Windpark-Repowering wird einfacher

Repowering einer Windenergieanlage. Im Vordergrund Teile einer abgebauten Anlage. In Hintergrund steht bereits eine neue Windturbine.Foto: Guido Bröer
Repowering von Windkraftanlagen soll künftig von einigen Genehmigungshürden entlastet werden.
Alte Windenergieanlagen gegen leistungsstärkere neue zu ersetzen, könnte kurzfristig Klimaschutzpotenziale heben. Um dieses sogenannte Repowering zu beschleunigen, hat die Bundesregierung für die kommunalen Genehmigungsbe­hör­den im vergangenen Jahr neue gesetzliche Vorgaben beschlossen, die mittlerweile in Kraft sind.

Der Windpark Dornumergrode ist so alt wie das einst revolutionäre deutsche Stromeinspeisungsgesetz. Seit dem Jahr 1991 drehen sich in der ostfriesischen Gemeinde Dornum direkt hin­term Nordseedeich zwölf Windturbinen vom Typ E 32 beziehungsweise E 33 des Herstellers Enercon. Landwirt Bernd Haseborg hat die Rotoren seinerzeit mit drei ähnlich mutigen Nachbarn im Vertrauen auf die steife Nordseebrise und die damals neuen gesetzlich garantier­ten Einspeisevergütungen in zwei Rei­hen auf den Marschboden gepflanzt. Für den visionären Enercon-Gründer Aloys Wob­ben aus dem 20 Kilometer entfernten Aurich war das Projekt in Dornumergrode der erste privat finanzierte Windpark, den er mit seinen Windturbinen ausstatten konn­te. Seit mehr als 30 Jahren laufen nun die Anlagen und sie laufen und laufen.

Windkraftpionier Bernd Haseborg ist schon ein bisschen stolz auf seine voll funktionsfähigen Museumsstücke – und doch würde er die zwölf Mühlen lieber heute als morgen abbauen und durch zwei Exemplare der neuesten Gene­ration ersetzen – auf Neudeutsch: repowern. Heute gängige Windkraftanlagen haben schließlich die 15-fache Leis­tung der Oldtimer mit ihren jeweils nur 300 beziehungsweise 330 Kilowatt. Und der Energieertrag wäre sogar weit überproportional höher, da die neuen Anlagen effizienter sind und dank ihrer hohen Masten die stärkeren und konstanteren Winde in größerer Höhe nutzen.

Hürden für Repowering von alten Windkraftanlagen

Aber bislang scheitert das Repowering in Dornumergrode wie an vielen anderen Orten in Deutschland am Widerstand von Behörden. Denn dort, wo in den 90er-Jahren die ersten kommerziell ins Netz einspeisenden Windkraftanlagen entstanden sind, dürften heute in vielen Fällen keine neuen Windparks mehr gebaut werden – sei es aus regionalplanerischen oder aus Naturschutzgründen. Oft stehen die alten Roto­ren deutschlandweit außer­halb von ausgewiesenen Windvorranggebieten, die es in den Pioniertagen der Windstromgewinnung in der heutigen Form noch gar nicht gab.

So auch in Dornumergrode, wo der Windpark an Landschaftsschutzgebiete grenzt. „Ich will schon seit zehn Jahren repowern“, sagt Haseborg, der bislang an diesem Standort aber wenig Chan­cen dafür sah. Doch seine Hoffnung ist gewachsen, seit im Sommer 2022 die Ampelregierung mehrere Bundesgesetze geändert hat, um das Repowering zu erleichtern.

Bereits im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP formuliert: „Wo bereits Windparks stehen, muss es ohne großen Genehmigungsaufwand mög­lich sein, alte Windenergieanlagen durch neue zu ersetzen.“ Seit 2022 sind die ersten Gesetze in Kraft, die dafür sorgen sollen.

§ 16b BImSchG soll Repowering erleichtern

Unter anderem wurde in das Bundesimmissionsschutzgesetz der § 16b neu aufgenommen, der die Genehmigungsverfahren für Repoweringprojek­te vereinfachen soll. Um von den Re­po­we­ring­- regeln zu profitieren, muss ein neues Windrad spä­te­stens 24 Monate nach dem Rück­bau der bestehenden Anlage errichtet werden. Und es darf höchstens doppelt so weit vom bisherigen Stand­ort ent­fernt sein, wie die Neuanlage hoch ist.

Trifft dies zu, sollen künftig die Genehmigungsbehörden in einem Änderungsgenehmigungsverfahren Anforderungen nur soweit prüfen, wie durch die neue Anlage gegenüber der Altan­la­ge Verschlechterungen etwa bei Schall­schutz, Schattenwurf oder Blendwirkung auftreten. Auch dürfen aktuelle Richtwerte der TA Lärm überschritten werden, sofern durch die neue Anlage gegenüber dem vorherigen Zustand insgesamt eine Verbesserung eintritt.

