BGH-Urteil: Mangelansprüche für Photovoltaik-Dachanlagen verjähren in zwei Jahren; Fachanwalt: Nach zwei Jahren ist nicht immer Schluss

Der Bundesgerichtshof hatte sich in einem Urteil vom 09.10.2013 (VIII ZR 318/12) mit der Frage befasst, wann kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche aus der Lieferung mangelhafter Teile einer auf einem Gebäudedach montierten Photovoltaik-Anlage verjähren. Solche Gewährleistungsansprüche ergeben sich beispielsweise dann, wenn die Solarmodule nicht die vereinbarte Leistung erbringen oder die PV-Anlage fehlerhaft montiert wurde.

Nach dem Urteil des BGH verjähren derartige Ansprüche nach zwei Jahren. Der Auffassung, wonach eine Dach-Photovoltaikanlage Bestandteil eines Bauwerks sei und damit die fünfjährige Verjährungsfrist gelte, erteilte der BGH eine Absage, berichtet Rechtsanwalt Dr. Thomas Binder von der Freiburger Kanzlei für Solarenergie-Recht.

Solarstromanlage dient eigenen Zwecken

Die auf dem Dach eines Gebäudes errichtete Photovoltaikanlage sei selbst kein Bauwerk im Sinne des Gesetzes. Bauwerk sei allein das Gebäude, auf deren Dach die Anlage montiert wurde. Für das Gebäude seien die Solarmodule nicht verwendet worden. Vielmehr diene die Anlage eigenen Zwecken; denn sie soll – so der BGH – Solarstrom erzeugen und dem Anlagenbetreiber dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle verschaffen.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei von großer Wichtigkeit für Solar-Unternehmen und Anlagenbetreiber, betont Dr. Binder. Das Urteil wirke sich auf zahlreiche Kaufverträge für Photovoltaik-Anlagen aus.

Einzelfälle müssen geprüft werden
Aus dem Urteil könne jedoch nicht geschlossen, dass zwei Jahre nach Fertigstellung der Anlage alle Mangelansprüche verjährt sind. Das Urteil des Bundesgerichtshofs bedeute lediglich, dass für Gebäude-Photovoltaikanlagen die kaufrechtliche Regelverjährungsfrist von zwei Jahren gilt. Weiterhin müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob auch nach dem Ablauf von zwei Jahren noch Ansprüche bestehen. Dies kann zum Beispiel in folgenden Situationen der Fall sein, erklärt Binder.

Freiflächen-Photovoltaikanlagen sind eigenständige Bauwerke

Handelt es sich um eine Photovoltaik-Freiflächenanlage, so sei abweichend vom Urteil des Bundesgerichtshofs weiterhin davon auszugehen, dass eine Verjährung erst nach fünf Jahren eintritt. So habe das Oberlandesgericht Bamberg in einem Beschluss vom 12.01.2012 (6 W 38/11) entschieden. Nach der Auffassung des OLG Bamberg, stellt die Freiflächen-Photovoltaikanlage ein eigenständiges Bauwerk dar.

Photovoltaik-Anlage kann Funktion der Dachhaut oder eines Verschattungselements übernehmen
Auch wenn die Solarmodule einer Dach-Photovoltaikanlage eine spezielle Funktion für das Gebäude wahrnehmen, dürfte die zweijährige Verjährung nicht einschlägig sein. Der Bundesgerichtshof habe bei seiner Argumentation nämlich darauf abgestellt, ob die Photovoltaik-Anlage einen Zweck für das Gebäude erfüllt. Bei einer üblichen Aufdachanlage mag dies zu verneinen sein, nicht jedoch z. B. bei einer Photovoltaikanlage, welche die Funktion einer Dachhaut oder eines Verschattungselements ausübt.

Verhandlungen hemmen die Verjährung
In der Praxis tritt Verjährung der Mangelansprüche zwei Jahre nach Fertigstellung der Photovoltaik-Anlage oftmals deswegen nicht ein, weil die Parteien Verhandlungen über den Mangel geführt haben oder weil fehlgeschlagene Nachbesserungsversuche durchgeführt wurden. Nach § 203 BGB führen Verhandlungen zwischen den Parteien zu einer Hemmung der Verjährung. Die Verjährung läuft erst dann weiter, wenn die Verhandlungen von einer Seite eindeutig beendet wurden. Eine Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Verhandlungen ein. Die Rechtsprechung interpretiert den Begriff der Verhandlungen dabei sehr weit. Überprüft zum Beispiel der Solar-Fachbetrieb aufgrund einer Rüge des Anlagenbetreibers die Photovoltaikanlage, so liegt eine Verhandlungssituation vor. Die Hemmung endet erst, wenn der Solar-Fachbetrieb zum Ausdruck bringt, dass er den Anspruch des Kunden ablehnt und keine weiteren Verhandlungen führen will.

Solarstrom-Eigenverbrauch dient auch dem Gebäude
Das Urteil des Bundesgerichtshofs betraf eine Photovoltaik-Anlage, deren Strom in das Netz eingespeist wurde. Aktuell werden mehr und mehr Photovoltaik-Anlagen errichtet, die auch der Stromversorgung in unmittelbarer Umgebung der PV-Anlage dienen. Wird der Solarstrom unmittelbar im Gebäude genutzt, auf dem sich die Photovoltaik-Anlage befindet, so dient die Photovoltaik-Anlage auch dem Gebäude. Dies spricht für eine fünfjährige Verjährung.
Mancher Anspruch, der vermeintlich für einen Mangelanspruch gehalten wird, fällt nicht unter die Verjährungsregel nach § 438 BGB, erläutert Dr. Binder zusammen. Gehe es zum Beispiel um fehlerhafte Ertragsprognosen oder um eine fehlerhafte Beratung des Photovoltaikanlagen-Käufers, so komme die Verletzung eines Beratungsvertrags in Betracht. Hieraus resultierende Schadensersatzansprüche verjähren in drei Jahren. Die Verjährung beginnt erst am Schluss des Jahres, an dem der geschädigte PV-Anlagenbetreiber Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangte oder hätte erlangen müssen.
„Auch wenn daher zwei Jahre seit der Fertigstellung der Photovoltaik-Anlage vergangen sind, ist jedem betroffenen Solar-Unternehmen und Anlagenbetreiber zu raten, sorgfältig zu prüfen, ob eine Verjährung der Mangelansprüche bereits eingetreten ist“, rät Binder.
28.11.2013 | Quelle: Kanzlei für Solarenergie-Recht; Rechtsanwalt Dr. Thomas Binder | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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