Franz Alt zum Bonner Klimagipfel
Franz Alt leitet die Zukunftsredaktion des Südwestrundfunks (SWR) und moderiert für den Fernsehsender "3Sat" das Magazin "Grenzenlos". Er erhielt 1994 den deutschen Solarpreis für Publizistik und 1997 den Europäischen Solarpreis.
Klimaverbrecher vor Gericht!
Es ist immer verdächtig, wenn Regierung und Opposition                 gemeinsam jubeln. Angela Merkel hatte schon bei ihrem  Washington-Besuch                "Verständnis" für den Klimakiller George W.                Bush gezeigt. Kein Wunder also, dass die  Oppositionsführerin                jetzt den Bonner "Klima-Kompromiss" gut findet. 
 Jürgen Trittin hat noch vor dem Gipfel in Bonn Japans und  Kanadas                Forderung, sich Wälder als Treibhaussenke anrechnen zu  lassen,                zurückgewiesen. Jetzt muss auch er gute Miene zum bösen                Diplomaten-Spiel machen.
 Gemessen an den technischen Möglichkeiten  und                klimaverträglichen Notwendigkeiten ist der Bonner  "Kompromiss"                im Streit um das Kyoto-Protokoll, das schon seinerseits  ein Kompromisspapier                war, geradezu lächerlich.
WKAs statt AKWs!
Wir können Autos bauen, die nur ein Drittel der heutigen  Treibhausgase                produzieren und Häuser, die mit einem Viertel an  Heizenergie                auskommen. Wer seinen Altbau richtig dämmt, reduziert  seinen                Ölverbrauch um 50 Prozent. Windräder können  Kohlekraftwerke                ersetzen – und Windkraftanlagen (WKAs) auf dem Meer ganze  Atomkraftwerke:                WKAs statt AKWs! Dänemark macht bereits vor wie das  konkret                und praktisch geht. Rolf Disch baut in Freiburg eine  Solarsiedlung,                deren Häuser doppelt so viel Energie mit der Sonne  erzeugen                wie ihre Bewohner brauchen. Auf dem Dach unseres Hauses in  Baden-Baden                produzieren wir doppelt soviel Strom wie durchschnittlich  eine deutsche                Familie verbraucht.
 Also: Gemessen an diesen  Zukunftstechnologien, die                auch noch Arbeitsplätze schaffen und Exportschlager  werden,                ist der Bonner Kompromiss-Kompromiss eine Schande: ein  Sieg für                die Klimakiller und eine Niederlage für das Klima.
Künftig werden noch mehr Treibhausgase emittiert
Die Enquete-Kommission des Deutschen  Bundestag hat                vor über 10 Jahren schon errechnet, dass die  Industriestaaten                langfristig ihre Treibhausgase um 80 Prozent reduzieren  müssen,                falls wir das Klima ernsthaft schützen wollen. Das  Kyoto-Protokoll                hatte bis 2010 gerade mal fünf Prozent – Reduktion  vorgesehen                – die jetzige Bonner Lösung meint weniger als zwei Prozent                 – und das noch weitgehend ohne Kontrolle und ohne  Sanktionen. Das                heißt: Künftig werden noch mehr Treibhausgase emittiert.                Die EU-Umwelt Kommissarin Margot Wallström meinte nach dem                 Bonner Gipfel: "Wir können stolz sein auf das, was wir                geleistet haben. Jetzt können wir unseren Kindern in die  Augen                sehen."
 Wenn wir das wirklich tun, werden wir in den Augen von  10- und                20-jährigen das blanke Entsetzen über das Bonner  Jahrmarkt-Gefeilsche                erblicken. Wir benehmen uns wie Pyromanen und verbrennen  die Zukunft                künftiger Generationen. Wenn die junge Generation halbwegs                 normal ist, muss sie verrückt werden über die heute  "Verantwortlichen".                Wir sind die erste Generation, die ihren Brutinstinkt  verloren hat.                Tatsächlich führen wir einen Dritten Weltkrieg gegen die                Natur – das heißt gegen unsere Kinder und hauptsächlich                gegen die Menschen in der Dritten Welt. An einem Tag  verbrennen                wir, was die Natur in 500.000 Tagen an fossilen  Brennstoffen angesammelt                hat. Wir tun das, obwohl uns die Sonne 15.000 mal mehr  Energie schickt                als alle Menschen auf dieser Welt verbrauchen. Die Lösung  steht                am Himmel. Wir aber haben lediglich noch ein Brett vor der  Sonne.
 So weit sind wir immerhin: Kriegsverbrecher müssen sich  bereits                vor internationalen Gerichten verantworten. Es wird  hoffentlich                keine weitere Generation dauern bis sich auch  Klimaverbrecher wie                George W. Bush und seine Freunde von der alten  Energiewirtschaft                – nicht nur in den USA – vor einem internationalen  Tribunal verantworten                müssen.
Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne?
Aber sehr wahrscheinlich wird er vorher noch Kriege um Öl                 führen, anstatt das Klima zu schützen durch Energiesparen,                 Energieeffizienz und erneuerbare Energien über Sonne,  Wind,                Wasser, Biomasse, Erdwärme, Wellenenergie,  Strömungsenergie                und solaren Wasserstoff. Die große politische Frage des  21.                Jahrhunderts wird heißen: Krieg um Öl oder Frieden durch                die Sonne? In der Zwischenzeit könnten wir ja schon mal  etwas                tun: Handeln statt so weiter verhandeln!
 Mit der Friedenssicherung                 durch Solarenergie beschäftigt sich auch Hans-Josef                 Fell (MdB), der energiepolitische Sprecher von  Bündnis90/Die                Grünen.