Windenergie im Wald – Kommunen reden mit

Windenergie-Anlage im Wald über Baumkronen aus Froschperspektive vor blauem HimmelFoto: Guido Bröer
Windenergie im Wald ist zunehmend für Kommunen ein interessantes Thema. Laut einem Bundesverfassungsgerichtsurteil können Landesregierungen Windenergie im Wald nicht mehr generell ausschließen.

Rheinland-Pfalz ist nach einer Erhebung der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) dasjenige Bundesland, in dem im Bundesvergleich die meisten Windkraftanlagen auf forstwirtschaft­lich genutzten Flächen installiert sind. Und Rheinland-Pfalz ist zugleich das Land, in dem sich der höchste Anteil des Waldes im Besitz von Kommunen befindet. Diese Korrelation kann eigentlich kein Zufall sein – und sie ist es auch nicht. Denn als vor gut einem Jahrzehnt anderswo die Wogen gegen die Windkraft besonders hoch schlugen und viele Kommunalpolitiker sich nicht mehr trauten, gegen lautstarken Widerstand eindeutig für die Windnutzung in ihrer Kommune Partei zu ergreifen, da erlebten Teile von Rheinland-Pfalz das genaue Gegenteil.

Bürgermeister für Windenergie im Wald

Oft waren es die Bürgermei­sterin­nen und Bürgermeister der kleinen, selbstständigen Ortsgemeinden, die sich persönlich um die Ausweisung von Wind­nut­zungsge­bie­ten auf ihrem Gemeindegebiet stark machten. Denn eines hatte sich auf den windhöffigen Höhenlagen von Huns­rück, Pfälzer- und Westerwald herumgesprochen: Mit Wind können Gemeinden in diesen strukturschwachen Gebieten Geld verdienen.

Titelseite der Zeitschrift Energiekommune - Ausgabe 1/23

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 1/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

Besonders gut geht das, indem per Flächennutzungsplan die Pflanzung der Windtürme in den Kommunalwald verlegt wird, dann erhält die Kommune selbst die Pachteinnahmen. Und rund 25.000 Euro jährlich pro Windrad, wo­von womöglich mehrere im Gemeindewald stehen, das kann einer kleinen, bis dahin chronisch armen Kommune enorm helfen. Damit lassen sich beispielsweise Gewerbesteuern senken und es schafft Spielraum für Kindergär­ten, Bürgerbusse oder Wärmenetze. Noch mehr Einnahmen fließen in die Gemeindekasse, wo eine Kommune selbst den Mumm hat, sich im eigenen Wald an einer Betreibergesellschaft zu beteiligen.

Maßgeblich verantwortlich für den Windboom in rheinland-pfälzischen Wäldern war die dortige Landesregierung. Leitende Beamte des Umweltministeriums zogen in den 2010er-Jahren über die Dörfer, um für die damals noch neue Idee von Wind im Wald und für die kommunale Beteili­gung daran zu werben. Zwei damalige Weichenstellungen sind dabei bis heute bundesweit beispielhaft. Zum einen forcierte die Landesregierung die Idee der Wind-Solidarpakte zwischen Kommunen. Einnah­men aus Windkraftanlagen werden über Kommunalgrenzen hinweg geteilt. Werden in einer Kommune Windenergieanlagen im Wald platziert, so gibt die Standortgemeinde einen Anteil ihrer „Windfall Profits“ an die Nachbarge­mein­­den ab, die dafür teils auf Wind­turbinen auf dem eigenen Gebiet verzich­ten. So ha­ben alle, die auf die Windräder blicken, auch etwas von de­ren Geldsegen. Der erste Solidarpakt für Windenergie entstand schon 2009.

