Strategien des Großhandels: Von der Stange oder Maßanzug?

Solarthemen 425. Vom drastischen Rückgang im Photovoltaik-Geschäft in Deutschland ist auch der Solar-Großhandel betroffen. Die Unternehmen reagie­ren unterschiedlich auf die Situa­tion. Ein Thema ist dabei auch, mit welchem Angebotsspektrum sie ihre Kunden, die Installateure, besonders unterstützen wollen.

Einige Unternehmen haben sich bereits aus dem klassischen Großhandel zurückgezogen und bedienen nur noch größere Projekte, andere sind zwar weiterhin im Handelsgeschäft aktiv, aber mit einem radikal veränderten Soltiment. So hat die SunEnergy Europe GmbH den Handel mit PV-Einzelkomponenten Ende 2012 komplett aufgegeben. Vertriebsleiter Eike Dehning berichtet, bei fallenden Preisen, sinkenden Absatzmengen und einem großen Lagerrisiko sei dieses Geschäftsmodell nicht mehr nachhaltig gewesen. Dehning ergänzt, einige mittelständische Solar-Großhändler hätten letztlich nicht leisten können, was den Großhandel ausmache. Dies betreffe zum Beispiel die Vorfinanzierung eines ausreichenden Lagerbestandes. Sun­Energy habe sich daher auf andere Stärken und Aufgabenbereiche konzentriert. Rund die Hälfte der 35 Mitarbeiter seien Ingenieure. Diese planen Solarstromanlagen ab etwa 200 kW Leistung für gewerbliche Kunden und – derzeit vor allem im Ausland –größere Solarkraftwerke. Als weiteres Geschäftsfeld habe SunEnergy allerdings die Konzeption, Konfektionierung und Lieferung von Solarstromanlagen in standardisierten Größen für den privaten Endkunden aufgebaut, sagt Dehning. Dies habe den Vorteil, dass die Lagerhaltung auf wenige Produkte beschränkt werden könne. Möglich geworden sei dieses Modell, weil es nicht mehr darum gehe, auf einem Dach möglichst viel Solarstrom zu erzeugen und in das Netz einzuspeisen, sondern den Strombezug aus dem Netz durch den eigenen PV-Strom zu ersetzen. Kosten reduzieren Bei diesem Konzept könne leicht auf einheitliche Anlagen zurückgegriffen werden, was die Kosten reduziere, aber auch die Vermarktung vereinfache. Die Kunden müssten sich lediglich zwischen verschiedenen Größen und eventuell Varianten mit Speicher und/oder Wärmepumpe entscheiden. Damit habe SunEnergy früh begonnen. Und Dehning sieht darin auch einen Pluspunkt, der etwa dafür gesorgt habe, dass sich der Stadtwerkeverbund Trianel für die Produkte von SunEnergy entschieden habe, um sie im Laufe dieses Jahres ihren Kunden unter eigenem Label anzubieten. So habe SunEnergy zusammen mit den Kooperationspartnern im Handwerk schon früh Erfahrungen auch mit standardisierten Montagekosten gesammelt. SunEnergy ist ein Beispiel für ein neues Geschäftsmodell, das auf Standardisierung setzt. Hier fließen sowohl Ingenieurwissen als auch Erfahrungen im Solargeschäft und im Großhandel mit ein. Aus Komponenten macht Sun­Energy ein Paket. Dehning sieht hierin auch einen großen Vorteil für die Installateure, mit denen das Unternehmen zusammenarbeite. Diesen helfe das Konzept bei Kundenansprache und Vermarktung, die sonst bei den nachgefragten Anlagengrößen zu viel Zeit und damit Geld koste, sagt Dehning: „Wenn die zu oft zu einem Kunden hinfahren müssen, rechnet sich das nicht.“ Zudem reduziere das Angebot für den Installateur die Komplexität. Für manchen Betrieb, sagt Dehning, lohne sich dies mehr, als sich im Elektrofachhandel die Anlagen selbst zusammenstellen zu müssen. Neben Stadtwerken und Installateuren sieht Dehning auch in den Hausbaufirmen eine Kundengruppe, für die die standardisierten Pakete ideal seien. Und für alle Kundengruppen sei wichtig, dass sich die Transparenz des Angebotes auch im Preis niederschlagen könne. „Man fährt mit einem standardisierten Produkt nicht besser“, erklärt dagegen Udo Möhrstedt, Vorstand der IBC Solar AG, einer der größten deutschen Solarfirmen. Im Gegenteil würden die Lösungen für die Nutzer komplexer und individueller, meint Möhrstedt. Jede Situation sei ein wenig anders mit unterschiedlichen Dächern, Verbrauchsstrukturen und Wünschen der Kunden. Darauf müsse der Installateur sich einstellen. „Auch in den vergangenen Jahren haben wir kaum eine gleiche Anlage geliefert.