Schutz der Moore mit Photovoltaik als kommunale Chance
Für viele Kommunen ist die Wiedervernässung von Mooren einer der stärksten Hebel für den Klimaschutz. Die Stadt Greifswald hat mit ihrer Moorschutzstrategie und einer eigenen Moormanagerin Neuland betreten. Auch Photovoltaik kann dem Moor helfen.
Der Caspar-David-Friedrich-Blick auf die Stadt Greifswald, den der Frühromantiker 1821 in seinem berühmten Gemälde „Wiesen bei Greifswald“ festhielt, hat sich seitdem nur wenig verändert. Doch die feuchten Wiesen im Vordergrund, durch den Fluss Ryck von der Innenstadtkulisse mit ihren wuchtigen Kirchtürmen getrennt, sind heute nicht mehr, wie sie mal waren. Lange vor Friedrichs Zeiten Teil eines Moorgürtels, der die Stadtgründer als natürliches Bollwerk vor Feinden schützte, degeneriert der Moorboden hier spätestens seit der massiven Trockenlegung in den 1960er-Jahren rasant. Der Torf, bestehend aus teils jahrtausendealten Pflanzenteilen, löst sich buchstäblich in Luft auf. Er verrottet, sobald er mit Sauerstoff in Berührung kommt. Resultat ist das Klimagas Kohlendioxid.
Hoher Anteil an Treibhausgasen aus trockengelegten Mooren
Für das moorreiche Bundesland Mecklenburg-Vorpommern geht die Wissenschaft davon aus, dass 37 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus dieser laufenden Zersetzung trockengelegter Moorböden stammen. Die gute Nachricht: Durch Wiedervernässung lässt sich dieser Effekt anhalten und die weitere Treibhausgasemission stoppen. Genau das ist der Job von Annie Wojatschke im Liegenschaftsamt der Universitäts- und Hansestadt Greifswald. Sie ist Deutschlands wahrscheinlich erste Moormanagerin in kommunalen Diensten. Und ihre Aufgabe hat es in sich. Über 470 Hektar an landwirtschaftlich genutzten Moorböden befinden sich in den Grenzen der Stadt, davon sind 360 Hektar im kommunalen Eigentum. Die Moormanagerin kümmert sich außerdem um mehrere Hundert Hektar in Nachbarkommunen, die sich im Eigentum der Stadt Greifswald befinden.
Moor muss nass!
Für Expert:innen ist längst klar: „Moor muss nass!“ Das ist der Wahlspruch des Greifswald Moor Centrums (GMC), einer international renommierten Einrichtung auf dem Gebiet der Moorforschung. An der Wiedervernässung von Mooren geht kein Weg vorbei, wenn Deutschlands Kommunen bis zur Mitte des Jahrtausends klimaneutral werden wollen. Bundesweit müssten dafür jährlich 50.000 Hektar wiedervernässt werden. Eine enorme Zahl.
Rückenwind gibt es dafür auch von der Europäischen Union. Erst vor zwei Monaten haben sich das Europäische Parlament und der Rat der Mitgliedsländer auf eine verbindliche „Richtlinie zur Wiederherstellung der Natur“ geeinigt. Jeweils 20 Prozent der Landfläche und der Meere sind demnach aus Klimaschutzgründen in einen natürlichen Zustand zu bringen. Die Wiedervernässung trockengelegter Meere spielt dabei insbesondere in Norddeutschland eine wesentliche Rolle.
Moorschutzstrategie
Noch bevor diese Richtlinie in Brüssel offiziell verabschiedet worden ist, hat die Stadt Greifswald den nächsten Schritt gemacht. Am 4. Dezember hat das Kommunalparlament, die Bürgerschaft, eine Moorschutzstrategie für die Stadt beschlossen. Sie enthält eine Tabelle, auf der 18 Gebiete mit jeweils ein- und dreistelligen Hektarzahlen identifiziert werden. Deren Wiedervernässung gilt es nun zu priorisieren und dann nach und nach umzusetzen. „Ein Ziel der Moorstrategie war es, für die nächsten Schritte ein klares Votum der Bürgerschaft einzuholen“, sagt die Moormanagerin.
