Neue Regierung soll Bürgerenergie fördern

In einem Papier, das das IÖW unter der Nummer 10 in seiner Schriftenreihe “IÖW Impulse” veröffentlicht, zeigt das Forschungsteam auf, an welchen Hebeln die Politik drehen müsste, um die Potenziale der Bürgerenergie-Gemeinschaften für die Energiewende im Strom- und Wärmebereich besser zu nutzen, als es bislang geschieht.
Bürgerenergie: Hausaufgaben für die Politik
Drei Handlungsfelder identifizieren die Wissenschaftlerinnen dafür:
- Die Bundesregierung sollte “messbare und rechtsverbindiche Zielsetzungen für die Bürgerenergie formulieren”. Damit könnten Fortschritte, aber auch Defizite quantifizierbar gemacht und die Verbindlichkeit politischer Maßnahmen gesteigert werden.
- Trotz der Verpflichtung Deutschlands aufgrund europäischer Richtlinien, die Bürgerenergiegemeinschaften bei Investitionen zu unterstützen, werde die Bürgerenergie hierzulande in mehreren Bereichen nicht in den gesetzlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt. So sei es angesagt, Energy Sharing umzusetzen, aber auch Genehmigungsverfahren für Bürgerenergiegemeinschaften zu vereinfachen und bei Projekten auf kommunalen Flächen und Gebäuden Beteiligungsmodelle zu verlangen.
- Es hapere ferner an standardisierter und transparenter digitaler Marktkommunikation, die die Voraussetzung sei, um Bürgerenergieanlagen in das Energiesystem effizient zu integrieren. Der Smart Meter Rollout sei dafür entscheidend und also voranzutreiben.
Koalitionsvertrag: Bürgerenergie stärken
Zumindest auf dem Papier müssten die Forschenden damit in der künftigen Bundesregierung offene Türen einrennen. Denn laut ihrem Koalitionsvertrag haben SPD und CDU/CSU die Bürgerenergie auf dem Schirm. Astrid Aretz vom IÖW sagt: “Wir haben uns sehr gefreut, dass die richtigen Stichworte im Koalitionsvertrag genannt werden.” Dort heißt es: “Bei der Energiewende machen wir Wirtschaft und Verbraucher stärker zu Mitgestaltern (unter anderem durch Entbürokratisierung, Mieterstrom, Bürgerenergie und Energy Sharing)”.
Allerdings konstatiert Aretz auch, dass viele programmatische Bekenntnisse zu Bürgerenergiethemen in der Vergangenheit nicht über das theoretische Papierstadium hinausgekommen seien.
Pluspunkte für Bürgerenergie
Die Empfehlungen des Autor:innenteams resultieren aus dem umfangreichen vom Bundesforschungsministerium geförderten und noch laufenden Projekt “SteuerBoard Energie – Steuerungsmechanismen im polyzentrischen Energiesystem der Zukunft” (www.steuerboard-energie.de). Eingeflossen sind außerdem die Ergebnisse einer im Januar veranstalteten Zukunftswerkstatt mit Bürgerenergie-Akteuren.
Auch ökonomische Argumente sprächen unter anderem für gemeinschaftliche Bürgerenergie, erklärt IÖW-Forscherin Aretz gegenüber den Solarthemen, selbst wenn Skaleneffekte wohl eher Großprojekte und damit finanzstarke Investoren begünstigten. Beispielsweise sei auch ein Thema wie Akzeptanz bei Wind- und Solarparks ein wichtiger Kostenfaktor.
Typischerweise könnten Bürgerenergiegemeinschaften zwar nicht so hohe Risiken eingehen wie finanzstärkere Investoren, erklärt das Impulspapier. Dafür seien sie allerdings aufgrund bescheidenerer Gewinnerwartungen ihrer Mitglieder in der Lage, Projekte zu realisieren, die geringere Margen versprächen, wie etwa Wärmenetze. Für die Energiewende sei das eine wichtige Funktion.
Nachweisbar sei auch, dass durch Bürgerenergieprojekte eine weitaus höhere regionale Wertschöpfung ausgelöst wird als durch Projekte externer Investoren. Das Papier erklärt: “Finanzielle Erträge verbleiben durch die Bürgerbeteiligung in der Region. Diese Erträge machen, über die gesamte Betriebsdauer einer Anlage betrachtet, den größten Anteil an der gesamten Wertschöpfung aus.”
Energiegemeinschaften – (noch) nicht für alle
Ein Defizit bisheriger Bürgerenergiegemeinschaften sehen die Autor:innen allerdings darin, dass sozial benachteiligte Gruppen in diesen Strukturen bislang unterrepräsentiert seien. Das müsse allerdings nicht so bleiben, erklärt Aretz: “Bürgerenergie hat durchaus das Potenzial, einkommensschwächere Bevölkerungsschichten einzubeziehen.” Für eine breitere Teilhabe bedürfe es allerdings einer gezielten Ansprache und differenzierter Beteiligungsangebote. Wie bestehende Zugangshürden konkret abgebaut werden könnten, dafür sind allerdings weiterhin konkrete Ideen gefragt.
Am heutigen Mittwoch 15:00 bis 16:30 Uhr stellen die Autor:innen ihre Ergebnisse bei den Berliner Energietagen vor. Titel der kostenlosen Online-Veranstaltung: „Die Rolle der Energiegemeinschaften im zukünftigen Energiesystem“. Anmeldung hier.
Autor: Guido Bröer | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH