Heftiger Streit um RWE-Antrag zur Strommengenübertragung auf Biblis A

Nachdem RWE Power am 26.09.2006 beim Bundesumweltministerium einen Antrag auf Zustimmung zur Strommengenübertragung auf den Block A des Kernkraftwerks Biblis gestellt hat, kritisieren Politik und Umweltverbände den Stromkonzern heftig. RWE Power will 30 Terawattstunden aus dem Stromkontingent des im Rückbau befindlichen RWE Power-Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf die Bibliser Anlage übertragen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz […]

Nachdem RWE Power am 26.09.2006 beim Bundesumweltministerium einen Antrag auf Zustimmung zur Strommengenübertragung auf den Block A des Kernkraftwerks Biblis gestellt hat, kritisieren Politik und Umweltverbände den Stromkonzern heftig. RWE Power will 30 Terawattstunden aus dem Stromkontingent des im Rückbau befindlichen RWE Power-Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf die Bibliser Anlage übertragen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND) sieht dies als Nagelprobe für Schwarz-Rot und fordert, den Laufzeitverlängerungsantrag von RWE für das Atomkraftwerk Biblis A strikt zurückzuweisen. Weder Umweltminister Sigmar Gabriel noch Bundeskanzlerin Angela Merkel dürften diesem unrechtmäßigen und gefährlichen Ansinnen in irgendeiner Weise entgegenkommen.
 
BUND „Antrag für das älteste deutsche AKW ist besonders dreist“

Eine längere Laufzeit von Biblis A verletze nicht nur den Koalitionsvertrag und würde auch gegen das Atomgesetz verstoßen, so der BUND. Damit erhöhten sich auch die Risiken des Reaktorbetriebes. Wenn RWE einen solchen Antrag für das älteste deutsche AKW stelle, belege dies vor allem das fehlende Gefahrenbewusstsein der Unternehmensleitung, heißt es in der BUND-Pressemitteilung. Besonders dreist sei die Tatsache, dass RWE den Antrag auf Laufzeitverlängerung ausgerechnet für Biblis A stelle, stellt der BUND fest. Nach dem Beinahe-Gau im schwedischen AKW Forsmark Ende Juli sei die Störanfälligkeit von Biblis A in den Medien ausführlich dargestellt worden. Ausfälle der Notstromversorgung habe es in Biblis 1986, 1988 und 2004 gegeben. Nach dem im August vereitelten Terroranschlag von London rücke zudem schwer Vorstellbares erneut in den Bereich des Möglichen: Gegen den absichtlich herbeigeführten Absturz eines großen Passagierflugzeuges auf einen Atomreaktor gebe es keinen Schutz.

Andrea Ypsilanti (SPD): „Schwerwiegender Vertrags- und Vertrauensbruch“

„Heute ist ein schwarzer Tag für den Atomkonsens zwischen Staat und Energiewirtschaft“, sagte die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti. Die Politik müsse sich nach dem Verlängerungsantrag von RWE für den alten Atommeiler Biblis A nun endgültig darüber klar werden, dass man der Monopol-Energiewirtschaft nicht vertrauen könne. „Um eine unabhängige Ordnungspolitik im Interesse des Verbraucherschutzes, des Klima- und Ressourcenschutzes sowie der langfristigen Energieversorgungssicherheit durch heimische erneuerbare Energien durchzusetzen, brauchen wir die ordnende Kraft des Staates und keine brüchige Konsenspolitik“, so Ypsilanti. Biblis A müsse nach dem geltenden Atomgesetz im Jahr 2008 abgeschaltet werden. „Die Bundes-SPD wird keinen Zentimeter zurückweichen und das durchsetzen“, kündigt die hessische Landesvorsitzende an, die zugleich Mitglied im Bundesvorstand der SPD ist.

Greenpeace-Rechtsgutachten: Längere Laufzeit für Biblis ausgeschlossen

Eine Verlängerung der Laufzeit für das hessische Atomkraftwerk Biblis A verstößt laut einem Rechtsgutachten im Auftrag von Greenpeace gegen das Atomgesetz. Da die Übertragung von nicht genutzten Strommengen von anderen Kraftwerken auf Biblis A gemäß Gutachten aus Sicherheitsgründen rechtlich nicht möglich sei, müsse der Reaktor planmäßig im Jahr 2008 abgeschaltet werden, heißt es in der Greenpeace-Pressemitteilung. Greenpeace fordert Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, den Antrag abzulehnen.

Für das Gesetz stehen bei der Übertragung von Strommengen auf Altanlagen wie Biblis A laut Greenpeace Sicherheitsaspekte im Vordergrund. Die Sicherheit von Biblis A müsste mit dem Reaktor verglichen werden, der die Strommengen abgibt. Doch Biblis A weise gegenüber neueren Anlagen erhebliche bauliche Mängel auf. So sei die Druck- und Temperaturfestigkeit des Sicherheitsbehälters geringer, der das Entweichen von Radioaktivität in die Umwelt erschweren soll. Zudem fehle in Biblis A eine verbunkerte Notstandswarte, von der aus im Notfall der Reaktor gesteuert werden könnte. „Biblis A darf nicht länger laufen, das würde die nukleare Gefahr in Deutschland erheblich erhöhen“, sagt Thomas Breuer, Atomexperte von Greenpeace. „RWE will mit dem Weiterbetrieb vor allem seine Gewinne erhöhen. Gabriel muss aber auf die Sicherheit achten. Er muss dafür sorgen dass der Meiler 2008 abgeschaltet wird.“

„Antrag von RWE zeigt, dass man Selbstverpflichtungen der Industrie nicht trauen kann“

Biblis A nimmt laut Greenpeace im Atomkonsens und im Atomgesetz eine Sonderstellung ein. Der Atomkonsens mit der damaligen Bundesregierung verpflichte RWE, auf Strommengenübertragungen auf Biblis A zu verzichten. „Mit dem heutigen Antrag von RWE zeigt sich wieder, dass man Selbstverpflichtungen der Industrie nicht trauen kann. Die damalige Bundesregierung hat das Risiko von Biblis A erkannt. Doch RWE ignoriert einfach den Atomkonsens“, erklärt Breuer.

Das Greenpeace-Rechtsgutachten ist zugänglich unter http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft

Einen „BUND-Hintergrund – Das AKW Biblis A“ bietet die Umweltorganisation unter:
http://www.bund.net/lab/reddot2/pdf/biblis_hintergrund_09_06.pdf

26.09.2006   Quelle: BUND, Greenpeace, SPD-Landesverband Hessen   Solarserver.de   © EEM Energy & Environment Media GmbH

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