Zwei Erdbecken-Wärmespeicher als Labor

Im Hintergrund das Gebäude von Solmax, im Vordergrund die Erdbecken-WärmespeicherFoto: Solmax
Effiziente und günstige Langzeit-Wärmespeicherung gilt als Schlüsseltech­no­lo­gie der Energiewende – und steckt trotz langjähriger Erfahrungen doch noch in den Kinderschuhen. Zwei experimentelle Wärmespeicher entstehen zurzeit in Rechlin an der Müritz. In dem Forschungsprojekt will der Geokunststoff-Hersteller Solmax neue Techniken für die nächste Generation von Erdbecken-Wärmespeichern erproben.

Seit Tagen hat sich die Sonne nicht sehen lassen, kein Lüftchen regt sich. Dunkelflaute in Norddeutschland. Und jetzt hat es bei Temperaturen um null Grad auch noch angefangen zu schneien. Selbst schuld, wer als Reporter im November ein Energiewendeprojekt besucht. Doch genau in solchen Wetterphasen soll sich künftig bewähren, woran hier auf dem Firmengelände der Solmax Geosyntetics GmbH in Rechlin – unmittelbar an der Grenze des Müritz-Nationalparks – gearbeitet und geforscht wird: Erdbecken-Wärmespeicher.

Im Projekt „Efficient Pit“, das vom Bundeswirtschaftsministerium mit knapp 1,4 Millionen Euro gefördert wird, wollen Bauingenieur Thomas Labda und sein kleines Ingenieurteam entwickeln und erproben, wie sich möglichst effizient Sonnenenergie aus dem Sommer für die dunkle und kalte Jahreszeit speichern lässt. Erdbecken-Wärmespeicher gelten dafür heute als relativ kostengünstige und vielseitige Option.

Mehrzweck-Wärmespeicher

Und nicht nur zum saisonalen Ausgleich solarer Wärme kommen sie zum Einsatz. Im Zuge der Sektorenkopplung zeigt vor allem Dänemark, wo bereits etwa ein Dutzend dieser Anlagen von Fernwärmeversorgeren genutzt wird, dass sich auch überschüssiger Windstrom einlagern und Abwärme von Müllverbrennungsanlagen darin puffern lässt. Für Deutschland verweist das Steinbeis-Forschungsinstitut Solites, das mit Solmax im Projekt Efficient Pit zu­sam­- menarbeitet, auf derzeit mindestens zehn konkrete Planungen für Erdbecken-Wär­me­spei­cher. Sprich: Es entwickelt sich gerade ein Markt.

Als ein führender Hersteller von sogenannten Geokunststoffen hat Solmax seit 2012 bereits acht Wärmespeicherbecken mit seinen tempera­tur­be­ständigen Dichtungsbahnen ausge­stattet. Jetzt will man den nächs­­ten Schritt gehen, wie Labda mit Blick auf die Baustelle erklärt: „Wir entwickeln die nächste Generation von Erdbecken-Wärmespeichern. Und das ist unsere Spielwiese. Ich kann hier künftig Neues ausprobieren, bevor ich damit zum Kunden gehe.“

Die beiden Experimentalspeicher, für die die Erdarbeiten beinahe abgeschlossen sind, haben zwar bei Weitem nicht die Ausmaße jener Speicherbecken, die bei Fernwärmeversorgern im Einsatz sind. Während der bislang größte Speicher im dänischen Vojens 200.000 Kubikmeter Fernwärmewasser fasst und die Branche auch Millionen-Kubikmeter-Volumina für realistisch hält, fassen die zwei Becken in Rechlin „nur“ 1.800 beziehungsweise 3.000 Kubikmeter. Klein, aber oho. Denn diese Prototypen stecken voller Innovationen. Die augenfälligste Neu­erung zeigt sich schon jetzt in ihrer Form: Die Böschungen sind hier sehr viel steiler als bei allen zuvor realisierten Erdbecken-Wärmespeichern.

Steile Böschungen

Lag der bisherige Rekord – im hessischen Bracht – bei einem Böschungswinkel von 29 Grad, so erreicht der eine Speicher in Rechlin bereits 34 Grad. Beim zweiten, dessen Form an ein Schwimmbecken erinnert, sind es sogar 70 Grad. Fast senkrecht scheinen die sechs Meter tiefen Speicherwände angelegt zu sein. Möglich wird dies, indem bei beiden Becken eine kunststoffbewehrte Erdkonstruktion in den Dammkörper eingearbeitet wird.

Diese vliesähnlichen Geogitter werden ebenfalls von Solmax gefertig. In Lagen von 60 Zentimetern Abstand waa­ge­recht verlegt und mit dem Bodenaushub verdichtet geben sie den Erdkörpern Festigkeit und Halt. Für den steileren der beiden Wärmespeicher haben die Ingenieure außerdem eine Art Wickeltechnik optimiert. Die vliesartigen Geogitter werden an der Spei­cher­innenseite umgelegt, sodass an den beinahe senkrechten Wänden des Speicherbeckens nichts bröseln kann.

Bauform entscheidend für Kosten

Wenn sich diese Bauform bewährt, wird man Erdbecken-Speicher viel unabhängiger von der Beschaffenheit des Untergrundes einsetzen können. Vor allem aber könnte eine steilere Bauform den Flächenbedarf verringern, das Oberfläche-Volumen-Verhältnis verbessern, somit auch die Ausmaße der aufwendigen Deckelkonstruktion minimieren und letztlich die Kosten pro gespeicherter Megawattstunde Wärme senken.