Landesforstbetrieb gibt Wind-Pachterträge an Kommunen ab

Die zweite Pioniertat der Mainzer Landesregierung: Der Landesforstbe­trieb, der etwa ein Viertel der Waldflä­che bewirtschaftet, bringt eigene Stand­orte in die kommunalen Solidarpakte ein. Bis zu 30 Prozent seiner Pacht­einnahmen tritt er so an die Kommunen in Sicht­weite der Windenergieanlagen ab. Dies sorgte für Kooperationsbereitschaft bei den Kommunalvertreter:innen und sichert Rhein­land-Pfalz bis heute den Spitzenplatz in der Wind-im-Wald-Statistik der FA Wind, inzwischen dicht gefolgt von Hessen.

Wie anders lief es derweil im eben­falls sehr waldreichen Thüringen: Auf den 550.000 Hektar Waldfläche des Freistaats dürfen aufgrund eines Ende 2020 vom Landtag beschlossenen generellen Verbots im Thüringer Waldgesetz keine Windräder genehmigt werden. Interessanterweise geht dieses Verbot auf eine Initiative von CDU und FDP zurück, die schon damals in der Opposition waren. Doch der zwei Jahre alte Passus ist jetzt nichtig. Dafür sorgt ein Grundsatzurteil des Bundesverfas­sungs­­ge­richts, das im September 2022 gefällt und im November verkündet worden ist.

Bundesverfassungsgericht kippt thüringer Verbot für Windenergie im Wald

Das Karlsruher Gericht erklärte das pauschale Windenergieverbot im Thüringer Waldgesetz für verfassungswi­drig, weil dem Land die Gesetzgebungskom­pe­tenz dafür fehle. Dies gelte aus verschiedenen Gründen, insbesondere aufgrund der Privilegierung der Windenergie durch den Bundesgesetzgeber im Baugesetzbuch. Deshalb stehe den Ländern ein derart pauscha­ler Ausschluss der Windenergie-Nutzung im Wald nicht zu. Die Verfassungsrichter:innen entsprachen da­mit der Klage von Waldbesitzern, die in der Regelung einen unzulässigen Eingriff in ihr Eigentumsrecht sahen.

Die FA Wind erwartet, dass auf­grund des Karlsruher Urteils auch andere Bundesländer ihre Regelungen gegeben­en­falls korrigie­ren müssen. Beispielsweise könnte dies für Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt zutreffen, die heute Windnut­zung in Forsten pauschal ausschließen.

Der Wind dreht sich in NRW-Wäldern

Nordrhein-Westfalen hat damit bereits begonnen. Die Landesregie­rung hat einen entsprechenden Erlass vorgeleg. Die 2022 ins Amt gekommene schwarz-grüne Landesregierung will damit die Windenergienutzung auf Kalamitätsflächen und in Nadelwäldern von der Ausnahme zur Regel machen. CDU und Grüne wollen damit die restrik­tiven Regeln der schwarz-gelben Vorgängerregie­rung weitgehend zurücknehmen.

Aktuell ist die Umwandlung von Waldflächen zwecks Windenergienutzung in NRW zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Jedenfalls sofern es sich um Nadelwald-Plantagen oder Kalamitätsflächen handelt. Doch Windenergie im Wald erlaubte die Vorgängerregierung ausdrücklich nur in besonderen Ausnah­men. Zuvor war nachzuweisen, dass der entsprechende Flächenbedarf nicht außer­halb von Waldgebieten gedeckt wer­den kann.

In den nächsten Jahren müssen nach dem 2022 vom Bundesgesetz­ge­ber verabschiedeten Wind-an-Land-Gesetzes (WaLG) und dem Windflächenbedarfsgesetz (WindBG) Planungsver­fah­ren in vielen Regionen Deutschlands neu aufgerollt werden. Anders ist das neue bundesweite Ziel nicht zu erreichen, durchschnittlich zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergienutzung auszuweisen. Dann können Kommunen auch durch Ausweisung von Windflächen im Wald ein Wörtchen mitreden. Auch was die finanzielle Seite angeht, sollten sie ihre Möglichkeiten ausloten und sich gegebenenfalls dabei juristisch beraten lassen.

11.2.2023 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Titelseite der Zeitschrift Energiekommune - Ausgabe 1/23

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 1/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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