Photovoltaik als Strompreisbremse für Kommunen

Neues, annähern ovales Rathaus Freiburg mit Photovoltaik auf dem Dach aus Vogelperspektive fotografiertFoto: Fraunhofer ISE
Photovoltaik auf kommunalen Gebäuden, hier auf dem neuen Rathaus der Stadt Freiburg im Breisgau, wirkt für Kommunen schon jetzt als Strompreisbremse
Hohe Strompreise treffen auch die Kommunen. So ist es naheliegend, diese Kosten durch eigenen oder fremden Photovoltaik-Strom zu reduzieren. Und dies ist sogar gebäudeübergreifend möglich.

In der Gemeinde Weyhe südlich von Bremen war der Klimaschutz das wesentliche Motiv, eigene Solarstromanlagen auf die kommunalen Dächer zu bauen. Der Beschluss dazu sei im Jahr 2020 erfolgt, sagt Bürgermeister Frank Seidel. Alle Gebäude der Kommune sollen demnach eine Photovoltaik-Anlage bekommen. Mit dem Rathaus habe man begonnen und mittlerweile seien wei­tere Anlagen hinzugekommen. Ziel sei es, Stück für Stück auszubauen. „Und wir fangen mit den Anlagen an, die am meisten bringen”, so Seidel. Weyhe ist ein Beispiel für die Nutzung der Photovoltaik in Kommunen.

Photovoltaik-Anlagen als Sparbüchse für Kommunen

Im Jahr 2022 haben sich dabei die wirtschaftlichen Voraussetzungen komplett gewandelt. Städte und Gemeinden müssen mit einer Vervielfachung ihrer Energiekosten rechnen. So erwartet Daniel Philipp, Klimaschutzmanager im Main-Taunus-Kreis, Strombezugspreise von 40 Cent je Kilowattstunde. Trotz gestiegener Preise auch für Photovoltaik­anlagen sind deren Amortisations­zei­ten attraktiv. In Gebäuden von Kommunen arbeiten die Beschäftigten in der Regel tagsüber – Verbrauch und Erzeugung von Photovoltaik-Strom passen also per­fekt zusammen. Bei Strompreisen von 40 Cent oder mehr kann sich im Einzelfall sogar der Einsatz von Stromspeichern lohnen.

Titelseite der Zeitschrift Energiekommune - Ausgabe 1/23

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 1/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

Der Strom aus der eigenen Photovolta­ik­anlage kostet derzeit – je nach Anlagengröße – etwa zwischen acht und zwölf Cent. Die Einsparung liegt über die Betriebszeit von 20 und mehr Jahren in der Differenz zwischen den Kosten für die Eigenerzeugung und dem Strompreis. Dabei spielt auch den Kommunen in die Karten, dass ab dem 1. Januar 2023 der Mehrwertsteuersatz für alle PV-Komponenten und die Installationskosten auf 0 Prozent sinkt. Und dies gilt bei kommunalen Gebäuden, die nicht gewerblich genutzt werden, für jegliche Anlagengröße.

Beim kommunalen Photovoltaik-Ausbau planvoll vorgehen

Horst Roch, Geschäftsführer der Energieagentur Schaumburg, rät dazu, den PV-Ausbau planvoll voranzutreiben. Zunächst sollten sich die Verantwortlichen die eigenen Ziele vor Augen führen. Und wichtig sei es auch, einen Verantwortlichen zu benennen, der für den PV-Ausbau – eventuell gemeinsam in einem Team – zuständig ist. Es könne sogar sinnvoll sein, eine Stabsstelle einzurichten und einen speziellen Koordinator zu beschäftigen.
Da es meist kaum möglich ist, alle geeigneten Dächer sofort mit PV-Anlagen zu belegen, sei es empfehlenswert, so Roch, ein Gebäude- und Dach­ka­taster der eigenen Gebäude zu erstellen und darin die wesentlichen Voraussetzungen für den jeweiligen PV-Anlagenbetrieb zu verzeichnen.