Das allerdings fiel keineswegs einstimmig aus. Die Abstimmung ergab zwar mit 19 Jastimmen eine eindeutige Mehrheit für die Moorstrategie. Doch elf Neinstimmen aus den Fraktionen AfD und CDU zeigen, dass das Thema bis heute umstritten ist.
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Oft seien es ganz einfache praktische Fragen, die die Menschen beim Thema Wiedervernässung beschäftigen, erzählt Greifswalds Moormanagerin: „Leute fragen mich, ob sie auf den Flächen denn künftig noch mit ihrem Hund spazieren gehen könnten oder ob man da versinke.“ Auch sei die Angst vor einer Mückenplage verbreitet. Dann erklärt sie, dass es beim Großteil der Wiedervernässungen, über die man heute rede, gerade nicht um das Wiederherstellen von Sümpfen und Naturschutzgebieten gehe. „Wir wollen eine Nutzung der wiedervernässten Flächen weiterhin ermöglichen“, sagt Wojatschke. Daran hat die Stadt schon deshalb ein Eigeninteresse, weil die Pachteinnahmen aus der heutigen landwirtschaftlichen Nutzung einen erklecklichen Beitrag zum kommunalen Haushalt leisten.
Richtiger Wasserstand stoppt CO2-Emissionen
Die Kunst besteht darin, in den degenerierten Moorböden den Wasserstand so zu kontrollieren, dass der CO2-Ausstoß gestoppt wird, aber die Fläche weiterhin mit Spezialmaschinen bewirtschaftet werden kann.
„Jeder Zentimeter, den man mit dem Pegel näher an die Oberfläche herankommt, ist für den Klimaschutz gut“, erklärt Wojatschke. In der Regel sollten Pegelstände nicht mehr als 10 bis 20 Zentimeter unter Flur liegen, erläutert Monika Hohlbein, Wissenschaftlerin im GMC. Damit lasse sich die Zersetzung des Torfes samt Klimaeffekt weitgehend stoppen.
Technisch ist das keineswegs trivial. Beispiel Caspar-David-Friedrich-Blick: Würde man hier einfach das Schöpfwerk abstellen, die Entwässerungsgräben verschließen und die Deiche schleifen, dann würde sich dem heutigen Zeitgenossen eine deutlich andere Szene darbieten als dem Romantik-Maler im Jahr 1821. Statt feuchter Moorwiesen bildete sich heute schnell eine durchgängige Wasserfläche vor den Toren Greifswalds. Denn entwässerter Moorboden verliert pro Jahr im Schnitt einen Zentimeter an Mächtigkeit. Hier hat er in den letzten Jahrzehnten so viel Torf-Substanz an die Atmosphäre verloren, dass das Niveau der Wiesen nun unter dem Pegel des Flusses liegt. Man wird also auch künftig am Ryck ein Pumpwerk betreiben müssen, wenn die Fläche nach der Wiedervernässung nutzbar bleiben soll.
Von der Landwirtschaft erfordert ein klimagerechter Wasserstand dennoch eine radikale Anpassung. An intensive Grünlandbewirtschaftung, geschweige denn Ackerbau, sei auf gründlich wiedervernässten Flächen nicht zu denken, erklärt Hohlbein. Paludikultur ist vielmehr das Stichwort, mit dem Land- und Forstwirtschaft auf nassen Moorflächen beschrieben werden. Eine der Optionen sind beispielsweise Schilfarten, die geerntet und zu Dämmstoffen verarbeitet werden können. 50 Kilometer westlich von Greifswald, in Malchin, wird eine andere Option getestet. Dort wird mit Halmgut von Paludiflächen ein Fernwärmeheizwerk gefüttert. Im großen Maßstab sind die Technologien allerdings noch nicht erprobt und verfügbar.
