20 Jahre kostendeckende Vergütung: Als das EEG das Laufen lernte

Solarthemen 433. Freising und Hammelburg führten die kostendeckende Vergütung (KV) schon 1993 ein. Doch erst mit einem Erlass der nordrhein-westfälischen Landesregierung im Som­mer 1994 wurde die Basis für eine stärkere Verbreitung des Fördermodells gelegt. Ohne dieses hätte es wohl das EEG nicht gegeben. Am 15. Februar 1989 schrieb der Verein umschalten e.V. erstmals in einem Memorandum von der „Solarstromvergütung zum Selbstkostenpreis“ und von „kostendeckenden Erlösen“. Dabei orientierte er sich an den Vergütungen für Windstrom, die bereits in Dänemark gezahlt wurden.

Für Solarstrom ging umschalten e.V. von einem Erzeugungspreis von 3,57 D-Mark je Kilowattstunden aus. Auch der Solarenergie-Förderverein Deutschland arbeitete an der Idee einer kostendeckenden Vergütung. Im September 1989 schlug er sie in einem Brief an das Bundeswirtschaftsministerium vor. Dieses Modell sah bereits eine Abnahmepflicht durch die Energieversorgungsunternehmen (EVU) und die Refinanzierung der Kosten über den Strompreis vor. Früh ging der SFV von einer garantierten Vergütung über 20 Jahre aus und forderte auch einen angemessenen Gewinn für die Anlagenbetreiber. Unermüdlich warben der SFV, sein Geschäftsführer Wolf von Fabeck sowie ein engagiertes Team für die KV. Die Idee fand in Deutschland schnell Verbreitung. So setzten sich der Verein Sonnenkraft Freising mit Ernst Schrimpff und der grüne Hammelburger Stadtrat Hans-Josef Fell in ihren Heimatgemeinden für die KV ein. Dabei half ihnen das Stromeinspeisungsgesetzes (StrEG), das am 1. Januar 1991 in Kraft trat. Erstmals hatten Betreiber regenerativer Stromerzeugungsanlagen – insbesondere von Wasser- und Windkraftanlagen – damit einen Anspruch auf eine gesetzlich festgelegte Vergütung für eingespeisten Strom. Bis dahin konnten die Betreiber nur versuchen, eine Vergütung in Höhe von „vermiedenen Kosten“ bei den EVU zu erhalten. Basis für das EEG Im Unterschied zum späteren Erneuerbare-Energien-Gesetz, das von Beginn an ganz klar definierte Vergütungen vorsah, habe das Stromeinspeisungsgesetz die Einspeisevergütungen aber an den durchschnittlichen Strompreis gekoppelt, merkt Fell an. Die Erlöse seien also nicht sicher kalkulierbar gewesen. Fell, seit 1998 Bundestagsabgeordneter, war gemeinsam mit dem SPD-Abgeordneten Hermann Scheer einer der hauptsächlichen Autoren des zum 1. April 2000 beschlossenen EEG. Dieses EEG wäre jedoch, sagt Fell, ohne die Erfahrungen mit der KV in einzelnen Kommunen nicht möglich gewesen: „Wir haben das EEG auf dieser Grundlage geschrieben.“ Er selbst war in Hammelburg bereits als Geschäftsführer einer ersten Betreibergesellschaft für Solarstromanlagen tätig gewesen. Sie installierte 1994 erste Anlagen auf den Dächern von Privathäusern und der Kirche. Der Energieversorger zahlte eine Einspeisevergütung von rund 2 D-Mark je Kilowattstunde. Statt einer Pacht erhielten die Gebäudebesitzer lediglich das Versprechen, die Anlagen würden nach Auslaufen der KV nach 20 Jahren in ihren Besitz übergehen. Dabei konnte in den 90er Jahren noch niemand wirklich sagen, ob die Anlagen so lange halten würden. Und tatsächlich laufen sie nach Aussage von Fell noch immer: „Ohne größere Reparaturen.