In Deutschland sind aktuell mehr als 40 in Fernwärmenetze eingebundene Solarthermie-Großanlagen in Betrieb. Über die Hälfte davon wurden seit den 1990er-Jahre in Forschungsprogrammen des Bundes realisiert. Mitte der 2010er-Jahre gab es eine Kehrtwende: Die Solarthermie-Anlagen werden heute von Fernwärme-Versorgern vornehmlich aus betriebswirtschaftlichen Gründen und als Maßnahme des lokalen Klimaschutzes realisiert. Der Zuwachs findet derzeit vor allem in zwei Bereichen statt: bestehende Fernwärmenetze in Ballungsräumen und neue Wärmenetze im ländlichen Raum (Energiedörfer). Die Technologie gilt ausgereift und beliebig skalierbar. Zum Einsatz kommen dabei großflächige Flach- oder Vakuumröhrenkollektoren. Diese sind speziell für den Einsatz in Wärmenetzen und deren Temperaturen bis 100 °C entwickelt.

Der Anteil erneuerbarer Energien im Wärmebereich betrug 2019 in Deutschland lediglich rund 14,5 %. Wärmenetze stellen hierbei eine strategische Option für die Wärmewende im Gebäudebereich dar. Sie ermöglichen es, erneuerbare Energien, Effizienztechnologien und Sektorenkopplung in lokale Wärmeversorgungssysteme zu integrieren. Aus organisatorischer Sicht ermöglichen Wärmenetze ein schnelles Vorankommen. Dies zeigt sich beispielsweise in den – zumeist ländlichen – Gemeinden, die aktuell von dezentralen Gebäudeheizungen auf ein Wärmenetz auf Basis erneuerbarer Energien umstellen. Sie vollbringen innerhalb einer Planung- und Bauphase von nur wenigen Jahren eine fast vollständige Wärmewende hin zu einer 100 % klimaneutralen Wärmeversorgung.
Solar-Fernwärme mit und ohne Saisonalspeicher
Ausgelegt auf die vollständige Deckung der Sommerlast trägt die Solarthermie in solchen Energiedorf-Projekten auch nennenswerte Anteile der Heizlast der Fernwärmesystems in den Übergangsjahreszeiten. In der heute üblichen Dimensionierung deckt die Solaranlage etwa ein Fünftel der Jahreswärmemenge. Höhere solare Deckungsanteile bis zu 50 Prozent und mehr sind möglich, wie Beispiele vor allem aus Dänemark und Deutschland zeigen, allerdings ist dafür ein saisonaler Speicher erforderlich, der sommerliche Überschüsse in der kühlen Jahreszeit nutzbar macht.
Wärmenetze im allgemeinen und solare Wärmenetze im Besonderen erfordern jedoch hohe und langfristige Investitionen, die eine gute und durchdachte Planung voraussetzen. Mit einer kommunalen Wärmeplanung werden hierfür Entscheidungsgrundlagen geschaffen. Dabei wird auch erfasst, welche erneuerbare Energiequellen lokal verfügbar ist. Anders als etwa Energieholz, Biogas, oder Geothermie, stellt zwar die Sonne ihre thermische Energie überall in ausreichendem Maße zur Verfügung. Allerdings bedarf es der nötigen Flächen zur Aufstellung von Kollektoren. Zwar ist eine Verteilung auf Dachflächen technisch machbar; um gegenüber konkurrierenden – fossilen – Energieträgern in der Wärmeversorgung wettbewerbsfähig zu sein, werden große Kollektorfelder im Fernwärmemaßstab aber in jüngster Zeit überwiegend auf Freiflächen installiert.
Flächenfindung für Solarthermie
Eine zentrale Herausforderung bei der konkreten Projektentwicklung ist es daher, geeignete ortsnahe Flächen zu finden. Denn insbesondere in urbanen Räumen besteht eine hohe Flächen-Nutzungskonkurrenz zwischen Wohnungsbau, Gewerbeansiedlung, Landwirtschaft und der Gewinnung erneuerbarer Energien. Zumindest gegenüber anderen energetischen Nutzungen punktet die Solarthermie dabei durch ihre mit Abstand höchste Flächeneffizienz. Je Hektar Landfläche können pro Jahr circa 2000 Megawattstunden Wärme geerntet werden. Die Photovoltaik kommt nur etwa auf ein Viertel dieser Effizienz. Und gegenüber dem Anbau von Biomasse liegt die Effizienz der Solarthermie um den Faktor 30 bis 50 höher.
Die aktuellen Projekte zeigen, dass selbst in Ballungsräumen ein Interessensausgleich zugunsten von Solarenergie und Klimaschutz möglich ist. Ein Meilenstein war für Deutschland die 2016 eingeweihte Anlage der Stadtwerke Senftenberg. Der Kommunalversorger hat 8300 m2 Kollektorfläche auf einer alten Deponie installiert. Allein in den Jahren 2019 und 2020 sind in Ludwigsburg, Potsdam, Halle, Bernburg, Ettenheim und Erfurt deutschlandweit sechs große Solarthermieprojekte im Bereich städtischer Fernwärme fertiggestellt worden. Das Kollektorfeld der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim ist mit 14.800 m² Flachkollektorfläche derzeit die größte Solarwärmeanlage in Deutschland.
Superlative der Solarthermie-Fernwärme
Abgelöst wird sie aber voraussichtlich von einer 18.700 m² großen Vakuumröhrenkollektoranlage in Greifswald, die die dortigen Stadtwerke im Rahmen eines sogenannten iKWK-Projektes im Laufe des Jahres 2022 in Betrieb nehmen wollen. Die weltgrößte Solarthermie-Anlage an einem Fernwärme-System steht im dänischen Silkeborg. Die 2016 in Betrieb gegangene Anlage misst rund 156.000 m² Kollektorfläche und leistet bis zu 110 Megawatt. Die Dimension dieser einen Anlage übertrifft mithin noch die gesamte in deutschen Wärmenetzen installierte Kollektorfläche, die nach einem 41-prozentigen Wachstum allein im Jahr 2021 bei knapp 107.000 m² (Stand Mai 2021) liegt.

