Italien tritt bei Biomethan aufs Gaspedal

Im Vordergrund Kühe in einem Laufstall, im Hintergrund: Biomethan-TankstelleFoto: Oliver Ristau
Auf dieser Tankstelle (Hintergrund) leben die Kraftstoffproduzenten gleich neben den Zapfsäulen.
Biogas als Motor der Mobilität: In Italien kommt es immer mehr in den Tank – als Biomethan für Pkw und Bio-LNG für den Schwerlastverkehr. Mit Milliarden Euro und der Unterstützung aus Brüssel will Rom die Produktion des Ökomethans bis 2026 mehr als verdoppeln.

Auf dieser Tankstelle leben die Rohstoffproduzenten gleich bei den Zapfsäulen. Es sind schwarz-weiße Rinder, weder zu übersehen noch zu überhören. Auf dem Hof der Familie Cella dreht sich alles um die Tiere. Nicht nur, weil ihre Milch für hofeigenes Eis und Ricotta-Käse gefragt ist. Ihr Dung trägt auch 75 Prozent zur eigenen Produktion von Biogas bei. Den Rest liefern sonstige Abfallstoffe der Landwirtschaft. Die Cellas bereiten das Biogas hinter den Ställen zu Biomethan auf, das sie über ihre Tankstelle verkaufen.

Nicoletta Cella freut sich, aus Kuhmist, der normalerweise entsorgt würde, einen Kraftstoff machen zu können. „Unser Hof möchte zeigen, was Kreislaufwirtschaft bedeutet“, sagt sie. „Die Entscheidung haben wir dabei auch unter wirtschaftlichen Aspekten getroffen.“ Nicht nur, dass der als Folge des Ukrainekriegs gestiegene Erdgaspreis Biomethan aus dem Stand wirtschaftlich gemacht hat. Für den Kraftstoff gibt es zudem ein grünes Zertifikat. Das können sie an andere Tankstellen­betrei­­ber verkaufen, die keine oder zu wenig Biokraftstoffe anbieten.

Verdoppelung von Biomethan in drei Jahren

Für die Regierung in Rom ist das aufbereitete Biogas neben der Photovoltaik (rund 13 Prozent des italienischen Stroms) eine der heimischen regenerativen Energiequellen mit viel Potenzial. Seit 2018 fördert Rom mit dem Wohlwollen Brüssels die Produktion als Kraftstoff und zur Einspeisung ins Erdgasnetz. Und aus dem Nationalen Wiederaufbaufonds – zur Bekämpfung der Folgen der Coronakrise mit EU-Unterstützung geschaffen – gibt es weitere 1,7 Milliarden Euro. Das Ziel: bis Ende 2026 ein zusätzliches Produktionsvolumen von 2,5 Milliarden Kubikmeter an den Markt zu bringen. Das wäre laut Italiens Bioenergieverband CIB mehr als doppelt so viel wie bisher.

Die EU sieht Italien dabei neben Deutschland und Frankreich als wichtigsten Erfüllungsgehilfen für das Ziel der Gemeinschaft an, die Biomethanproduktion bis 2030 auf 35 Milliarden Kubikmeter zu vervielfachen. Die rund sechs Milliarden für Italien geplanten Kubikmeter wären knapp zehn Prozent des dortigen Erdgasbedarfs.

Biomethan-Ausschreibungen sollen in Italien bald starten

Doch während in Deutschland die Bioenergie-Verbände immer noch über die Förderung mit der Politik streiten, weil die Grünen skeptisch bleiben, gibt sich Italiens CIB zuversichtlich: „Die Perspektiven für den Biomethansektor sind sehr positiv“, sagt Verbandsdirektor Christian Curlisi. Er erwartet, dass die Ausschreibungen für die Kapazitäten in Kürze starten werden.

Die stärkere Akzeptanz von Biomethan hat auch damit zu tun, dass anders als in Deutschland die Erdgasmobilität Normalität ist. Auf den Straßen sind schätzungsweise eine Million Fahrzeuge mit Erdgasantrieb (Compressed Natural Gas = CNG) unterwegs. Außerdem existieren mehr als 1.500 CNG-Tankstellen im Land. Sie alle können mit Biomethan ihren CO2-Fußabdruck verbessern.

Brummis tanken Bio-LNG

Ein spezielles Interesse kommt dabei von der Logistikbranche. So hat unlängst der deutsche Discounter Lidl für seine 700 Märkte in Italien den Ausbau der Belieferung mit Bio-LNG-Fahrzeugen beschlossen. Für den Konzern bietet das die Option, seine Klimabilanz zu verbessern, zumindest so lange, bis batterieelektrische Lkw und solche mit Wasserstoff marktreif sind.

Denn die Motorentechnologie für verflüssigtes Gas ist bei den Brummis bereits etabliert. Der italienische Lkw-Produzent Iveco hat mehrere solcher Motoren serienmäßig im Programm. Kein Wunder, dass Iveco zusammen mit anderen Logistikpartnern auch an einer der ersten großen Bio-LNG-Tankstellen im Land beteiligt ist. Die Tankstelle Wipptal steht den Mitgliedsunternehmen in Sterzing, nahe der Grenze zu Österreich, am Brenner zur Verfügung. Das Dach der Station ziert die Skulptur einer Kuh. Denn ähnlich wie bei den Cellas aus Piacenza stammt das Biogas vom Brennerpass vor allem von Gülle und Mist.

21.11.2023 | Autor: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

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