Ü20-Windenergieanlagen: Standorte nur mit richtigem Abstand rentabel

Im Vordergrund eine Wiese und Gebäude, im Hintergrund WindkraftanlagenFoto: bohemama / stock.adobe.com
Angesichts hoher Preise am Strommarkt lohnt der Weiterbetrieb von Ü20-Windenergieanlagen aktuell, auch ohne EEG-Förderung. Doch die Wirtschaftlichkeit der Standorte hängt langfristig an anderen Faktoren wie den Abstandsregelungen. Das zeigt das Verbundforschungsprojekt TransWind.

Noch stehen die meisten der mehr als 20 Jahre alten Windenergieanlagen (Ü20-Windenergieanlagen) in Deutschland und drehen sich munter. Doch das dürfte so nicht bleiben. Rund 13.000 Windenergieanlagen fallen bis 2025 aus der Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) heraus. Das entspricht einer Leistung von immerhin 16 Gigawatt (GW), wie Philipp Harder vom Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) vorrechnet. Wie viele davon eine attraktive Anschlusslösung finden werden, ist eine spannende Frage, die an vielen Faktoren hängt.

„Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine klare Abschätzung schwierig“, sagt Harder. Er ist in Niedersachsen verantwortlich für das vom Bund geförderte Verbund-Forschungsprojekt TransWind. Das steht für „Transdisziplinäre End-of-Life-Analyse von Windenergieanlagen zur Entwicklung technisch-wirtschaftlich optimaler Nachnutzungsstrategien“. Das vor Jah­res- frist gestartete Projekt läuft noch bis 2023.

Vier Optionen für Ü20-Windenergieanlagen

Letztlich, so Harder, stünden den Alt-Windmüllern aber vier Optionen zur Verfügung. „Neben dem Weiterbetrieb sind das das Repowering, das Retrofit – also der Austausch von Komponenten – oder die Stilllegung“, erklärt der Wirtschaftsingenieur. Welche Rolle dabei die einzelnen Standorte spielen, will die IPH-Ausgründung Nefino GmbH klären, ein Anbieter von Geoinformationssystemen. Dazu fasst das Startup deutschlandweit relevante Informationen digital zusammen. Diese reichen von amtlichen Gebäudedaten, die für die Abstandsberechnung notwendig sind, über Siedlungsdaten des Bundesamtes für Kartographie bis zu Luftfahrthandbüchern, deren Daten die Experten extrahieren und aufbereiten.

Für viele Ü20-Windenergieanlagen, die technisch noch laufen, ist das Problem aktuell zwar nicht drängend. „Rückmeldungen aus der Industrie zeigen: Die derzeitige Marktlage macht den Weiterbetrieb ökonomisch attraktiv“, sagt Henrik Wielert, der bei Nefino für Forschung und Entwicklung zuständig ist. Grund sind die aktuell hohen Strompreise, die die fehlende Förderung kompensieren können.

Repowering erzwingt Abstände

Doch das dürfte kaum so bleiben. Und damit kommt das Repowering in den Blick, also der Ersatz alter kleiner Maschinen durch leistungsstärkere größere. Das Problem: Durch die größeren Anlagen, die zudem einen neuen Genehmigungsprozess durchlaufen müssen, vergrößern sich die Anforderungen für Abstände zur Bebauung. Das kann das Repowering in Ländern wie Bayern, wo eine 10H-Abstandsregel gilt, unmöglich machen. „Eine Regelung für einheitliche Abstände zur Wohnbebauung wäre sinnvoll“, sagt Gründer und CEO André Koukal.

Werden aber die derzeit geltenden unterschiedlichen Abstandsregelungen nicht angepasst, könnte laut Koukal und Wielert auch die Vereinbarung der künftigen Ampel-Regierungskoalition in Berlin zur Windenergie schnell Makulatur werden. So hatten sich FDP, Grüne und SPD nicht nur grundsätzlich darauf geeinigt, zwei Prozent der Flächen in Deutschland für die Windkraft zu reservieren. Grünen Co-Chef Robert Habeck hat auch bundeseinheitliche Regelungen zu den Abständen angeregt.

2-Prozent-Ziel hängt an Abständen

Inwiefern ein solches bis in die Kommunen reichendes Durchregieren in Frage einheitlicher Abstände rechtlich möglich ist, bleibt zwar abzuwarten. Bleibt eine Angleichung aber aus, sind die Ausbaupläne laut Nefino in Gefahr.
„Grundsätzlich zeigen unsere Auswertungen, dass das 2-Prozent-Ziel für die Windenergie realistisch und gut möglich wäre“, sagt Wielert. Es hängt aber alles an den Abständen. „Das ist der große Hebel. Mit 800 Metern wie in Niedersachen sind auch mehr als zwei Prozent drin.“ Das haben die Hannoveraner kürzlich in einer Studie ermittelt. „Bei herrschenden Abstandsregeln wie in Bayern schaffen wir das 2-Prozent-Ziel bundesweit hingegen nicht“, so Wielert.

22.11.2021 | Autor: Oliver Ristau
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