“ Und Möhrstedt sieht auch keinen Vorteil in „0-8-15-Anlagen“. A la carte sei nicht teurer als das festgelegte Standard-Menü. Der Prozess der Angebots­aufnahme gehe für den Installateur relativ schnell. Wichtig sei es dann nur, dass er einen guten Partner habe. IBC Solar sehe sich dabei selbst nicht als Großhändler, der lediglich Waren verschiebe, sondern als Systemhaus. Als solches sei es für IBC das Ziel, die Installateure zu schulen und zu beraten. Und natürlich müsse die eigene Logistik so gut sein, dass die vom Installateur georderten Waren dann kostengünstig und schnell auf den Weg gebracht würden. Optimale Lösungen finden Standardpakete könnten zudem dazu führen, dass es nur noch um den Preis gehe, meint Möhrstedt. Das werde die Installateure stark unter Druck setzen. Und auch die Kunden erhielten letztlich nicht die für sie optimale Lösung. Dabei verweist Möhrstedt auf das immer größer e Angebot an Batterien und damit verbundene Lösungen. Das sei auch für Installateure kaum überschaubar. „Da sehen wir unsere Chance“, betont der IBC-Chef, weil sich sein Unternehmen damit sehr vorausschauend befasst und intensiv investiert habe. Standardanlagen sind für Möhrstedt eher ein Relikt der Vergangenheit, kein neuer Trend. Anfang 1996 habe sich IBC an der Ausschreibung von Greenpeace für eine standardisierte „Cyrus“-Anlage mit rund 2 kW Leistung beteiligt. Die Umweltorganisation hatte zuvor Interessenten für eine solche Anlage geworben, um zu demonstrieren, dass in Deutschland ein Markt für Photovoltaik vorhanden ist. Da, so erinnert sich Möhrstedt, sei es darum gegangen, eine kritische Menge an Anlagen zu erreichen, um so eine Chance zur Preisreduktion zu eröffnen. Zu der Zeit sei der Photovoltaik-Markt absolut im Keller gewesen. Heute sei die Situation jedoch eine andere und die Branche könne auf professionelle Strukturen zurückgreifen. Individualität wichtig Kein Freund von Standardpaketen ist auch die Krinner Solar GmbH. „Ich bin überzeugt, dass PV-Anlagen ein Thema sind, dem eine große Individualität zugrunde liegt“, sagt Jan Brunner, Vertriebsleiter bei Krinner. Dies begründe sich auch gerade aus dem Trend zum Eigenverbrauch. Fertige PV-Pakete seien allenfalls ein Nebenerwerb. Diese Angebote zielten auf Endkunden und Installateure, die sich weniger Gedanken machen wollten. Sinnvolle Lösungen sollten sich jedoch auch auf das Bedarfsverhalten der Nutzer ausrichten. Das sei mit den jetzt vorhandenen technischen Lösungen möglich – ebenso wie beispielsweise ein guter Betrieb einer PV-Anlage auf unterschiedlich geneigten Dächern. Standardpakete stießen hier zwangsläufig an Grenzen und würden nicht das volle Solarpotenzial nutzen. Krinner behaupte sich am Markt, sagt Brunner, weil die Kunden auf die wirtschaftliche Stabilität des inhabergeführten Unternehmens mit guter Bonität vertrauten. Zudem werde von den Kunden geschätzt, dass alle Anlagengrößen mit der gleichen Aufmerksamkeit bedient würden. Bei allen Anlagen könnten die Installateure zudem den Online-Shop nutzen. Hier seien alle Produkte mit Preisen hinterlegt, sodass den Installateuren jederzeit autonom eine rasche Preiskalkulation ermöglicht werde. Im Ergebnis führe dies für den Installateur zu einer ähnlichen Preistransparenz wie bei Standard-Paketen. René Médawar, Geschäftsführer der Energiebau Solarstromsysteme GmbH, sieht den Großhandel bzw. das Systemhaus vor der Aufgabe, beide Plätze zu bespielen. Er betont: „Wir lieben kleinteilig.“ Der Großhandel sei dazu da, „marktführende“ Produkte mit guter Logistik zugänglich zu machen und aktive Schnittstelle zwischen Herstellern und Installateuren zu sein. Allerdings gehe es nicht allein um den An- und Verkauf, sondern um das Angebot von Lösungen. Dabei müsse gerade auch mit Blick auf den Endkunden die Komplexität reduziert werden. „Wir haben mit der Photovoltaik ein tolles Produkt, mit dem wir die Mitte der Gesellschaft erreichen können“, so Médawar. Die Kunden könnten damit beim Stromeinkauf Geld sparen. Aber die Ansprache müsse auch emotional erfolgen. Und diese Kunden müssten direkt und nicht nur über das Internet angesprochen werden. Dabei sei der Installateur sehr wichtig. Er sei gegenüber dem Kunden das kompetente Gesicht der Branche und dürfe nicht zum reinen Schrauber degradiert werden. Kooperationen suchen Médawar verbindet mit der Kooperation aus Großhandel, Installateuren und weiteren Partnern, die eng zusammenarbeiten müssten, aussichtsreiche Perspektiven. Ein Beispiel ist für ihn die Kooperation mit der RWE AG. Über diesen Kanal könnten sehr effektiv Kunden angesprochen werden. „Mit herkömmlichen Mitteln kann es der Installateur nicht mehr schaffen, ausreichend viele Endkunden zu erreichen.“ Und es zeige sich auch bereits, dass das Projekt mit RWE bzw. einem Energieversorger umsatzrelevant sei. Energiebau plane hier konservativ mit zwei bis drei Megawatt in diesem Jahr. Richtig los gehen werde es erst mit dem Ende des 3. Quartals. Im kommenden Jahr seien aber bereits 18 MW budgetiert und 2016 etwa 25 bis 30 MW. Bei diesem Konzept stehe der Fachpartner in der ersten Reihe und solle den Kunden auch in den nächsten Phasen des Energiemanagements begleiten. (Andreas Witt)

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