Neue Branchen-Studie: Deutsche Energieversorger investieren nur halbherzig in die Energiewende

Die Energieversorger in Deutschland verhalten sich in Sachen Energiewende widersprüchlich. Zwar wollen drei von vier Versorgern die Ökostromerzeugung ausbauen. Trotzdem zeichnet sich ab, dass die aktuelle Planung der Unternehmen den Erfolg der Energiewende fundamental in Frage stellt.

Der flächendeckende Ausbau intelligenter Verteilernetze („Smart Grids“) kommt nicht voran. Gerade einmal die Hälfte der Energieversorger plant hier bis 2014 Investitionen. Das ergibt die aktuelle Studie "Branchenkompass 2012 Energieversorger" der Steria Mummert Consulting (Hamburg) in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut (Frankfurt/M.).

Solar- und Windenergie erfordern intelligentes Netzmanagement
"Eine Energiewende ohne Investitionen in Smart Grids ist undenkbar. Die schwankenden Energieflüsse von Solar- und Windenergie müssen mit einem intelligenten Netzmanagement beherrscht werden", sagt Norbert Neumann, Energieexperte von Steria Mummert Consulting.
Sieben von zehn Energieversorgern planen zwar, in die Instandhaltung und Modernisierung der Verteilnetze zu investieren. 65 Prozent wollen das auch beim Energiedatenmanagement tun. Aber speziell beim Netzausbau für Smart Grids bleiben entsprechende Planungen laut der Studie bis 2014 deutlich zurück. "Der Widerspruch ist unter anderem dadurch zu erklären, dass Investitionen in Smart Grids vom Gesetzgeber derzeit nicht spezifisch gefördert werden und somit aus dem laufenden Geschäft zu finanzieren sind. Es fehlen politische Modelle, die entsprechende Anreize schaffen", so Neumann.

Netzentwicklungsplan sieht Investitionsbedarf von 32 Milliarden Euro vor
Die Investitionszurückhaltung der Versorger ergebe sich zudem aus den sich abzeichnenden höheren Netzentgelten zur Finanzierung neuer Stromautobahnen in den Süden. Der im Mai vorgestellte deutsche Netzentwicklungsplan der vier großen Übertragungsnetzbetreiber sieht immerhin einen Investitionsbedarf von 32 Milliarden Euro.
Allein die zusätzlichen Kosten für Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Rahmen des Aufbaus intelligenter Netze belaufen sich auf sieben Milliarden Euro, die von deutschen Verteilnetzbetreibern bis 2030 zu investieren wären. Das ergibt eine Studie im Auftrag des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU).

Ineffiziente alte Kraftwerke müssen mittelfristig ersetzt werden
Beim nötigen Bau effizienter Gaskraftwerke als Back-up-Lösung zu Solar- und Windkraft zeigten sich ähnliche Widersprüche in der Investitionsplanung der Versorger. Branchenexperten sind sich einig, dass zwingender Bedarf an einem mittelfristigen Ersatz ineffizienter alter Kraftwerke besteht. Dennoch herrsche auch hier Zurückhaltung.
Lediglich 30 Prozent der befragten Energieversorger haben vor, in den kommenden drei Jahren in moderne konventionelle Energieerzeugung zu investieren. Aus Sicht der Kraftwerksbetreiber werfen neue Gaskraftwerke zu wenig Profit ab. Sie speisen nur bei zusätzlichem Bedarf Energie in die Netze, wenn die Menge erneuerbarer Energie nicht ausreicht. Wie beim Netzausbau vermissen Unternehmen entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen und eine tragfähige nationale Gesamtplanung. "Bevor wieder stärker in konventionelle Energieerzeugung investiert wird, erwartet die Branche gesetzliche Regelungen für adäquate Investitionsanreize und entsprechende Kapazitätsmechanismen", so Norbert Neumann.

Versorgungsunternehmen müssen EU-Verordnungen umsetzen
Die Studie zeigt, dass die Versorgungsunternehmen neben den Umbrüchen durch die Energiewende zahlreiche weitere Anforderungen bewältigen müssen. An vorderer Stelle steht die Umsetzung von EU-Verordnungen. Dazu zählen die Umstellung des nationalen Zahlungsverkehrs auf die SEPA-Formate sowie Anforderungen, die für eine Teilnahme am Energiehandel erfüllt werden müssen.
Erst gut die Hälfte der Unternehmen habe Aktivitäten zur Umsetzung der neuen EU-Anforderungen überhaupt vorgesehen. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass die optimale Synchronisation von Energiebeschaffung und Energieabsatz für 70 Prozent der Unternehmen künftig sehr wichtig wird, um neue individuell ausgeprägte Preismodelle entwickeln und abwickeln zu können. Gleichzeitig ist laut der Studie ein Paradigmenwechsel beim Outsourcing erkennbar. Sechs von zehn Versorgern in Deutschland schalten in der Maßnahmenplanung auf ein verstärktes Outsourcing um, mehr als eine Verdopplung gegenüber 2010.

13.08.2012 | Quelle: Steria Mummert Consulting | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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