Helmut Jäger im Interview: 2015 – ein Jahr für die Solarthermie

Solarthemen 438. Helmut Jäger ist gerade als stellvertretender Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) und Sprecher der Solarwärmefirmen im Verband wiedergewählt worden. Nach den jüngsten Absichtserklärungen der Bundesregierung zur Solarwärme blickt er mit Hoffnung auf das nächste Jahr. Im Interview bewertet der Generalbevollmächtigte von Solvis die Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz (NAPE).

Solarthemen:Seit 2008 hat sich der deutsche Solarwärmemarkt halbiert. Wird die Branche 2014 sogar die magische Grenze von 1 Million Quadratmetern verpassen?

Helmut Jäger: Danach sieht es leider aus. Wir sind im Moment bei minus 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Solarthemen: Wird sich der Negativtrend 2015 noch weiter fortsetzen oder kommt mit den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung die Trendwende?

Jäger: Ich gehe nicht davon aus, dass es 2015 noch schlimmer wird. Es gibt derzeit eine große Verunsicherung. Nicht nur bei der Solartechnik – auch Gas- und Ölgeräte haben im Moment Absatzprobleme. Derzeit werden nur 550000 Kessel pro Jahr ausgetauscht, obwohl vor 20 Jahren, Anfang der 90er, im Schnitt 1,1 Millionen Kessel pro Jahr installiert wurden, die jetzt zum Tausch anstünden. Wir gehen davon aus, dass von der Bundesregierung in den ersten Monaten des Jahres die im NAPE angekündigten Entscheidungen getroffen werden und dass dann die Heizungsmodernisierung wieder anläuft.

Welche der Maßnahmen des NAPE ist für die Solarbranche die wichtigste?

Der wichtigste Punkt sind die Steuerabschreibungen, weil die vom Handwerker unterstützt werden. Viele Handwerker haben ein Problem mit den Förderprogrammen, weil sie damit beim plötzlichen Förderstopp 2010 auf die Nase gefallen sind. Steuergutschriften beruhen auf einem Gesetz, das nicht über Nacht durch den Haushaltsausschuss oder einen Finanzminister außer Kraft gesetzt werden kann, wie das bei den Förderprogrammen immer wieder der Fall ist. Die Handwerker stehen aber in der Verantwortung gegenüber ihren Kunden, was Förderzusagen betrifft. Der Vorteil bei der Steuerabschreibung ist, dass der Handwerker mit den Förderanträgen seiner Kunden nichts zu tun hat. Hinzu kommt, dass die Leute gerne Steuern sparen wollen.

Im Moment wird diskutiert, dass man für eine solare Heizungssanierung mit Kosten von 10000 Euro 10 Jahre lang jeweils 100 Euro Steuern sparen kann. Ist das wirklich ein Anreiz?

Der finanzielle Anreiz wird die Leute nicht vom Hocker reißen. Aber es wird das politische Signal deutlich, dass die Heizungserneuerung politisch gewollt ist und auch unterstützt wird. Das ist ein wichtiges Signal, denn die Einfamilienhausbesitzer, die ja vielfach schon ein bisschen älter sind, sind durch die Energiediskussion total verunsichert. Das betrifft sowohl die Photovoltaik wie die Solarthermie. Es gilt aber auch für die einfache Kesselmodernisierung ohne erneuerbare Energien. Um eine ökologische Lenkungswirkung zu erreichen, fordern wir einen höheren Abschreibungs-Prozentsatz für erneuerbare Energien. Das ist sehr wichtig.

Wie schnell würde das wirken?

Die Steuerabschreibungen sind ein wichtiges Signal an diejenigen, die auf Abwartehaltung waren, weil diese Steuerdiskussion jetzt schon seit zwei Jahren läuft. Diese Leute bekommen jetzt das Signal, in den nächsten fünf Jahren wird es etwas geben und danach wahrscheinlich nicht mehr. Es macht also keinen Sinn, die Heizungsmodernisierung jetzt nochmal fünf Jahre nach hinten zu schieben.Wir fordern aber von der Politik, dass die Steuerabschreibung degressiv gestaltet wird. Ansonsten befürchten wir den gleichen Effekt, wie wir ihn bei den Steuerabschreibungen vor 20 Jahren hatten. In den 90er Jahre sind die Haupt-Investitionen erst zum Schluss passiert. Das wäre weder im Interesse der Hersteller noch der Handwerker.

Sollten die Steuerabschreibungen mit den bestehenden Förderungen kumulierbar sein? Damit wäre doch beim Stop and go kein Fortschritt erreicht.

Wir plädieren eigentlich nicht dafür, dass dies kumulativ gemacht wird. Denn das würde wenig zusätzliche Modernisierungsfälle bringen.

Die Leute sollen sich also entscheiden: Steuergutschrift oder Zuschuss.

Genau. Es gibt ja Hausbesitzer, gerade ältere Leute, die nur sehr wenig oder gar keine Einkommenssteuer bezahlen. Für die ist die Zuschussvariante interessanter.

Das Marktanreizprogramm will die Bundesregierung im Frühjahr ändern. Was sollte da passieren?

Wir wünschen uns, dass die Basisförderung für Solaranlagen von 1500 auf 2000 Euro erhöht wird. Und wir wollen auch, dass die Förderung möglich wird, wenn im Neubau über den Mindeststandard hinaus investiert wird. Wir unterstützen auch die Forderung des BDH, die Warmwasser-Solaranlagen wieder in die Förderung aufzunehmen.