Energieagenturen, Beratungsunternehmen und auch Vereine geben Kommunen hier durchaus Hilfestellung. So berichtet Michael Vogtmann von der Solarakademie Franken, die die Deut­sche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) betreibt, von einem wachsenden Interesse der Kommunen an der eige­nen Nutzung der Photovoltaik. Sie sei in der Prioritätenskala deutlich nach oben gerutscht. „Aber sie ist häufig noch nicht auf Platz eins”, so Vogtmann. Das könne dann dazu führen, dass der Ausbau eben doch nicht mit Nachdruck vorangetrieben werde. Die Photovoltaik sei trotz wirtschaftlicher Vorteile noch kein Selbstläufer. Eine Ursache dafür sei sicherlich in der Personalsituation zu sehen.

Welche Größe für Photovoltaik-Anlagen von Kommunen?

Aktuell stelle sich für viele Kommunen, die Photovoltaik-Anlagen bauen wollen, die Fra­ge, wie groß diese denn zu errichten seien, berichtet Vogtmann. Aus Klima­schutz­sicht sei es sinnvoll, die Dä­cher vollzumachen. Doch wenn dann ein Großteil des Stroms ins Netz eingespeist werden müsse, weil er im Ge­bäude keine Verwendung findet, sei dies aus ökonomischen Gründen schwierig. Und solche Entscheidungsfragen kön­n­ten letztlich auch dazu führen, dass die Entscheidung gar nicht getroffen wer­de. Ein Ausweg könne hier das Anlagensplitting sein: Eine Anlage dient als Einspeiseanlage und eine zweite speist den kompletten Strom für eine höhere Vergütung ins Netz.

Solarstrom produzieren oder einkaufen

Da im Jahr 2022 die EEG-Umlage weggefallen ist, kann es sich für Kommunen, die nicht selbst investieren wollen, auch lohnen, Solarstrom vom eigenen Dach einzukaufen. So könnte zum Beispiel eine Energiegenossenschaft eine solche Anlage betreiben und den Strom an die Kommune verkaufen. Die Einnahme wäre für die Genossenschaft höher als die reine Einspeisevergütung und die Kommune würde von einem deutlich geringeren Strompreis profitieren.

Allerdings kommt eine Wirtschaftlichkeitsanalyse wahrscheinlich zu dem Ergebnis, dass sich der Eigenbetrieb durch eine Kommune mehr lohnt als der Einkauf.

Je mehr eine Stadt oder Gemeinde vom selbst produzierten Strom selbst nutzen kann, desto geringer sind in der Regel die Amortisationszeiten. Es ist aber durchaus möglich, dass es in einem Gebäude einen hohen Stromverbrauch gibt, auf dem Dach des anderen aber die PV-Anlage wesentlich einfa­cher zu installieren ist. Liegen diese nicht weit auseinander, kann der Stromaustausch über ein eigenes Kabel erfolgen. Die Novellen des Erneuerbare-Ener­gien-Gesetzes in diesem Jahr ha­ben eine solche Lösung vereinfacht.

Noch günstiger wäre es, das öffentliche Stromnetz für den Austausch von Strom nutzen zu können. Dafür hat der Main-Taunus-Kreis gemeinsam mit seinem Stromversorger, der Süwag, schon 2018 ein Modell entwickelt. Alle Erneuerbare-Energien-Anlagen des Kreises und die Gebäude werden im Rahmen einer Viertelstunden-Messung in ein Strombilanzkreismodell eingebunden. So kann der Kreis den Strom vom Dach des einen Gebäudes in einem anderen – egal wo im Kreis – nutzen. Als zusätzliche Kosten fallen die Netzkosten und eine Gebühr für die Dienstleistung der Süwag als Bilanzkreisverantwortlicher an.

Netzkosten gesunken

Bis zu diesem Jahr war dieses Energy-Sharing noch mit der EEG-Umlage belastet. Die aber ist weggefallen und das Modell ist auch mit Blick auf die hohen Strompreise deutlich attraktiver geworden. So will nun auch der Landkreis Rostock, unterstützt von der Landesenergie- und Klimaschutzagentur Mecklenburg-Vorpommern GmbH (LEKA MV), den neuen Strombezugsvertrag an die Kombination mit einem Strombilanzkreis-Modell wie im Main-Taunus-Kreis koppeln. Das könnte helfen, die Strombezugskosten im Kreis zu drücken. Und dies würde ebenso für viele Kommunen gelten.

30.1.2023 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

Titelseite der Zeitschrift Energiekommune - Ausgabe 1/23

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 1/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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