Mit Windenergie lokale Wertschöpfung erzielen

Windpark in Mecklenburg-Vorpommern bei Aprilwetter. Vordergrund: Grünes Getreidefeld, Himmel Dunkle Wolken.Foto: Guido Bröer
Eine bundeseinheitliche Pflicht zur finanziellen Beteiligung von Kommunen und Bürger:innen an den Erträgen von Windparks wird es vorerst nicht geben. Kommunen sind auf Landesgesetze und auf ihr Verhandlungsgeschick angewiesen.

Manche Dörfer in Deutschland sind durch Windkraftanlagen ihre finanziellen Sorgen losgeworden. Ein bekanntes Beispiel sind die benachbarten Hunsrück-Dörfer Neuer­kirch und Külz. Die konnten schon 2015 jedem interessierten Hausbesitzer die Anschlussge­bühr an ihr damals neu gebautes gemeinsames Wärmenetz schen­­ken. Die 4000 Euro pro Hausanschluss nahmen sie aus den Pachteinnahmen, die beide Kommunen von den Betreibern mehrerer Windkraftanlagen auf gemeindeeigenem Grund erhielten. Bei der Ausweisung von Windenergieflächen hatten die selbstständigen Gemeinden darauf geachtet, dass Windräder im Kommunalwald errichtet wur­den. Das vermeidet Neiddebatten zwi­­­schen Landeigentümern und spült Geld in die Gemeindekasse. Ein Musterbeispiel – aber kein seltenes – für lokale Wertschöpfung aus Windenergie.

Direkte Pachteinnahmen von Kommunen aus Windkraftanlagen sind bei bundesweiter Betrachtung zwar nicht ganz selten, aber doch eher ein Glücks­fall. Denn nicht jede Gemeinde, auf deren Gebiet jetzt aufgrund des Windflächenbedarfsgesetzes neue Eignungsgebiete für die Windkraftnutzung ausgewiesen werden, verfügt über eigene für Windräder geeignete Ländereien. Und dass gar eine Kommune selbst oder indirekt über ihr Stadtwerk ein Windrad betreibt, um damit Gewinne zu erzielen, ist auch eher selten.

Lokale Wertschöpfung aus Windenergie?

Um so wichtiger ist es aus kommunaler Sicht, sich Gedanken über alternative Wege zu machen, wie aus den teils üppigen Erlösen, die mit bestehenden oder künftig zu errichtenden Windenergieanlagen erzielt werden, lokale Wertschöpfung werden kann – sei es über die Gemeindekasse oder über Einnahmen von Unternehmen und Bür­ger:innen vor Ort. Da die nicht alle glücklich sind, über den Anblick der 200 Meter hohen Bauwerke in ihrer Nachbarschaft, könnte finanzielle Beteili­gung auch die Akzeptanz erhöhen.

Titelbild ENergiekommune 4/24

Eine legale Möglichkeit eröffnet seit einigen Jahren § 6 des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG). Betreiber von Windkraftanlagen – und mittlerweile auch von Solarparks – dürfen bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde des erzeugten Stroms an die Standortkommunen und andere Gemeinden in 2,5 Kilometer Umkreis des Turmfußes zahlen, ohne dadurch in strafrechtlich relevanten Bestechungsverdacht zu geraten. Andersherum dürfen Kommunen das Geld für ihre Gemeindekasse annehmen, ohne dass Bürgermeister:in oder die Gemein­de­rats­mitglieder sich der Bestechlich­keit schuldig machen. Allerdings sind diese Zahlungen, die seit Anfang 2023 nicht mehr nur für neue, sondern auch für bestehende Windkraft- und Solaranlagen vertraglich vereinbart werden können, für die Anlagenbetreiber freiwillig. Eine Kommune darf Projektie­rer und Betreiberunternehmen, die nicht bereit sind, die 0,2-Cent-Schenkung zu leisten, deshalb nicht benachteiligen.

Bundesweiter Flickenteppich

Stattdessen hatten die Verbände der Erneuerbaren-Energien-Branche seit Einführung des § 6 EEG stets gefordert, dass der Bundesgesetzgeber die Zahlungen verpflichtend machen solle. Dies würde für Kommunen von Anfang an Klarheit schaffen und für die Anlagenbetreiber entstünde bei den Strom­ko­sten ein Level Playing Field, auf dem alle die gleichen Chancen haben.