“ Gerade wurden die ersten Anlagen an die Gebäudeeigentümer überschrieben. Sie profitieren nun von einem Passus im EEG 2001, gemäß dem bei Anlagen, die vor dem 1. April 2000 installiert wurden, dieser Tag trotzdem als Tag der Inbetriebnahme im Sinne des EEG gilt – die Vergütungen, die 2000 galten,fließen bei diesen Anlagen also noch bis 2020 weiter. Als in Hammelburg und Freising die KV beschlossen wurde, sei dies allerdings politisch riskant gewesen, räumt Fell ein. Denn als rechtliche Basis konnte nur gelten, dass im Stromeinspeisungsgesetz von Mindestvergütungen die Rede war. Ob die EVU jedoch Strompreiserhöhungen durch die jeweiligen Strompreisaufsichtsbehörden, die auf Länderebene angesiedelt waren, erhalten würden, war fraglich. In NRW hatte sich Landeswirtschaftsminister Günther Einert gegen die hohen Vergütungen für Solarstrom ausgesprochen. Mit Dieter Schulte-Janson, dem Preisreferenten im selben Ministerium, gab es jedoch einen mutigen Beamten, der sich für die KV einsetzte. Dabei kam ihm zu Gute, dass NRW-Ministerpräsident Johannes Rau sich schon 1993 dafür ausgesprochen hatte, „dem Aachener Vorstoß zu einem Erfolg zu verhelfen“. Anfang Juni 1994 – knapp fünf Jahre nach den ersten Überlegungen des SFV – verkündete Einert schließlich den Erlass zur KV. Das „Aachener Modell“ bekam damit seinen offiziellen Segen. Es erlaubte EVU, höhere Vergütungen für Solar- und Windstrom zu zahlen und die Mehrkosten auf den Strompreis umzulegen – solange der nicht um mehr als 1 Prozent steigen würde. Eine Expertengruppe der Strompreisaufsicht ermittelte für 1994 eine angemessene Vergütungshöhe von 2,01 D-Mark je Kilowattstunde. Dies wurde so auch von Stromwächtern anderer Länder, auch in Bayern, übernommen. Die Modelle in Freising und Hammelburg konnten weiterlaufen. Allerdings griffen nur wenige Stadtwerke und Kommunen das Aachener Modell auf. Auch Aachen, die Heimatstadt des SFV, führte die KV selbst erst im Juni 1995 nach intensiven Auseinandersetzungen ein. Im Sommer 1997 gab es bundesweit 26 Kommunen, in denen höhere Vergütungen für Solarstrom gezahlt wurden. Insgesamt waren in ihnen rund 2,4 Megawatt installiert, davon fast 2,2 nach Einführung der KV. Solarkonzerne entstehen Deutlich an der Spitze lag in dieser Zeit Bonn mit 668,2 kW – und dies markiert auch den Einstieg von Frank Asbeck ins Solargeschäft. Er hatte sich bis 1996 mit anderen Geschäftsfeldern befasst, erkannte aber, dass mit der KV gutes Geld zu verdienen sei, wenn man über die bis dahin üblichen Kleinanlagen hin­ausginge. Er installierte zunächst mit seiner Firma SolarWorld in Bonn 80 kW und in Remscheid, ebenfalls einer KV-Stadt, 60 kW. Für Unmut in der Solar­szene sorgte zunächst der Bau einer 500-kW-PV-Anlage ebenfalls in Bonn. Asbeck missachtete hier die Regeln der Solateurszunft, verzichtete auf eine Aufständerung und legte die Module auf alte Autoreifen, um die Rendite zu verbessern. Diese Investitionen bildeten den Grundstock für den späteren Solarkonzern. Denn gleichzeitig wurde SolarWorld zum größten Einkäufer von US-amerikanischen Solarex-Modulen. Asbeck übernahm den Alleinvertrieb in NRW und stieg damit erst wirklich ins Solargeschäft ein. Die KV gab auch anderen Unternehmen den nötigen Schub. So mauserte sich Gütersloh zur Solarhochburg; hier arbeiteten Stadtrat und Stadtwerk in dieser Frage Hand in Hand. Die Energetik GmbH konnte mit relativ preiswerten Anlagen einen guten Teil des Marktes in ihrer Heimatstadt abdecken und so mit einem soliden Geschäft im PV-Sektor beginnen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmten, seien schnelle Entwicklungen möglich, sagt Fell. Diese Erfahrung mit KV und EEG sei wichtig. Denn sie zeige, dass bei entsprechendem Willen mehr für den Klimaschutz getan werden könne: „Man sollte für Bürger weitere Anreize schaffen, damit sie in wünschenswerte Technologien investieren können.“ Text: Andreas Witt

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