Interview mit Herbert Muders (juwi Solar) zum Stand der Energiewende und zur Rolle der Photovoltaik in Deutschland

In aktuellen Solar-Interviews geben Vertreter der Branche Auskunft zu Themen wie der Weiterentwicklung des EEG, zur Überlastung der Netze. Sie sprechen über die Sonderstellung energieintensiver Betriebe, die Zukunft großer Solarstromanlagen und über Speichertechnologien. Im ersten Teil nahmen Jörg Mayer (BSW) und Dietmar Schütz (BEE) Stellung zum Stand der Energiewende. Im zweiten Interview antwortet Herbert Muders, […]

In aktuellen Solar-Interviews geben Vertreter der Branche Auskunft zu Themen wie der Weiterentwicklung des EEG, zur Überlastung der Netze. Sie sprechen über die Sonderstellung energieintensiver Betriebe, die Zukunft großer Solarstromanlagen und über Speichertechnologien. Im ersten Teil nahmen Jörg Mayer (BSW) und Dietmar Schütz (BEE) Stellung zum Stand der Energiewende. Im zweiten Interview antwortet Herbert Muders, Geschäftsführer der juwi Solar GmbH.

Die aktuelle politische Diskussion über den Ausbau der erneuerbaren Energien und das EEG machen es der Branche schwer, mittel- und langfristig zu planen. Wie wird sich das EEG entwickeln?
Welche Auswirkungen sehen Sie bei einer weiteren Senkung der Einspeisevergütung oder bei der völligen Abschaffung, so wie es von einigen Politikern gefordert wird?
Muders: Die Solar-Branche musste in diesem Sommer durch eine erneute EEG-Novelle harte Einschnitte verkraften, die bereits bei vielen Solarunternehmen zu Entlassungen oder sogar Insolvenzen geführt hat. Dennoch ist davon auszugehen, dass Mitte Oktober nach Bekanntgabe der neuen EEG-Umlage Politiker der schwarz-gelben Koalition erneut eine radikale Absenkung der Vergütung oder auch ein Quotenmodell fordern werden. Denn es ist zu erwarten, dass die Umlage auf 5 Cent pro Kilowattstunde steigt. Grund dafür sind vor allem die Ausweitung der Industrieprivilegien, die überflüssige Liquiditätsreserve und auch der zusätzliche Offshore-Beitrag.
Wir hoffen, dass erneut aufkommende Forderungen als Wahlkampfgetöse erkannt werden und dass der Branche bis mindestens nach der Bundestagswahl im September 2013 eine gewisse Planungssicherheit gegeben wird. Dann gilt es, ein EEG zu schaffen, welches die Energiewende vergünstigt und zugleich die dezentrale Versorgung im Land unmittelbar bei den Verbrauchern fördert. Eine komplette Abschaffung des EEG sehen wir als unwahrscheinlich an. Denn das stünde für ein rabiates Ende der Energiewende, und das ist von den Bürgern nicht gewollt.

Umweltminister Altmaier hatte eigentlich einen guten Start. Nach gerade einmal vier Monaten argumentiert Altmaier nun wie sein Vorgänger Röttgen, um den rasanten Ausbau der Photovoltaik zu bremsen. Die Beschränkung des Ausbaus bei der Windkraft ist sogar zur Chefsache der Kanzlerin geworden. Sind unsere Netze tatsächlich nicht für diese Energiemengen ausgerüstet oder hat die Lobby der Energieversorger andere Intentionen?
Muders: Leider müssen wir feststellen, dass die Lobby der großen Energieversorger hier ganze Arbeit geleistet hat. Sie haben es geschafft, das Ammenmärchen zu verbreiten, dass die Energiewende so schnell nicht machbar ist, und wenn, dann nur unter immensen Kosten. Tatsache ist, dass der Netzausbau der Energiewende tatsächlich im Weg steht – nämlich dann, wenn wir wie von der Regierung und den großen vier Energieversorgern gewünscht auf teure Offshore-Windkraftanlagen setzen. Dann nämlich müssen wir tausende Kilometer Hochspannungsleitungen quer durch ganz Deutschland ziehen, um den Strom unter großen Verlusten von Nord nach Süd zu bringen. In solch einem Szenario gehen wir davon aus, dass allein das die Stromkunden mit 20 bis 30 Milliarden Euro belasten wird.
Hinzu kommt die im Vergleich zu Onshore doppelt so hohe Einspeisevergütung. Tatsächlich profitieren würde dann nur einer: Die großen vier Energieversorger. So können sie ihre Marktmacht erhalten und haben auf hoher See neue Gelddruckmaschinen, die den Verlust ihrer Atomkraftwerke kompensieren sollen. Würden wir dagegen konsequent auf einen dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien setzen, wäre die Energiewende um ein Vielfaches günstiger zu haben. Bei der Windenergie würde die verbrauchsnahe, räumlich ausgewogen verteilte und mit der richtigen Technik erzeugte Kilowattstunde Windstrom dazu führen, dass weniger Reservekraftkraftwerke, kein Netzausbau auf Höchstspannungsebene und weniger als die Hälfte an Speicherkapazität benötigt werden. So wäre die Energiewende kostengünstiger und deutlich schneller machbar.

