EEG 2021 reparieren ohne atmenden PV-Deckel anzufassen?

Photovotaikmodule hinter einem Zaun. Sinnbild für den Deckel auf die gedeckelte PV-Einspeisevergung im EEG.Fabian - stock.adobe.com
PV einzuhegen scheint noch immer Ziel der Politik. Sonst müsste sie den Mechanismus der EEG-Einspeisevergütugnen ändern.
Den Mechanismus des sogenannten atmenden Deckels will die Koalition nach den geringfügigen Änderungen im EEG 2021 offenbar auch unter dem Eindruck des Bundesverfassungsgerichts-Urteils nicht nochmal ändern. Allerdings könnte der „atmende“ Deckel den aktuellen Photovoltaikaufschwung auf breiter Front ausbremsen, bevor eine neue Bundesregierung in der Lage wäre, den Mechnismus zu reformieren oder abzuschaffen.

Die von den Koalitionsfraktionen in die laufenden Beratungen des Bundestages zum Energiewirtschaftsgesetz eingebrachten EEG-Änderungen sollen zahlreiche redaktionelle Fehler des beschlossenen EEG 2021 ausbügeln. Was den Ausbau­pfad der Erneuerbaren Energien betrifft, so konnte sich die Koalition neben 2000 MW Sonderausschreibungen für Windenergie im Jahr 2022 aber nur auf einmalig 4000 MW zusätzlich für die Photovoltaik einigen. Die 4 GW PV soll die Bundesnetzagentur jeweils zur Hälfte auf Freiflächen und auf Anlagen auf Gebäuden und an Lärmschutzwänden verteilen. Die Zielgröße für die PV-Ausschreibungen steigt damit für 2022 einmalig von 1900 auf 5900 MW. Dies addiert sich laut EEG 2021 auf den Zielkorridor von 2100 bis 2500 GW für nicht auszuschreibende Dachanlagen bis 750 kW. Auf die EEG-Einspeisevergütung in diesem Segment, das die meisten potenziellen PV-Betreiber betrifft und für Handwerker sehr relevant ist, wirkt allerdings weiterhin der atmende Deckel.

Absenkung etwas geringer

Mit der Novelle des EEG 2021 wurde die Geschwindigkeit der Absenkung innerhalb des Zielkorridors zwar leicht von monatlich 0,5 auf 0,4 Prozent verringert. Auch wurde dieser Soll-Korridor etwas angehoben und erweitert – von 1700-1900 Gigawatt auf 1900-2100 Gigawatt. Zudem wurden die Stufen geringfügig verändert. Im Großen und Ganzen wird durch diese Änderungen gegenüber dem EEG 2017 der Effekt des atmenden Deckels freilich nur leicht parallel verschoben.

Die kritische Grundaussage der sogenannten „Deckelstudie“, mit der Wissenschaftler der HTW Berlin vor gut einem Jahr Alarm geschlagen hatten, bleibe deshalb auch mit dem EEG 2021 unverändert, bekräftigt deren Mitautor Joseph Bergner. Dem Photovoltaikzubau werde aufgrund des atmenden Deckels die Puste ausgehen, prophezeien die HTW-Experten. Der Mechanismus werde nicht nur dazu führen, dass Volleinspeisungsanlagen auf Gebäuden unwirtschaftlich würden, so die Autoren. Auch sei der Deckelmechanismus dafür verant­wortlich, dass im Markt­seg­ment der Einfamilienhäuser ein Teil der Dachflächen für den Klimaschutz ungenutzt bleibe. Dies deshalb, weil Hausbesitzer angereizt würden, ihre Anlagen auf den Eigenverbrauch zu optimieren.

Das Fazit der HTW-Wissenschaftler: „Das Aussetzen der Degression der Einspeisevergütung ist für den weiteren PV-Ausbau, mindestens bis zum Erreichen eines PV-Zubaus, der im Einklang mit den Pariser Klima­schutz­zielen steht, zwingend erforderlich.“

Von diesem Niveau sei die Branche trotz des Aufschwungs der vergangenen Jahre noch weit entfernt, konstatiert Carsten Körnig. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW)sagt: „Wir brauchen kurzfristig jährlich 12 Gigawatt, zügig aufwachsend bis 2030 auf 20 Gigawatt pro Jahr.“ Jeweils die Hälfte davon sei idealerweise auf Dächern und im Freiland zu installieren. „Demgegenüber waren die Korrekturen der EEG-Novelle Ende letzten Jahres leider nur Stückwerk.“

