70-Prozent-Regelung für Photovoltaik wird abgeschafft

Von 70-Prozent-Regelung typischerweise betroffene Photovoltaik-Anlage auf einem EnfamilienhausFoto: bildergala / stock.adobe.com
Die 70-Prozent-Regelung betraf bislang vor allem Photovoltaik auf Einfamilienhäusern. Das ist jetzt vorbei.
Mit der jetzt vom Bundestag und Bundesrat beschlossenen EEG-Novelle entfällt auch die 70-Prozent-Regelung zur Wirkleistungsbegrenzung für neue PV-Anlagen bis 25 kW. Die Details finden sich dazu in der Gesetzesbegründung:

Die Abschaffung der 70-Prozent-Regelung nach § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 EEG ist eine der zahlreichen Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf, die der Energie- und Klimaauschuss des Bundestages am Dienstag dieser Woche auf den Weg gebracht hat. Gestern hat der Bundestag und heute der Bundesrat das gesamte energiepolitische sogenannte Osterpaket der Ampelkoalition beschlossen. Die Abschaffung der 70-Prozent-Regelung ist zwar nur ein klitzekleines Detail innerhalb der aktuellen energiepolitischen Reformen. Allerdings eines, das Photovoltaik-Installateuren viel Kopfzerbrechen und Erklärungsnöte vor allem gegenüber Betreibern kleiner Anlagen auf Einfamilienhäusern erspart. Die Option zur pauschalen Wirkleistungsbegrenzung auf 70 Prozent hatte der Gesetzgeber seinerzeit als Alternative zum teuren Funkrundsteuerempfänger für Photovoltaikanlagen bis 25 kW eingeführt.

70-Prozent-Regelung entfällt am 1.1.2023 und vorerst nicht rückwirkend

Wichtig: Die Abschaffung der 70-Prozent-Regelung für die Photovoltaik tritt nicht mit Verkündung des Gesetzes im Bundesanzeiger in Kraft – anders als beispielsweise die neuen Vergütungssätze. Für PV-Anlagen, die zwischen der Veröffentlichung des jetzt beschlossenen EEG 2023 und dessen vollständigem Inkrafttreten nach Notifizierung durch die EU-Kommission – also planmäßig zum 1.1.2023 – noch in Betrieb gehen, gilt die bisherige 70-Prozent Regelung. Sie entfällt auch danach nicht rückwirkend für bestehende PV-Anlagen. Letzteres begrüßt auch der Bundesverband Solarwirtschaft. Denn eine rückwirkende Umstellung hunderttausender PV-Anlagen würde ansonsten unverhältnismäßig viel Kapazität bei Solarteuren binden. Dies hätte angesichts der Engpässe im Handwerk in keinem Verhältnis zum schätzungsweise 2-prozentigen potenziellen Mehrertrag gestanden, heißt es im Branchenverband.

Aktualisierung: Am 21.7.2022 hat das Bundeswirtschaftsministerium die Abschaffung der 70-Prozent Regel auch für Bestandsanlagen angekündigt. Details sind noch unklar. Dazu ein neuerer Solarthemen-Artikel vom 3.8.2022

Kein Rundsteuerempfänger statt 70-%-Regelung für PV

Entscheidend ist auch, dass mit der Streichung der 70-Prozent-Regelung in Form von § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 EEG nun nicht etwa stattdessen alle kleinen Photovoltaik-Anlagen mit Funk-Rundsteuer-Empfängern auszustatten sind, um sie von Seiten des Netzbetreibers abregeln zu können. Aus dem eigentlichen Gesetzestext geht das zwar nicht ganz eindeutig hervor. Aber die vom Gesetzgeber mitbeschlossene Gesetzesbegründung schafft hierzu Klarheit.

Wörtlich heißt es darin: „§ 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 EEG 2021 regelte die technischen Anforderungen an Solaranlagen mit einer installierten Leistung von höchstens 25 kW, die bis zum Inkrafttreten des EEG 2023 in Betrieb genommen werden (…). Durch die Streichung von § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 im EEG 2023 kommt bei der Inbetriebnahme solcher Anlagen in Zukunft keine generelle Wirkleistungsbegrenzung mehr zum Tragen: Die pauschale Begrenzung der maximalen Wirkleistungseinspeisung in Höhe von 70 Prozent der installierten Leistung entfällt. Bis zum Einbau eines intelligenten Messsystems brauchen diese neuen Solaranlagen jedenfalls auch keine Steuerungseinrichtung zur Reduktion der Einspeiseleistung einzubauen, wie dies bisher nach § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit Nummer 2 EEG 2021 als Alternative zur pauschalen Beschränkung der maximalen Wirkleistungseinspeisung vorgesehen war.”

Die offizielle Gesetzesbegründung stellt auch klar: „Die Wirkleistungsbegrenzung bei Bestandsanlagen bleibt erhalten. Hintergrund ist, dass die Netzbetreiber die pauschale Wirkleistungsbegrenzung bei den Bestandsanlagen als planerische Annahme bei der Prüfung von Netzanschlussbegehren sowie im Rahmen der Netzausbauplanung berücksichtigen konnten. Eine rückwirkende Aufhebung dieser Regelung würde die bisherige Planungsgrundlage in Frage stellen und könnte somit unabsehbare Folgen für den Netzbetrieb haben.”

Engpass im Photovoltaik-Handwerk als Begründung

Weiter heißt es in der Gesetzesbegründung: „Auch in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht erscheint eine rückwirkende Aufhebung der 70-Prozent-Regelung nachteilig: Die derzeit knappe Ressource Fachkräfte sollte möglichst effektiv eingesetzt werden, um die Vielzahl neuer Solaranlagen möglichst schnell in Betrieb nehmen zu können. Eine rückwirkende Aufhebung der 70-Prozent-Regelung würde in vielen Fällen einen Eingriff am Wechselrichter und damit den Einsatz einer Fachkraft erfordern. Diesem Aufwand steht ein vergleichsweiser geringer Mehrertrag gegenüber. Zwar lässt sich bei geeigneter Anlagenkonfiguration ohne Wirkleistungsbegrenzung ein höherer Energieertrag erzielen, diese Steigerung liegt im Jahresdurchschnitt jedoch deutlich unter 5 Prozent.”

Warten auf Smart-Meter und das BSI

Die Karten in Sachen Wirkleistungsbegrenzung werden allerdings auch für kleine PV-Anlagen irgendwann neu gemischt. Und zwar in dem Moment, wenn das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die technische Möglichkeit für den Smart-Meter-Rollout für Erneuerbare-Energien-Anlagen feststellt. Dieser Termin ist bereits mehrfach verschoben worden und aktuell nicht absehbar.

8.7.2022 – aktualisiert 9.7.2022 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Diesen Artikel hat der Autor am 9.7.2022 aktualisiert. Die Aussagen zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung waren in der Ursprungsfassung nicht korrekt.

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