Doch vorerst wird es eine verpflichtende Kommunalbeteiligung auf Bundesebene nicht geben, obwohl das eigentlich alle Beteiligten, einschließlich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), gut fänden. Denn es bestehen seit Beginn der Diskussion juristische Bedenken, ob eine bundesweite Zahlungspflicht verfassungsrechtlich zulässig sei. Das Ministerium des Grünen Robert Habeck hatte deshalb ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis seit Dezem­ber vorliegt und das die juristischen Zweifel erhärtet hat. Der Gutach­ter, Professor Martin Kment aus Augsburg, kam zu dem Ergebnis, dass der Bund eine solche Zahlungspflicht an die Kommu­nen aus verschiedenen Grün­den nicht vorschreiben dürfe.

Habeck nimmt Abstand von bundesweiter Beteiligungspflicht

Daraufhin hatte sich auch Habeck festgelegt, dass man von Seiten des Bundes keine verpflichtenden Zahlun­gen vorschreiben könne, so sehr dies die Branche auch weiterhin fordert. Denn dass anstelle des Bundes nun die Länder ihre Bemühungen verstär­ken, mittels eigener Gesetze die Lücke zu füllen, führt zunehmend zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Lösungen. Während die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern (MV), das als erstes Bundesland bereits 2016 ein Bürger- und Gemeinde-Beteiligungsgesetz für die Windenergie einführte, schon an der zweiten großen Novelle des Geset­zes arbeitet, gibt es in den meisten Bundesländern noch nichts dergleichen. Zwar stieß das MV-Gesetz in seiner ursprünglichen Form nicht überall auf Gegenliebe, aber immerhin hat es die Landesregierung mit der aktuell gültigen Gesetzes­fas­sung geschafft, dass im Nordosten kein neues Windrad gebaut wird, ohne dass die Kommunen im Umfeld mindestens in Höhe der bundesgesetzlichen „Empfehlung“ an den Erlösen beteiligt werden. Die bundesweite Kann-Regelung ist hier zum Mindeststandard geworden.

Derweil hat auch die Landesregierung von Brandenburg eine Novelle ihrer Kommunalbeteiligung angeschoben. Müssen Windkraftbetreiber dort seit 2020 pauschal 10.000 pro Windturbine jährlich an die Kommune zahlen, soll sich der Satz künftig an der Leistung der Anlagen orientieren. Das Landeskabinett hat Anfang März beschlossen, dass Windmüller künftig 5000 Euro pro Megawatt (MW) und Jahr zahlen sollen. Für ein modernes 6-MW-Windrad könnten Kämmerer also 30.000 pro Jahr fest für die Gemeindekasse einplanen. Die Gesetzesnovelle, die ab Anfang 2026 greifen soll, muss allerdings zunächst im Landtag debattiert und beschlossen werden. Bereits mit der aktuellen Fassung des „Windeuro“ nehmen die Standortkommunen in Brandenburg zusammen 1,87 Millionen Euro pro Jahr ein. Hinzukommen werden ab 2025 Zahlungen nach dem kürzlich vom Landtag beschlossenen „Solareuro“, der nach dem gleichen Prinzip als Zahlungspflicht in Höhe von 2000 Euro pro MW auf Betreiber neuer Solarparks zukommt.

Andere Länder ziehen nach

Auch in NRW sind Städte und Gemein­den seit Anfang des Jahres nicht mehr in der Rolle des Bittstellers, wenn es um Einnahmen aus neuen Windkraftanla­gen geht. Das dortige Beteiligungsge­setz lässt den Verhandlungspartnern allerdings vielfältige Freiheiten bei der Wahl einer geeigneten Beteiligungsmöglichkeit. In drei weiteren Bundesländern, Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt sind entsprechende Gesetzentwürfe im Entscheidungsprozess. Man darf gespannt sein, wann andere Länder aktiv werden.

Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH

Titelbild ENergiekommune 4/24

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