dena fordert und bremst gleichzeitig den Aufbruch zur Klimaneutralität

Die schematische Darstellung von Wirkungszusammenhängen - symbolhaft - im Hintergrund die verschwommenen Lichter einer StadtFoto: Tierney / stock.adobe.com
Die Deutsche Energie-Agentur (dena) spricht sich für den „Aufbruch zur Klimaneutralität" aus. Doch ihr Festhalten an gasbetriebenen Heizungen könnte genau das verhindern.

In ihrer Publikation „Aufbruch zur Klimaneutralität“ sieht die dena die Umrüstung von erdgasbasierten Wärmesystemen als Option, um Treibhausgasneutralität zu erreichen. Biomethan und synthetisches, regenerativ gewonnenes Gas sollen Erdgas ersetzen. Auf Nachfrage der Solarthemen bekräftig Axel Scheelhaase, Teamleiter Kommunikation bei der dena, diese Position. „Flüssige und gasförmige Energieträger spielen im Gebäudebereich aktuell eine dominierende Rolle. Sie basieren gegenwärtig jedoch zum Großteil auf fossilen Brennstoffen wie Erdgas und Heizöl. Der Ersatz dieser fossilen Energieträger durch klimaneutrale Brennstoffe – biogener Herkunft oder erzeugt mit erneuerbarem Strom – kann mittel- und langfristig zu THG-Einsparungen führen.“

Zwar erklärt die dena auch, es seien verschiedene Ansätze nötig, um die Treibhausgasneutralität im Gebäudebereich bis 2045 zu erreichen. Dazu gehörten auch energetische Sanierungen und deutlich mehr Wärmepumpen sowie der massive Ausbau der Wärmenetze. Doch mit der Option, an Gasheizungen festzuhalten und auf einen anderen Brennstoff zu warten, verbindet sich zwangsläufig die Frage, ob so die Wärmewende gelingen kann. Welche Hausbesitzer und welche Stadtwerke investieren in andere Technologien, wenn die dena als Energie-Kompetenzzentrum des Bundes einen leichten Weg eröffnet?

Rechtzeitiger Aufbruch zur Klimaneutralität?

Scheelhaase erklärt auch, es sei wichtig, „in den nächsten Jahren begleitend zu monitoren, wie sich die Marktlage für diese Energieträger im Gebäudesektor hinsichtlich Verfügbarkeiten, Mengen und Kosten entwickelt, um bei Bedarf rechtzeitig flankierende Maßnahmen einleiten zu können und letztendlich Lock-in-Effekte mit Blick auf die Zielerreichung zu vermeiden.“ Zu klären wäre, was rechtzeitig bedeutet. Wann können wir absehen, dass wir den Aufbau enormer Produktionskapazitäten für synthetisches Gas sicher erreichen? Und was bedeutet das für den Ausbau von Solar- und Windkraftwerken?

Dazu eine einfache Rechnung. Um ein Gebäude mit einem Wärmebedarf von 20.000 Kilowattstunden mit einer mäßig effizienten Wärmepumpe zu versorgen, sind rund 7.000 Kilowattstunden Strom erforderlich (mit einer effizienten Wärmepumpe noch deutlich weniger). Um 20.000 Kilowattstunden Wärme auf Basis von Power-to-Gas sicherzustellen, sind aber aufgrund der Umwandlungsverluste etwa 40.000 Kilowattstunden Strom zu erwarten. Für die gleiche Leistung – ein warmes Haus – ist also die rund sechsfache Stromerzeugungskapazität aufzubauen, wenn man auf gasbasierte Wärmeversorgung setzt. Für die dena ist dies aber offenbar dennoch der Aufbruch in die Klimaneutralität.

Gasheizungen als Zukunftsperspektive?

Ins Gewicht fällt dabei auch, dass auf diese Art die jetzigen Gasheizungen noch viele Jahre – Jahrzehnte – weiter betrieben werden und Treibhausgase freisetzen. Denn klar ist aus Sicht von Experten wie Harry Lehmann, dem Leiter des PtX Labs, und Max Peters, dem Leiter des Kompetenzzentrums Wärmewende der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW), dass synthetisches Gas zunächst in ganz anderen Sektoren wie dem Verkehr zum Einsatz kommen wird. Wenn man dann nach zehn Jahren merkt, dass es mit dem synthetischen Gas nicht funktioniert, hat man viel Zeit verloren. Weitere Biogaskapazitäten stehen nach Aussage des Umweltbundesamtes aus Gründen des Ressourcenschutzes ohnehin nicht zur Verfügung. Sie sollten sogar eher zurückgefahren werden.

Die dena folgt mit ihrem „Aufbruch zur Klimaneutralität“ offenbar einer Sowohl-als-auch-Strategie. Keines der Handlungsfelder könne allein die Zielerreichung im Gebäudesektor sicherstellen, alle Handlungsfelder seien gleichermaßen notwendig, erklärt Scheelhaase für die Energieagentur. Damit werden allerdings alle möglichen Handlungsschritte bei der Umstellung der Wärmeversorgung in gewisser Weise nivelliert, ohne ihnen Prioritäten einzuräumen.

Förderpolitik schrittweise anpassen

In der Publikation „Aufbruch zur Klimaneutralität“ ist auch nicht ersichtlich, in welchem Maße die dena Veränderungen in der Förderpolitik für sinnvoll hält. Einige Experten sehen eine Überförderung beim Neubauten im Effizienhaus-55-Standard. Auf die Frage, wie die dena dies beurteilt, erklärt Scheelhaase gegenüber den Solarthemen. „Es ist gut, wenn viele Neubauten besser als die Vorgabe gebaut werden. Denn die heute gebauten Gebäude werden viele Jahrzehnte Bestand haben. Es ist daher erfreulich, dass die KfW-Förderung für EH 55 (und besser) gut angenommen wird.“ Allerdings sei es sinnvoll, die Förderung im Neubaubereich schrittweise anzupassen und parallel das Anforderungsniveau zu erhöhen. „Dies wird dazu führen, dass in einer Übergangszeit hohe Effizienzstandards im Neubau sowohl gefordert als auch gefördert sind.“

Die Klimaneutralität im Gebäudebereich fuße laut der dena-Leitstudie auf mehreren Säulen, so Scheelhaase. Zum einen sei die Sanierungsrate deutlich zu erhöhen und auch das Sanierungsniveau sei zu verbessern. „Dann muss der Anteil der Wärmepumpen und der Nah- und Fernwärme stark ausgebaut werden. Und nicht zuletzt müssen in stärkerem Umfang treibhausgasneutrale Energieträger zur Verfügung stehen.“ Letzteres seien laut der Studie etwa 30 Terawattstunden im Jahr 2030, die vor allem aus gasförmiger und flüssiger Biomasse bestünden.

30 TWh sind also der Zielwert der dena. Dies würde etwas mehr als einem Prozent des Wärmebedarfs in Deutschland entsprechen. Es blieben bis 2045 dann nur noch 15 Jahre, um auf einen spürbaren Anteil von synthetischem Gas an der Wärmeversorgung zu kommen.

30.10.2021 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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