Klimaziele mit atmendem PV-Deckel nicht erreichbar

Bruno Burger vom Fraun­hofer Institut für Solare Wärmenetze hat die Konsequenz der aktuellen Regelung ausgerechnet. Auf Twitter schreibt der Professor: „Mit dem Korridor von 2500 MW pro Jahr können wir die Klimaziele nicht erreichen. Eine Absenkung von 2,5 Prozent pro Monat bedeutet bis Ende 2030 eine Absenkung um 94 Prozent. Eine neue Anlage kleiner 10 kW bekäme 2030 0,42 Cent/kWh.“
Die entscheidende Stellschraube sieht daher auch Körnig in der Zielvorgabe für den Korridor des atmenden Deckels. „Es würde die Deckeldiskussion schnell entspannen, wenn das Ziel im Korridor nicht 2,5 Gigawatt, sondern 7 GW oder 10 GW wäre“, sagt Körnig. „Wenn der politische Wille da wäre, den Markt zu entwickeln, dann wäre es ein Leichtes, den Mechanismus des atmenden Deckels nachzujustieren.“

Seit dem EEG 2009 legt dieser Mechanismus – in mehrfach geänderten Ausprägungen – fest, um welche Prozentwerte die Vergütung bzw. Marktprämie für Photovoltaik-Dachanlagen bei welcher Menge neu installierter Photovoltaikanlagen in den zurückliegenden Monaten sinkt. Aber ist das Prinzip einer zubauabhängigen Degression der Einspeisevergütung heute überhaupt noch zeitgemäß?

Die HTW-Forscher meinen: nein. Perspektivisch werde unter den hiesigen Randbedingungen ein höherer PV-Zubau aufgrund des Fachkräftemangels in der Solarbranche zu steigenden Preisen führen. Dieser Trend lässt sich anhand des „Photovoltaik-Preismonitors“ schon jetzt zeigen (siehe Grafik). Den erhebt das Bonner Marktforschungsinstitut EuPD Research qartalsweise für den BSW. Seit dem 1. Quartal 2020 sind die Preise für fertig installierte Anlagen im Segment zwischen 3 und 10 kW stetig gestiegen.

Änderung oder Abschaffung des Deckels im EEG?

Allein über die Vergütungsschraube lässt sich das Problem des vielbeklagten Handwerkermangels zwar nicht lösen. Aber Fakt ist auch, dass die Anlagentechnik, namentlich die Module, einen immer geringeren Anteil der solaren Stromgestehungskosten ausmachen. Hinzu kommt, dass der deutsche Anteil am Weltmarkt gegenüber den Anfangstagen des atmenden Deckels enorm nachgelassen hat. Damit sinkt der Einfluss des EEG auf die Lernkurve der globalisierten PV-Produktion. Eine preissenkende Wirkung höherer Installationsmengen angestoßen vom deutsche EEG wäre somit marginal.

Fabio Longo, zweiter Vorsitzender von Eurosolar, meint: „Deckel auf den Solarausbau sind ein Relikt aus alter Zeit, egal ob sie atmen oder nicht. Weg damit und zwar sofort!“ Longo setzt auf die Dynamik, die das Thema durch das Verfassungsgerichtsurteil bekommen habe. Als SPD-Mitglied hofft er, dass die regierende Koalition deshalb in dieser Frage umdenke. Denn bis eine neue Koalition nach der Wahl reagieren könne, sei es zu spät. Bis dahin werde sich der „atmende“ längst zum „würgenden“ Deckel für die anziehende Solarkonjunktur entwickelt haben.

Zumal wenn dann noch handwerkliche Fehler der Politik hinzukommen. Dann wachse die Gefahr, die vom aktuellen Deckelmechanismus für die Solarkonjunktur ausgehe, warnt Carsten Körnig. Er befürchtet eine fatale Wechselwirkung der geplanten Sonderausschreibungen im Jahr 2022 mit einem neuen Verrechnungsmodus. Den hatte die Koalition kurz vor Weihnachten ins EEG geschrieben.

Verrechnung des PV-Deckels mit Ausschreibungen

Laut §49 sollen ab 2023 vom Zielkorridor des atmenden Deckels bestimmte Dachanlagen mit mehr als 300 kW Leistung abgezogen werden. Und zwar diejenigen, die per Ausschreibung realisiert werden, sofern sie über ein Kontingent von 250 MW hinausgehen. „Wenn die 2000 MW Dachanlagen, die die Koalition uns für 2022 als Sonderausschreibungen zuteilen will, möglicherweise nicht vollständig bezuschlagt werden können, dann würden die im Folgejahr nachgeholt. Nach der jetzigen Gesetzesformulierung könnte das dann zu Lasten von kleineren Anlagen auf den atmenden Deckel durchschlagen. Eine negative Verrechnung wäre ein übler Taschenspielertrick und muss unbedingt vermieden werden. Der Auktionsmechanismus darf zumindest bei der Gebäude-PV bis 1 MW keine Bedingung dafür sein, für 100 Prozent des eingespeisten Stroms auch eine Marktprämie zu erhalten“, so Körnig.

20.5.2021 | Autor: Guido Bröer | Solarserver
© Solarthemen Media GmbH

Solarthemen-Ausgabe 539 (Titelseite)

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 539 des Infodienstes Solarthemen erschienen. Die Solarthemen erscheinen mindestens einmal wöchentlich als Abo-Newsletter und mit einer monatlichen Sonderausgabe in Form eines PDF-E-Papers. Bestellen Sie jetzt Ihren kostenlosen Test für einen Monat!

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