Artenschutz für Repowering-Projekte neu geregelt

Auch beim heiklen Thema Artenschutz greift der neue Paragraf 16b. In der offiziellen Begründung des geänderten BImSchG stellt der Gesetzgeber dazu klar, dass eine artenschutz­fach­liche Prüfung vollumfänglich durchzuführen ist. Freilich sei bei der Bewer­tung, ob durch das Repowering die Belastungen für die am Ort auftretenden Arten sinken oder steigen, die Bestandsanlage, die nach dem Repowering entfällt, als Vorbelastung zu werten. Außerdem, so die Gesetzesbegründung, sei „regelmäßig davon auszuge­hen, dass durch eine Verringerung der Anlagenanzahl und größere Anlagenhöhen die Eingriffe in den Artenschutz geringer sind.“ Denn durch den grö­ßeren Ab­stand zwischen Boden und unterer Rotorblattspitze sinkt bei den meisten Vogelarten das Kollisionsrisiko.

Durch zwei vom Parlament beschlossene Änderungen im Baugesetzbuch (§ 245e und § 249) will die Bundesregierung erreichen, dass Repowering in den nächsten Jahren auch dann möglich sein soll, wenn die Flächen mittlerweile aufgrund von Flächennutzungs- und Regionalplanungen eigentlich nicht mehr für die Windenergienutzung zur Verfügung stünden. Durch die Sonderregelungen soll der Windkraft­aus­bau kurzfristig in Schwung kommen. Denn die Planverfahren zur Ausweisung von neuen Flächen, mit denen Länder und Kommunen künftig dem 2-Prozent-Flächenziel des neuen Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) genü­gen müssen, werden sich über Jahre hinziehen.

15 Gigawatt Repowering kurzfristig möglich

Um die Zeit zu überbrücken, setzt auch der Bundesverband Windenergie (BWE) stark auf das Repowering bestehender Windparks. 15 Gigawatt (GW) an Windenergieleistung stehen nach Schätzung des Verbands in den kommenden Jahren zum Repowering an. Durch einen Ersatz der alten Anlagen könnte sich die Leistung auf 45 GW erhöhen.

Allerdings ist BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm noch zurückhaltend, ob die jetzt getroffenen Sonderregeln für das Repoweering schon genug sind, um den nötigen Schub zu bringen. Es bedürfe wohl noch konkreter Hilfen für die Genehmigungsbehörden, meint er. Axthelm bezieht sich auf den Satz aus dem Koalitionsvertrag, dass überall dort, wo schon Windräder standen, es möglich sein müsse, diese ohne großen Genehmigungsaufwand durch neue zu ersetzen: „Dieser Satz muss noch mit Leben gefüllt werden.“

Regeln bringen Erleichterung

„Die neuen Regelungen zum Repo­wering sind noch nicht in der Praxis angekommen“, meint auch Georg von Aretin, Leiter der Projektentwicklung beim Windkraft-Projektierer Ostwind in Regensburg. Grundsätzlich sei er aber optimistisch, dass die Gesetzesnovellen des Jahres 2022 der Branche helfen würden. Ostwind arbeitet gerade an einem Repowering-Projekt in Wanzleben in Sachsen-An­halt. „Dort hoffe ich, dass uns der § 16b BImSchG einige Erleichterungen brin­gen wird“, sagt von Arentin. Zuversichtlich sei er, dass dies bei den technischen Aspekten des Immissionsschutzes der Fall sei. „Beim Thema Artenschutz bin ich allerdings eher skeptisch und beim Thema Raumordnung auch.“

Flächenscreening für Repowering-Projekte

Guter Dinge, dass die neue Gesetzeslage das bislang zähe Repoweringgeschäft beflügeln könnte, ist man beim Projektierer Juwi, der zum Stadtwerke-Konzern MVV gehört. „Wir hatten schon einige konkrete Vorgespräche auf Basis der Neuregelungen“, berichtet Tom Weiß, Projektleiter Repowering bei Juwi in Wörrstadt. Sein Team hat vor dem Hintergrund der neuen Repowering-Paragrafen sogar ein regelrechtes Flächenscreening gemacht, verrät Weiß: „Wir gehen jetzt deutlich optimistischer an Repoweringoptionen heran. Wir haben sogar bewusst nach Flächen gesucht, die wir uns bislang wegen der Flächenrestriktionen nicht angesehen haben.“ Ein Fragezeichen setzen Weiß und andere Repoweringexperten aller­dings noch an eine neue Formulierung im § 245e des Baugesetzbuches: Dort ist zu lesen, dass die flächenbezogenen Sonderregelungen gelten sollen, „so­weit nicht ausnahmsweise die Grund­züge der Planung berührt sind”.

Zurzeit wenig Leidensdruck bei Altbetreibern

Auch beim ostfriesischen Windkraftpionier Bernd Haseborg wächst die Hoffnung, dass die Chancen für sein Repoweringprojekt endlich steigen. Allerdings macht ihm das Thema heute viel weniger Stress als vor zwei Jahren. Damals fielen seine zwölf Anlagen altersbedingt aus der EEG-Vergütung, während der Marktwert für Windstrom bei 3 Cent pro Kilowattstunde stand. „Dafür hätten wir die Anlagen nicht weiterbetreiben, geschweige denn reparieren können“, sagt Haseborg. Doch die aktuelle Energiekrise hat das Blatt für Altanlagenbetreiber gewendet. Für die nächsten zwei Jahre bieten Stromhändler dem Energiewirt fast 20 Cent pro Kilowattstunde als Salär an. Damit ist der Leidensdruck, der so manchen Windmüller in ein aufwendiges Repoweringprojekt triebe, zurzeit gering.

Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Titelseite Energiekommune 10/22

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 10/2022 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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