Die Zahl der energieintensiven Betriebe, die von der EEG-Umlage befreit sind, wächst von Jahr zu Jahr und beschert dem Endverbraucher dadurch höhere Kosten. Mittelständische Unternehmen planen eigene Solarstromanlagen, um den produzierten Strom selbst zu nutzen und nehmen dadurch weniger von den Energieversorgern ab. Wie wirkt sich das auf den Endkunden aus?
Muders: Dass energieintensive Unternehmen von der EEG-Umlage befreit werden, hat große Auswirkungen auf den Endverbraucher. Die Endverbraucher werden zusätzlich belastet und müssen einen großen Teil der Kosten für die Energiewende alleine schultern, denn sie zahlen den Anteil dieser Unternehmen mit. Dabei ist es in vielen Fällen fraglich, ob die Befreiung von der EEG-Umlage tatsächlich gerechtfertigt ist. So sind paradoxerweise auch Braunkohle-Bergwerke von dieser Umlage befreit.
Dass viele mittelständische Unternehmen nun zum Selbstversorger werden und den Strom zukünftig aus der eigenen Solaranlage beziehen möchten, ist eine Folge dieser Entwicklung. Denn mittelständische Unternehmen sind in der Regel nicht von der EEG-Umlage befreit und haben nun erkannt, dass der Strom aus der eigenen Solaranlage günstiger ist als der Strom aus der Steckdose. Das gilt übrigens auch für die normalen Verbraucher. Mit Speichersystemen, wie dem juwi Home Power, in Kombination mit Solaranlagen können auch diese ihren Strompreis über Jahre einfrieren. Man kann also davon ausgehen, dass sich die Endverbraucher ein Beispiel nehmen werden und vermehrt ihren eigenen Strom produzieren und speichern werden. 

Stimmen in der Branche sagen, dass in Zukunft kaum noch große Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Deutschland gebaut werden. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Muders: Große Photovoltaik-Freiflächenanlagen ab einer Größe von 10 Megawatt werden in naher Zukunft tatsächlich kaum noch gebaut werden. Das liegt daran, dass sie im Gegensatz zu allen anderen PV-Anlagen nach den Kürzungen im Sommer keine feste Einspeisevergütung mehr erhalten. Aus unserer Sicht ist das ein volkswirtschaftlicher Unsinn, denn die Freiflächenanlagen sind im Solarbereich die günstigste Form der Stromerzeugung.

Zahlreiche Unternehmen beschäftigen sich zunehmend mit Speichertechnologien für die gesamte Bandbreite der verschiedenen Anlagengrößen. Diese werden jedoch noch kaum eingesetzt. Wie sehen Sie hier die Entwicklung?
Muders: Diese Entwicklung sehen wir als gut und richtig an. Die Solar- und die Windenergie sind die Pfeiler der erneuerbaren Energien, auf der anderen Seite sind sie allerdings fluktuierend und speisen nicht gleichmäßig in das Netz ein. Deshalb brauchen wir Speichermöglichkeiten, denn nur so können wir die Energiewende schnellstmöglich vorantreiben.
Auch juwi engagiert sich in diesem Bereich. Mit juwi Home Power haben wir ein intelligentes Batteriesystem für Zuhause in unserem Portfolio. Im Zusammenspiel mit einer Solaranlage können Verbraucher ihren Strom selbst produzieren und speichern. Zudem sind wir an Solarfuel beteiligt, die Power-to-Gas-Anlagen entwickeln und bauen. Hier wird Windstrom zunächst in Wasserstoff und dann in Methan umgewandelt. So kann der Strom in unserem Erdgasnetz gespeichert werden. Hier sehen wir großes Potenzial, denn diese Technologie kann problemlos in die bestehende Energieinfrastruktur integriert werden.
Mit dem Gasnetz steht uns ein gigantisches Speicher- und Transportmedium zur Verfügung, das in der Lage ist, gewaltige Gasmengen punktgenau an nahezu jeden Ort zu liefern. Insofern begrüßen wir diese Entwicklung. Allerdings ist nun die Politik gefragt: Hand in Hand mit der technischen Weiterentwicklung von Speichermöglichkeiten müssen verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit am Ende die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Verfahren steht.

Das Interview mit Herbert Muders führte Björn-Lars Kuhn (Proteus Solutions GbR)

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