Photovoltaik im Moor
Das Gleiche gilt für den Hoffnungsträger Moor-Photovoltaik. Seit Anfang 2023 ist die Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) auf entwässerten und landwirtschaftlich genutzten Moorböden nach EEG im Prinzip förderfähig, sofern diese Flächen dauerhaft wiedervernässt werden. Doch bislang gibt es noch kein einziges Solarkraftwerk, das nach den EEG-Regeln als Moor-PV-Anlage gefördert wird. Gleichwohl existiert schon mindestens eine große Solaranlage im Moor: ein 20-Megawatt-Solarpark südwestlich des schleswig-holsteinischen Ortes Lottorf. Betrieben wird die Anlage von der Wattmanufactur GmbH & Co. KG.
Obwohl die Fläche unmittelbar neben einer zweispurigen Bahnstrecke liege, habe die untere Naturschutzbehörde zunächst abgewunken, erinnert sich Wattmanufactur-Planer Thies Jensen. Aus Naturschutzgründen sollte dieses Gelände für eine PV-Anlage tabu sein. Das sehe nur anders aus, wenn die zuvor als Intensivgrünland genutzte Fläche auf trockengelegtem Moorboden wiedervernässt werden könne. So entstand vor zwei Jahren aus dieser Idee eine solare Freiflächenanlage mit Win-win-Effekt. Die Treibhausgasemissionen durch die Zersetzung des ausgetrockneten Moorbodens wurden gestoppt. Und zugleich wird auf der Fläche Solarstrom gewonnen, der fossile Energie ersetzt.
Photovoltaik im Moor ist Neuland
„Wir haben unendlich viel bei dem Projekt gelernt“, sagt Jensen. Schon mit der Gründung der Anlage auf den Stahlfundamenten betrat die Wattmanufactur Neuland. Die verzinkten Stahlpfosten wurden durch den bis zu zwei Meter starken Moorkörper in den darunter liegenden festen Untergrund gerammt. Denn eine Verankerung im schwammigen Torfboden schien ausgeschlossen. „Unser Statiker hat gesagt, für ihn sei Torf wie Luft“, berichtet Jensen.
Als Besonderheit ist die PV-Anlage in Lottorf einachsig nachgeführt. Für die bewegten Photovoltaik-Module hat man sich dort entschieden, um den typischen Moorpflanzen, die sich zwischen und unter den Modulreihen entwickeln sollen, ausreichend Licht zukommen zu lassen.
„Pflanzen sind als Abdeckung für den Torf wichtig“, betont Monika Hohlbein vom Greifswald Moor Centrum. Fehle die Pflanzenschicht, so trockne der Torf oberflächlich aus und die CO2-Emission gehe trotz der Wiedervernässung weiter.
Wie bald und wie gut ein degenerierter Moorboden bei Wiedervernässung in Kombination mit einer PV-Anlage sein ökologisches Potenzial entfalten kann, darüber gebe es noch keine Erfahrungen, sagt Hohlbein.
Kriterien für Moor-PV
Mit dieser Ungewissheit musste auch die Bundesnetzagentur leben, als sie im Juli 2023 ihren gesetzlichen Auftrag erfüllt hat, technische Kriterien für Moor-PV-Anlagen gemäß EEG zu veröffentlichen. Laut dieser Festlegung sind in Moor-PV-Parks Mindestwasserstände von zehn Zentimeter unter Flur im Winter und 30 Zentimeter unter Flur im Sommer „anzustreben“.
Einen verbindlichen Mindestwasserstand nennt die Bundesnetzagentur nicht. Eine zentimetergenaue Einhaltung auf der gesamten Fläche sei auch schwierig zu erreichen, erklärt Hohlbein. Die genannten Wasserstände sollten PV-Projektierer aber auch nicht als bloße Empfehlungen missverstehen, betont sie: „Ein hydrologisches Gutachten zu beauftragen, macht immer Sinn.“
Autor: Guido Bröer © Solarthemen Media GmbH – Artikel aus Energiekommune, Ausgabe 1/2024
Dieser Artikel ist original in der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabo mit drei Ausgaben!