Das Interesse bei Wärmeversorgern an der Solarthermie wächst seit Jahren. Und nach Daten des Steinbeis-Forschungszentrums Solites wird sich dieser Trend auch in den kommenden Jahren fortsetzen, wie die folgende Grafik zeigt.

Attraktiv ist sie für Branche nicht nur wegen der Herausforderung einer Dekarbonisierung der Netze. Auch die preisstabilisierende Wirkung eines Solarthermie-Anteils im Wärmenetz ist für Versorger ein Investitionsanreiz. Ab einer Größe von rund 3000 m² Kollektorfläche bzw. 2 MW Leistung lassen sich mit der aktuellen Regelförderung vor diesem Hintergrund konkurrenzfähige Wärmegestehungskosten von etwa 40 Euro pro Megawattstunde (€/MWh) erzielen.
Förderung für Solarthermie in Fernwärme-Netzen
Möglicherweise wird sich die Wettbewerbssituation der großen Solarthermie gegenüber fossilen Energien noch weiter verbessern. Denn auch die Politik hat die Wachstumschancen der Solarthermie in Wärmenetzen und deren potenzielle Bedeutung für die Wärmewende erkannt. Die Bundesrepublik Deutschland stellt seit einigen Jahren attraktive Förderprogramme für Wärmeplanung, Machbarkeitsstudien bereit. Mit der Bundesförderung Effiziente Wärmenetze (BEW) soll im Jahr 2021 ein ganz neues Förderinstrument an den Start gehen. Dieses stellt für Fernwärme aus erneuerbaren Energien direkte Investitionskostenzuschüsse und Betriebskostenhilfen in Aussicht. Daneben wird es weiterhin Boni und per Ausschreibung ermittelte Betriebskostenzuschüsse über das KWK-Gesetz geben. Innerhalb der Bundesförderung effiziente Gebäude werden außerdem künftig auch individuell Hausbesitzer:innen gefördert, die sich an ein Fernwärmenetz anschließen lassen. Voraussetzung ist, dass dieses zu mindestens 25 Prozent mit erneuerbaren Energien beheizt wird (ab 55 % Erneuerbare steigt die Zuschussquote).
Der Start der BEW hat sich mehrfach verzögert. Trotz entsprechender Absichtserklärungen ist es dem Bundeswirtschaftsministerium bis Mitte 2022 nicht gelungen, die innerhalb der Bundesregierung und mit Branchenverbänden längst abgestimmte Förderrichtlinie in Kraft zu setzen. Aktuell (Stand: Juli 2022) will das Ministerium nach eigenen Angaben von der EU-Kommission eine „vorläufige positive Bewertung“ über die Notifizierbarkeit dieses Subventionsprogrammes erhalten haben.
Aktualisiert am 17.11.2021 | Autoren: Thomas Pauschinger, Guido Bröer
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Weitere Informationen zum Thema solare Fernwärme:
Aktuelle Meldungen finden sich unter diesen Links zum Thema Solarthermie und zum Thema Fernwärme auf dem Solarserver.
Wissensdatenbank des Steinbeis-Forschungsinstituts Solites zu solaren Wärmenetzen unter www.solare-waermenetze.de
Youtube-Kanal „Solare Wärmenetze“
BDEW-Studie „Grüne Fernwärme für Deutschland“ von Hamburg-Institut und FfE
AGFW-Studie: „Perspektive der Fernwärme – Maßnahmenprogramm 2030“ von Prognos und Hamburg-Institut
Difu: Klimahacks Nr. 7 – „Mach Dein Projekt zu solaren Wärmenetzen“
Seit November 2021: Aktueller Bau-Blog zur Solarthermie-iKWK-Anlage der Stadtwerke Lemgo. Hier lässt sich Schritt für Schritt die Entstehung einer Solarthermieanlage mit 9128 Quadratmetern Kollektorfläche verfolgen
Die Autoren:
Thomas Pauschinger ist beim Branchenverband AGFW verantwortlich für internationale Forschungs und Entwicklungsprojekte. Bis Frühjahr 2021 war der Diplomingenieur Mitglied der Geschäftsleitung beim Steinbeis Forschungsinstitut Solites in Stuttgart. Er hat zahlreiche internationale und nationale Forschungsvorhaben sowie Projekte zur Marktbereitung von Solarthermie und anderen erneuerbaren Energien in der Fernwärme initiiert und Koordiniert. Er berät hierzu auch Wärmeversorger, Behörden und andere Stakeholder.
Guido Bröer ist Geschäftsführer der Solarthemen Media GmbH. Der Diplomjournalist ist einer der beiden Herausgeber und Chefredakteure des Solarservers, des Infodienstes Solarthemen und der Zeitschrift Energiekommune. Den Bereich der solaren Wärmenetze begleitet er publizistisch seit vielen Jahren.