„Die Böschungen müssen auch im Hinblick auf die Installation der Abdichtung insbesondere während der Bauphase standfest sein“, erklärt Labda. „Später, wenn der Wasserdruck entgegenwirkt, ist die Sorge geringer, dass die Konstruktion instabil wird.“

Bislang haben sich die Erwartungen der Konstrukteure erfüllt. Dabei betont Labda immer wieder, wie wichtig es sei, die Ideen nicht nur im Kopf und auf dem Computer zu entwickeln, sondern auch in der Praxis selbst zu überprüfen. „Ich kann hier künftig vieles ausprobieren, bevor ich damit zum Kunden gehe“, sagt der Ingenieur, der nicht nur Entwickler ist, sondern als Key Account Manager Renewable Ener­gy auch den Vertrieb leitet.

Deckelkonstruktionen für Erdbecken-Wärmespeicher

Um mit den Experimenten möglichst schnell voranzukommen, entstehen gleich zwei Speicher nebeneinander. Damit kann das Team mehrere Lösungen parallel testen. So sollen beispielsweise verschiedene Deckelkonstruktionen erprobt werden. Labda geht davon aus, dass die ersten Deckel der neuen Forschungsspeicher bereits nach einer Heizsaison wieder abgenommen werden, um sie auf Herz und Nieren zu untersuchen und anschließend durch modifizierte Konstruktionen zu ersetzen.

Denn die schwimmende, ge­dämm­­te Abdeckung gilt als heikelstes Element der bisher realisierten Erdbecken-Wärmespeicher. Unter anderem hatte die erste Generation in Dänemark Probleme mit von unten in die Dämmschicht diffundierender Feuchtigkeit und der Ableitung von Regenwasser.

Ein Knackpunkt ist auch die dauerhafte Temperaturbeständigkeit der Kunststoffdichtungsbahnen. Denn je näher ein druckloser Wärmespeicher an das theoretische Maximum von 100 Grad Celsius herangeführt werden kann, desto größer seine Wärmespeicherkapazität – und desto vielseitiger seine Einsatzmöglichkeiten.

Test neuer Baumaterialien

Im Projekt Efficient Pit will Solmax Geosyntetics deshalb auch eine neue Generation seiner hochtemperaturbeständigen PE-Dichtungsbahnen einsetzen und testen. Die Vorgabe ist, dass dieses Material eine Dauerbelastung von 95 Grad Celsius über mindestens 30 Jahre ohne Qualitätseinbuße überstehen soll. Zugleich muss es hochgradig diffusionsdicht und leicht zu verarbeiten sein. Letzteres bedeutet, dass nur sehr geringe Toleranzen in der Materialstärke akzeptabel sind. Sonst könne es beim Verschweißen der rund 7,5 Meter breiten Kunststoffbahnen Probleme geben, erklärt Labda beim Gang durch die Fabrikhalle.

Dort ist es laut und warm. Ein Ungetüm von Maschine dominiert den Raum. Es spuckt aus Extruderdüsen schwarze Kunststoffmasse auf eine mehr als 7,5 Meter breite Metallwalze, die sich langsam dreht. Die Anlage übergibt das 2,5 Millimeter starke Halbfertigprodukt, das viel zu massiv ist, um es als Folie zu bezeichnen, über weitere Walzen, Kühl- und Teststrecken schließlich an eine Wickelstation. Dort werden die Kunststoffbahnen zu tonnenschweren Rollen aufgespult und kundenspezifisch konfektioniert.

Die Abwärme der Anlage, die bislang über Kühltürme nutzlos an die Umgebung abgegeben wird, soll künftig die beiden Wärmespeicher mit Energie versorgen. Die Wärmemenge ist mehr als ausreichend, um die Speicher gründlich testen und vermessen zu können. Darauf freuen sich auch die Wissenschaft­ler:innen des Steinbeis-Forschungsinstituts Solites, die von Stuttgart aus die Wärmeströme genau analysieren werden.

Verständnis für das Gesamtprodukt Wärmespeicher

Um die Wärme aus dem Produktionsanlage auszukoppeln und sie über Wärmetauscher sowie eine Fernwärmeleitung quer über den Firmenparkplatz in die Speicher leiten zu können, sind umfangreiche Installationen notwendig. Labda ist froh, dass sein Team dabei Erfahrungen sammelt, die ihm im Kontakt mit Kunden aus der Fernwärmebranche nützlich sein werden: „Wir sind zwar primär der Lieferant von Kunststoffbahnen, aber das Verständnis für das Gesamtprodukt Wärmespeicherung ist gerade in dieser frühen Marktphase für uns von unschätzbarem Wert.“

Deshalb hat das Forschungsteam schon jetzt kilometerweise Datenkabel auf der Speicherbaustelle verlegt. Eine Vielzahl von Sensoren werden Temperaturen und Feuchtigkeit messen. Ein flächendeckendes Detektionssystem aus dem Deponiebau soll außerdem mögliche Leckagen zuverlässig lokalisieren können. Dass Letzteres tatsächlich gebraucht wird, erwartet Labda allerdings nicht. Er ist von der Ver­läss­lichkeit der Kunststoffbahnen überzeugt: „Was wir hier tun, ist Forschung. Aber zugleich sind wir längst marktreif.“

Autor: Guido Bröer | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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