Der Fördergeber scheint mir von letzterem noch nicht überzeugt zu sein.

OK, aber es ist auf jeden Fall sinnvoller, eine kleine Solaranlage einzusetzen statt gar keiner und alles mit Gas oder Öl zu machen. Natürlich würden wir die größeren Solaranlagen bevorzugen. Unser erster Wunsch in Bezug auf das MAP ist, wie gesagt, die Basisförderung für Kombi-Solaranlagen von 1500 auf 2000 Euro zu erhöhen.

Was ist mit der umstrittenen Idee, statt der Kollektorfläche den Kollektorertrag zu fördern. Gibt es da inzwischen eine klare BSW-Position?

Wir setzen uns schon lange für eine ertragsabhängige Förderung auf Basis des geprüften Kollektorertrages ein. Ich habe aber den Eindruck, dass die Politik da im Moment nichts ändern möchte. Sinnvoll ist eine echte ertragsabhängige Förderung bei Großanlagen. Da sollte man sie auf jeden Fall einführen.

Bei der Prozesswärmeförderung vermeldet das BAFA eine Verdopplung der geförderten Projekte von 2013 auf 2014. Allerdings auf geringem Niveau. Die meisten Förderungen gingen an Schweinezüchter und Autowaschstraßen. Ist das der Hoffnungsträger solare Prozesswärme?

Es ist ein Anfang! Und gerade solche Kreise, die bisher von dem Thema Solarwärme sehr weit entfernt waren, greifen jetzt nach und nach zu. Es ist natürlich ein langer Weg – das ist klar. Aber es geht in die richtige Richtung.

Im NAPE stecken etliche neue Instrumente, die sich auf Gewerbe und Industrie ausrichten. Können diese In­stru­­mente der Solarwärme nutzen?

Das analysieren wir gerade. Es kommt darauf an, wie diese Instrumente im Detail gestaltet werden. Interessant ist das vor allem für Contracting-Gesellschaften, auch für Energiegenossenschaften.

Eine der im NAPE angekündigten Maßnahmen ist die Novelle des KWK-Gesetzes. Solarwärme und KWK gelten in Deutschland als Wettbewerber – ganz im Gegensatz zu Dänemark. Müsste sich die Solarbranche nicht massiv in die KWK-Novelle einbringen?

Wir sind gerade dabei, ein Positionspapier zu verabschieden. Unser Ziel ist es, die Gelegenheit der KWK-Novelle zu nutzen. Wir plädieren dafür, dass KWK-Anlagen in Zukunft stromgeführt gefahren werden. Die KWK ist eine Flexibilitätsoption. Ihr Schwerpunkt muss im Winter liegen. Wenn im Sommer kein KWK-Bedarf auf der Stromseite besteht, dann sollte auch die Wärme möglichst erneuerbar erzeugt werden. Dänemark und auch Österreich zeigen, dass dies mit guten Konzepten solarthermisch möglich ist. Wir wollen das KWK-Gesetz so gestaltet wissen, dass nicht im Sommer Zuschläge gezahlt werden für nicht benötigte Stromerzeugung. Damit wird der Weg für die Solarthermie künstlich blockiert.

Im September 2015 kommt das EU-Effizienzlabel für Heizungen. Wird es die Solarthermie voranbringen?

Ich glaube, dass es für die Solarthermie einen Gewinn bringt. Denn mit Solarthermie wird jede Heizungsanlage in der Bewertung noch besser. Man kann dann ein oder zwei Sternchen mit der Solarunterstützung erreichen. Dadurch können wir das Thema auch positiv für das Marketing nutzen. Wir planen dies vom BSW aus für das Frühjahr. Wir arbeiten in einem EU-Projekt daran, die Handwerker zu informieren.

Wird sich der Trend von den Solarspezialisten zu den großen Vollsortimentern der Heizungsbranche durch dieses Label noch weiter verstärken?

Den Trend zum Systemhersteller gibt es schon seit 30 Jahren. Wie das Effizenzlabel sich da konkret auswirkt, ist im Moment nicht so genau zu sagen. Wir sind bestrebt, zusammen mit dem VdZ, eine offene Online-Datenbank zu unterstützen, die jedem Handwerker und jedem Planer die Möglichkeit gibt, Komponenten verschiedener Hersteller zu kombinieren. Das Instrument wird auf der ISH im März vorgestellt.

Der NAPE kündigt auch ein Effizienzlabel für alte Heizungsanlagen an, das der Schornsteinfeger vergibt.

Die 14 Millionen veralteten Heizungsanlagen, die wir in Deutschland haben, werden vom Schornsteinfeger de facto schon heute regelmäßig mit einem Label versehen. Das Problem: Darauf steht fast immer „alles in Ordnung“. Nur knapp 200000 Anlagen pro Jahr bekommen ein negatives Label, weil ihre Messwerte die BImSchV-Grenzwerte überschreiten. Alle anderen Anlagen sind für den Hausbesitzer in Ordnung – alles im grünen Bereich. Wärmeverluste der alten Anlagen werden überhaupt nicht thematisiert. Wenn jetzt das Bestandslabel kommt, wird die Aussage des Schornsteinfegers zumindest relativiert. Der Kunde erkennt: Mein Kessel ist nicht A++, sondern der ist C oder D. Wir kämpfen übrigens dafür, dass dieses Label nicht nur vom Schornsteinfeger, sondern auch vom SHK-Handwerker ausgestellt werden kann.

Interview: Guido Bröer
Foto: Solvis

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