schon fertig aus. Und tatsächlich soll es nun nicht mehr lange dauern, bis die Energie für die beiden Flaschenwaschanlagen und für die Vorwärmung der Brauwasserreserve teils von der Sonne geliefert wird.
Zögerlicher Markt
Es hat lange gedauert, bis Solarthermieanlagen dieser Größenordnung von der Industrie als ernsthafte Alternative zu Öl und Gas in Erwägung gezogen wurden. Nun allerdings rechnet Bastian Schmitt, Leiter Prozesswärme in der Fachgruppe Solar- und Anlagentechnik der Uni Kassel, damit, dass die Rothaus-Brauerei ihren Superlativ schon innerhalb dieses Jahres wieder abgeben muss, weil zwei weitere Anlagen mit deutlich mehr als 1000 Quadratmetern bald fertig gestellt werden. Von einem klaren Trend zu sprechen, ist es wohl noch zu früh. Und gemessen an dem riesigen Potenzial für solare Prozesswärme im Temperaturbereich bis 150 Grad, das die Kasseler Experten auf 100 bis 150 Millionen Quadratmeter Kollektorfläche taxieren, steht die Branche noch ganz am Anfang. Zwar zeigt die Statistik des Marktanreizprogramms (MAP) des Bundes, in dem es seit dem Jahr 2012 eine 50-prozentige Förderung für solare Prozesswärme gibt, dass die Zahl der jährlich geförderten Anlagen seit 2013 nicht gewachsen ist. Aber die einzelnen geförderten Anlagen werden deutlich größer.
Die Kollektoren der Rothaus-Brauerei sind nicht die ersten in der Branche. Es gibt einige andere solare Leuchtturmprojekte in deutschen und österreichischen Bierfabriken. Teils wurden dort sogar die Brauprozesse massiv umstrukturiert, um die Solarwärme integrieren zu können. Beispielsweise wurden mit Unterstützung des österreichischen Instituts AEE Intec bei der Brauerei Neuwirth in der Steiermark schon vor mehr als einem Jahrzehnt ganz neue Sudkessel konstruiert, um Solarwärme in die Maische einbringen zu können.
Dieser Aufwand sei nun bei Rothaus nicht notwendig gewesen, berichtet Roland Heinzen von der enersolve GmbH, die die Solaranlage für Rothaus geplant hat. Lediglich zusätzliche Wärmetauscher hätten in die Flaschenwaschanlage und den 70 Kubikmeter großen Brauwassertank ein­ge­baut werden müssen. Trotzdem müsse man auch bei diesem Projekt etwa 30 Prozent der Gesamtkosten der Solaranlagen als Integrationskosten betrachten.
Öl wird verdrängt
Da die Rothaus-Brauerei bereits zwei Drittel ihres Wärmebedarfs CO2- neutral aus einem Holzhackschnitzelkessel bezieht, betont Heinzen, dass die Solarwärme ausschließlich genutzt werde, um die Betriebszeiten und den Energieverbrauch eines vorhandenen Spitzenlast-Ölkessels zu senken. Heinzen: „Wir können identifizieren, wann der Ölkessel gebraucht würde und dann gezielt Solarwärme einsetzen.“ Um dies zu ermöglichen, speisen die Kollektoren einen 50 Kubikmeter großen Pufferspeicher. Dieser wird gebraucht, um das wetterbedingte Sonnenangebot mit dem schwankenden Bedarf der Prozesse in Einklang zu bringen. Wenn morgens die Flaschenwaschanlage aufgeheizt wird, verbraucht sie die meiste Energie. Dann kann aus dem Speicher eine Leistung von bis zu 700 Kilowatt Solarwärme vom Vortag eingebracht werden.
Die 1000 Quadratmeter Röhren von Akotec können unter optimalen Bedingungen eine Leistung von rund 410 kW erbringen. Um alle vorhandenen Flächen auf und an den Fabrikhallen optimal auszunutzen, wurde die Anlage in sechs Kollektorfelder aufgeteilt. Teils kommen direktdurchströmte Kollektoren zum Einsatz, die mit üblichen 30 Grad Neigung nach Süden weisen. In anderen Feldern werden Heatpipe-Kollektoren verwendet, um die Rahmen sehr flach auf dem Dach beziehungsweise senkrecht an der Fassade montieren und die einzelnen Absorber dennoch bestens zur Sonne ausrichten zu können. Da die sechs Kollektorfelder im Tagesverlauf sehr unterschiedlichen Einstrahlungsbedingungen ausgesetzt sind, hat Enersolve deren Rückläufe getrennt. Allerdings können sie einen gemeinsamen Vorlauf verwenden, da alle Kollektorfelder mit drehzahlgeregelten Pumpen auf dem gleichen Temperaturniveau gehalten werden.
Dass noch nicht mehr Industriebetriebe dem Beispiel der Rothaus-Brauerei folgen, erklärt Bastian Schmitt vor allem mit niedrigen Ölpreisen und kurzfristigen Renditeerwartungen. Zwar könnten mithilfe der Förderung in Deutschland größere Solaranlagen konkurrenzfähige Wärmepreise meist unter 5 Cent pro Kilowattstunde, idealerweise sogar 3 Cent erreichen. Doch sämtliche Investitionskosten für eine oft mehr als zwanzigjährige Betriebszeit fallen bei Solaranlagen am Anfang an. Die Amortisationszeiten sind entsprechend hoch.
Langfristige Investitionen
Für die Rothaus-Brauerei, die sich im Besitz des Landes Baden-Württemberg befindet, sei dies kein Investitionshindernis, erklärt deren Pressesprecherin Jennifer Maurer: „Bei uns werden alle Investitionsentscheidungen langfristig getroffen. Sie müssen sich nicht innerhalb kürzester Zeit amortisieren. Bislang haben sich aber immer alle ökologischen Investitionen im Laufe der Jahre gerechnet. Das beste Beispiel dafür ist die Hackschnitzelanlage, die wir schon vor über 10 Jahren installiert haben.”
Ähnlich langfristig denkt auch der Land- und Forstwirt Alois Grubmüller in Schöllnach im Bayerischen Wald. Im August hat er eine mit 1300 Quadratmetern Kollektorfläche noch größere Solarthermieanlage mit Luft-Kollektoren in Betrieb genommen. Mit dem Luftstrom, der durch die Kollektoren der Firma Grammer Solar erwärmt wird, trocknet der Biolandwirt Holzhackschnitzel und Heu. Die Anlage ist auf einem neu gebauten Rinderstall platziert und in Grubmüllers Bio-Kreislaufwirtschaft ist sie ein wichtiger Baustein.
Im 20 mal 40 Meter großen Liegebereich des Stalls halten sich nämlich die Kühe auf trockenen Hackschnitzeln auf, die mit ihren Exkrementen angereichert später zu einem hochwertigen Kompostdünger werden. Grubmüller siebt die Hackschnitzel, die aus dem eigenen Wald kommen. Feine Bestandteile bis 15 Millimeter Durchmesser wandern in den Stall, die gröberen, als Brennstoff hochwertigeren Hackschnitzel kann er – dank der sehr geringen Restfeuchte – sehr gut verkaufen.
Einen kompletten Tagesertrag der Solarkollektoren kann Grubmüller in einem von ihm selbst entwickelten unterirdischen Betonspeicher zwischenspeichern. Damit kann der Trocknungsprozess Tag und Nacht aufrecht erhalten werden. Und während der Heuernte kann die Anlage einen Regentag problemlos überbrücken.

Text: Guido Bröer

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