Windenergie im Wald – Kommunen reden mit
Rheinland-Pfalz ist nach einer Erhebung der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) dasjenige Bundesland, in dem im Bundesvergleich die meisten Windkraftanlagen auf forstwirtschaftlich genutzten Flächen installiert sind. Und Rheinland-Pfalz ist zugleich das Land, in dem sich der höchste Anteil des Waldes im Besitz von Kommunen befindet. Diese Korrelation kann eigentlich kein Zufall sein – und sie ist es auch nicht. Denn als vor gut einem Jahrzehnt anderswo die Wogen gegen die Windkraft besonders hoch schlugen und viele Kommunalpolitiker sich nicht mehr trauten, gegen lautstarken Widerstand eindeutig für die Windnutzung in ihrer Kommune Partei zu ergreifen, da erlebten Teile von Rheinland-Pfalz das genaue Gegenteil.
Bürgermeister für Windenergie im Wald
Oft waren es die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der kleinen, selbstständigen Ortsgemeinden, die sich persönlich um die Ausweisung von Windnutzungsgebieten auf ihrem Gemeindegebiet stark machten. Denn eines hatte sich auf den windhöffigen Höhenlagen von Hunsrück, Pfälzer- und Westerwald herumgesprochen: Mit Wind können Gemeinden in diesen strukturschwachen Gebieten Geld verdienen.
Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 1/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!
Besonders gut geht das, indem per Flächennutzungsplan die Pflanzung der Windtürme in den Kommunalwald verlegt wird, dann erhält die Kommune selbst die Pachteinnahmen. Und rund 25.000 Euro jährlich pro Windrad, wovon womöglich mehrere im Gemeindewald stehen, das kann einer kleinen, bis dahin chronisch armen Kommune enorm helfen. Damit lassen sich beispielsweise Gewerbesteuern senken und es schafft Spielraum für Kindergärten, Bürgerbusse oder Wärmenetze. Noch mehr Einnahmen fließen in die Gemeindekasse, wo eine Kommune selbst den Mumm hat, sich im eigenen Wald an einer Betreibergesellschaft zu beteiligen.
Maßgeblich verantwortlich für den Windboom in rheinland-pfälzischen Wäldern war die dortige Landesregierung. Leitende Beamte des Umweltministeriums zogen in den 2010er-Jahren über die Dörfer, um für die damals noch neue Idee von Wind im Wald und für die kommunale Beteiligung daran zu werben. Zwei damalige Weichenstellungen sind dabei bis heute bundesweit beispielhaft. Zum einen forcierte die Landesregierung die Idee der Wind-Solidarpakte zwischen Kommunen. Einnahmen aus Windkraftanlagen werden über Kommunalgrenzen hinweg geteilt. Werden in einer Kommune Windenergieanlagen im Wald platziert, so gibt die Standortgemeinde einen Anteil ihrer „Windfall Profits“ an die Nachbargemeinden ab, die dafür teils auf Windturbinen auf dem eigenen Gebiet verzichten. So haben alle, die auf die Windräder blicken, auch etwas von deren Geldsegen. Der erste Solidarpakt für Windenergie entstand schon 2009.
Landesforstbetrieb gibt Wind-Pachterträge an Kommunen ab
Die zweite Pioniertat der Mainzer Landesregierung: Der Landesforstbetrieb, der etwa ein Viertel der Waldfläche bewirtschaftet, bringt eigene Standorte in die kommunalen Solidarpakte ein. Bis zu 30 Prozent seiner Pachteinnahmen tritt er so an die Kommunen in Sichtweite der Windenergieanlagen ab. Dies sorgte für Kooperationsbereitschaft bei den Kommunalvertreter:innen und sichert Rheinland-Pfalz bis heute den Spitzenplatz in der Wind-im-Wald-Statistik der FA Wind, inzwischen dicht gefolgt von Hessen.
Wie anders lief es derweil im ebenfalls sehr waldreichen Thüringen: Auf den 550.000 Hektar Waldfläche des Freistaats dürfen aufgrund eines Ende 2020 vom Landtag beschlossenen generellen Verbots im Thüringer Waldgesetz keine Windräder genehmigt werden. Interessanterweise geht dieses Verbot auf eine Initiative von CDU und FDP zurück, die schon damals in der Opposition waren. Doch der zwei Jahre alte Passus ist jetzt nichtig. Dafür sorgt ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts, das im September 2022 gefällt und im November verkündet worden ist.
Bundesverfassungsgericht kippt thüringer Verbot für Windenergie im Wald
Das Karlsruher Gericht erklärte das pauschale Windenergieverbot im Thüringer Waldgesetz für verfassungswidrig, weil dem Land die Gesetzgebungskompetenz dafür fehle. Dies gelte aus verschiedenen Gründen, insbesondere aufgrund der Privilegierung der Windenergie durch den Bundesgesetzgeber im Baugesetzbuch. Deshalb stehe den Ländern ein derart pauschaler Ausschluss der Windenergie-Nutzung im Wald nicht zu. Die Verfassungsrichter:innen entsprachen damit der Klage von Waldbesitzern, die in der Regelung einen unzulässigen Eingriff in ihr Eigentumsrecht sahen.
Die FA Wind erwartet, dass aufgrund des Karlsruher Urteils auch andere Bundesländer ihre Regelungen gegebenenfalls korrigieren müssen. Beispielsweise könnte dies für Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt zutreffen, die heute Windnutzung in Forsten pauschal ausschließen.
Der Wind dreht sich in NRW-Wäldern
Nordrhein-Westfalen hat damit bereits begonnen. Die Landesregierung hat einen entsprechenden Erlass vorgeleg. Die 2022 ins Amt gekommene schwarz-grüne Landesregierung will damit die Windenergienutzung auf Kalamitätsflächen und in Nadelwäldern von der Ausnahme zur Regel machen. CDU und Grüne wollen damit die restriktiven Regeln der schwarz-gelben Vorgängerregierung weitgehend zurücknehmen.
Aktuell ist die Umwandlung von Waldflächen zwecks Windenergienutzung in NRW zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Jedenfalls sofern es sich um Nadelwald-Plantagen oder Kalamitätsflächen handelt. Doch Windenergie im Wald erlaubte die Vorgängerregierung ausdrücklich nur in besonderen Ausnahmen. Zuvor war nachzuweisen, dass der entsprechende Flächenbedarf nicht außerhalb von Waldgebieten gedeckt werden kann.
In den nächsten Jahren müssen nach dem 2022 vom Bundesgesetzgeber verabschiedeten Wind-an-Land-Gesetzes (WaLG) und dem Windflächenbedarfsgesetz (WindBG) Planungsverfahren in vielen Regionen Deutschlands neu aufgerollt werden. Anders ist das neue bundesweite Ziel nicht zu erreichen, durchschnittlich zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergienutzung auszuweisen. Dann können Kommunen auch durch Ausweisung von Windflächen im Wald ein Wörtchen mitreden. Auch was die finanzielle Seite angeht, sollten sie ihre Möglichkeiten ausloten und sich gegebenenfalls dabei juristisch beraten lassen.
11.2.2023 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH
Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 1/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!